Süddeutsche Zeitung

Immobilienfirma Gagfah:Charme-Offensive beim Skandal-Unternehmen

Gagfah ist einer der größten Wohnungskonzerne Deutschlands - und galt lange als klischeehaft skrupellos. Der neue Chef Thomas Zinnöcker soll beides aufpolieren: die Zahlen und das Image. Das könnte ihm gelingen.

Von Angelika Slavik, Frankfurt

Thomas Zinnöcker sitzt also da, im Tagungszimmer eines Luxushotels in der Frankfurter Innenstadt. Der Konferenztisch ist eingedeckt, es wird Abendessen serviert. Zinnöcker blickt in die Runde. Er sieht zufrieden aus.

Was ist besser, als begehrt zu sein? Begehrt zu sein und es zu wissen.

Zinnöcker, 51, hat gerade einen guten Lauf. Seit ein paar Wochen ist er Vorstandsvorsitzender des Immobilienkonzerns Gagfah. Gagfah ist eines der größten Wohnungsunternehmen in Deutschland. Vor allem aber ist Gagfah ein Unternehmen, das sich in den vergangenen Jahren den Ruf erarbeitet hat, ein fast schon klischeehaft skrupelloser Konzern zu sein.

Da waren die Berichte über Schimmel in den Wohnungen. Über nicht funktionierende Heizungen. Über abstürzende Aufzüge. Es gab Vorwürfe, das Unternehmen halte die Vertragsklauseln zum Mieterschutz nicht ein. Es gab Klagen und Gegenklagen mit der Stadt Dresden und obendrauf auch noch Ermittlungen wegen Verdachts auf Insiderhandel. Vorstandschef in diesem Laden, ein Albtraum? Man könnte auch sagen, dass der Weg zum Helden in kaum einem anderen Job so schön vorgezeichnet ist - die Vorgänger haben die Latte für Thomas Zinnöcker nicht besonders hoch gelegt.

Da war zum Beispiel William Brennan: Als sich die öffentlichen Beschwerden der Bewohner häuften und die Stadt Dresden den Umgang mit den Mietern kritisierte, sagte der Amerikaner erst lange gar nichts - um dann mitzuteilen, wer am Schimmel in den Wohnungen seiner Ansicht nach schuld sei: "Manche Mieter haben kein Geld und heizen nicht."

Zinnöcker, groß, breit, mit der Andeutung eines Kinnbarts, weiß das. Natürlich. Und er weiß, dass er sich von den Vorgängern abgrenzen muss, wenn er glaubwürdig machen will, warum jetzt alles anders wird. Zinnöcker sagt also, das Problem bei Gagfah sei, dass das Unternehmen in den vergangenen Jahren "eher finanztechnisch geführt" wurde, "nicht wohnungswirtschaftlich".

Soll heißen: Der Finanzinvestor Fortress, der knapp 60 Prozent an dem Unternehmen hält, durfte zu viel mitreden. Und Mieterinteressen standen bei Fortress nicht eben auf Platz eins der Prioritätenliste. Aber Fortress, daran hat sich nichts geändert, ist immer noch der größte Aktionär bei Gagfah. Was ist jetzt anders? Zinnöcker gibt zu verstehen, er habe seinen Machtbereich abgesteckt. "Ich schätze alle Aktionäre", sagt er. "Und ich schätze Corporate Governance." Dann wird er deutlicher: "Ich bin kein Fortress-Mann."

Tatsächlich waren seine unmittelbaren Vorgänger, der ruppige William Brennan und dessen Nachfolger Stephen Charlton, Abgesandte des Investors, Zinnöcker aber kommt vom deutschen Konkurrenten GSW. GSW steht mit einem vergleichbaren Geschäftsmodell in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit deutlich besser da - und wirtschaftlich auch.

Zwar gelang Gagfah 2012 die Rückkehr in die Gewinnzone, das operative Ergebnis war allerdings rückläufig. Nicht zuletzt, weil etwa jede zwanzigste der 145.000 Konzern-Wohnungen in Deutschland nicht vermietet ist. "Der Leerstand kostet uns 30 Millionen Euro im Jahr", sagt Zinnöcker. Um den zu reduzieren, soll künftig mehr investiert werden - auch in der Hoffnung, bei einer Neuvermietung gleich höhere Einnahmen erzielen zu können. Eine Kapitalerhöhung zu diesem Zweck sei vorstellbar. Ob da die Aktionäre mitziehen?

Zuletzt legte die Gagfah-Aktie zwar deutlich zu, vor allem seit die Banken Milliardenkredite des Konzerns nach langem Ringen verlängert hatten. Dividende gebe es aber "nicht, bevor wir nicht unsere Hausaufgaben gemacht haben". Zwei Jahre mindestens werde das dauern.

Ob die Image-Korrektur schneller geht? Zinnöcker nimmt das schlechte Ansehen seiner Branche und seines neuen Arbeitgebers im Besonderen persönlich. Als großer Vermieter könne man in der Öffentlichkeit nicht punkten, sagt er. Weil das Problem eines einzelnen Mieters immer "den Kampf Klein gegen Groß" repräsentiere. Zinnöcker sagt: "Wir sind dort nicht die Guten."

"Trifft Sie das?"

"Manchmal schon, ja." Und dann sagt er, dass es ihn auch "ärgere". Weil Mieter ihm wichtig seien, Aktionäre aber auch. Und dass er die Interessen von beiden befriedigen wolle. Thomas Zinnöcker, der Mann, der jetzt alle glücklich machen will.

Bei seinem alten Arbeitgeber GSW allerdings hat sein Abgang Chaos hinterlassen: Aktionäre planen schon den Aufstand gegen seinen Nachfolger. Zinnöcker lächelt, dann findet er routinierte Worte der Verteidigung für den neuen GSW-Chef. Was ist besser, als begehrt zu sein? Begehrt zu sein und es zu wissen.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2013
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