Süddeutsche Zeitung

Immobilienfinanzierung:Schlecht beraten

Der Stiftung Warentest zufolge empfehlen viele Banken zu teure Baukredite. Dabei können kleine Unterschiede schnell Tausende Euro kosten. Vier Tipps für eine günstige Finanzierung.

Von Benedikt Müller

Das Exposé ihrer Traumwohnung haben die Eheleute mitgebracht zur Bank. Die Eltern haben ihnen ein bisschen Geld geschenkt. Jetzt reichen die Ersparnisse aus, um eine Eigentumswohnung zu kaufen: Gut ein Viertel des Kaufpreises bringt das kinderlose Pärchen als Eigenkapital mit, für den Rest brauchen sie einen Kredit. Diese Geschichte haben Tester der Stiftung Warentest im vergangenen Herbst 21 Banken und Kreditvermittlern bundesweit erzählt, in mehreren Beratungsgesprächen je Institut. Die Stiftung hat getestet, wie gut Immobilienkäufer zur Finanzierung beraten werden. "Die Ergebnisse sind ernüchternd", sagt Heinz Landwehr, Chef der Zeitschrift Finanztest.

Nur fünf Anbieter haben gut beraten, teilt die Stiftung mit. In vielen Gesprächen hätten Kunden nicht nachvollziehen können, nach wie vielen Jahren sie schuldenfrei wären - oder wie viel Schulden noch übrig blieben, wenn die Laufzeit des ersten Kredits endet. "Und viele Finanzierungen sind schlicht zu teuer", sagt Landwehr.

Die Baufinanzierung ist derzeit das wichtigste Geschäftsfeld vieler Banken und Sparkassen. Alleine im vergangenen Jahr haben sie 235 Milliarden Euro neu an Bauherren und Immobilienkäufer verliehen. Es war das zweitstärkste Neugeschäft aller Zeiten. Dank der niedrigen Zinsen legen zurzeit viele Menschen ihr Geld in Immobilien an; allerdings sind die Kaufpreise in den vergangenen Jahren entsprechend stark gestiegen, zumindest in den Ballungsräumen. Umso wichtiger ist es, bei dieser weitreichenden Finanzentscheidung unnötige Ausgaben zu vermeiden.

Mehrere Anbieter vergleichen

Obwohl die Tester stets dieselben Voraussetzungen nannten und vergleichbare Kaufobjekte präsentierten, haben die Banken unterschiedliche Konditionen angeboten: Bei der teuersten Sparkasse lag der Zinssatz etwa 0,8 Prozentpunkte höher als bei günstigen Anbietern. Ein Unterschied, der sich im Laufe der Jahre schnell auf 30 000 Euro Mehrkosten summieren kann. "Auf die Empfehlung eines Bankberaters allein sollte sich niemand verlassen", sagt Landwehr. "Insgesamt sollten Kunden wenigstens zwei bis drei weitere Angebote einholen."

Offenbar legen die Banken auch Vorschriften unterschiedlich aus: Die Stiftung Warentest berichtet, die Berliner Sparkasse hätte einem 45-jährigen Tester eine Finanzierung verwehrt, weil er den Kredit nicht bis zur Rente hätte zurückzahlen können. So schreibe es die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie vor. "Das ist schlicht Unsinn", sagt Landwehr. Die Berliner Sparkasse prüft diesen Einzelfall nun. Ein Alter von 45 Jahren sei definitiv kein Ablehnungsgrund, teilt das Institut mit.

Wer den Aufwand scheut, mehrere Angebote einzuholen, kann Kreditvermittler wie Dr. Klein oder Interhyp einschalten. Im Test schnitten sie gut ab.

Nicht unnötig hoch verschulden

Wichtig ist zudem, dass Immobilienkäufer keinen unnötig hohen Kredit aufnehmen. In der Stichprobe der Stiftung Warentest schlugen einige Banken vor, bis zu 90 Prozent des Kaufpreises zu finanzieren. Die Testkunden hätten mehr als 40 000 Euro ihrer Ersparnisse gar nicht genutzt. "Es ist zwar ratsam, etwas Eigenkapital als Sicherheit übrig zu lassen", sagt Dirk Scobel von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Aber grundsätzlich sollte man nicht mehr Kredit aufnehmen, als man braucht." Schließlich kann das dreifache Kosten verursachen: Es dauert länger, bis der Kredit zurückgezahlt ist; Käufer zahlen mehr Zinsen - und sie zahlen höhere Zinssätze, wenn sie weniger Eigenkapital einbringen.

Kombi-Kredite gut durchrechnen

In der Stichprobe der Stiftung Warentest haben viele Banken Kombi-Kredite angeboten: Immobilienkäufer schließen einen Kredit ab, zahlen Zinsen - und besparen gleichzeitig einen Bausparvertrag, mit dem sie anschließend den Kredit zurückzahlen. Diese Angebote können zwar günstig sein, zeigt der Testsieger: Die Frankfurter Volksbank empfahl den Testern, einen günstigen Kredit mit einem staatlich geförderten Bausparvertrag zu kombinieren.

"Doch oft sind Kombi-Kredite relativ unübersichtlich", sagt Scobel. Der Kunde könne schlecht abschätzen, wie schnell er mit der Tilgung vorankomme. Zudem kassieren Banken Abschlussgebühren, wenn sie Bausparverträge verkaufen. So hat die Stiftung Warentest bei einem Kombi-Angebot der Commerzbank einen effektiven Jahreszins von 2,7 Prozent errechnet. Bei vergleichbaren Angeboten günstiger Banken hätten Kunden etwa 35 000 Euro weniger zahlen müssen. "Immobilienkäufer sollten genau durchrechnen, ob ein Kombi-Kredit wirklich günstiger ist als ein Tilgungsdarlehen." Immerhin empfehlen die meisten Banken, die niedrigen Zinsen für 15 oder 20 Jahre festzuschreiben - ein positives Ergebnis der Stiftung Warentest.

Nebenkosten nicht vergessen

Wer bislang zur Miete wohnt, sollte einen Fehler vermeiden, den in der Stichprobe der Stiftung Warentest einige Banken begangen haben: Man sollte die Monatsmiete nicht mit der Monatsrate einer Finanzierung gleichsetzen. Denn auch in den eigenen vier Wänden fallen mehrere Hundert Euro Nebenkosten an. Zudem sollten Käufer Rücklagen für Reparaturen bilden.

Verbraucherschützer Scobel rät, dass Kreditraten und Nebenkosten höchstens 40 Prozent des Nettoeinkommens einer Familie ausmachen sollten. Denn auch wenn die Finanzierung für die Traumwohnung steht, soll ja noch etwas fürs Leben übrig bleiben.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2017
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