Immobilien:Wohnen wird alles, aber nicht billiger

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Berlin ist der größte Immobilienmarkt des Landes: Mehr als sechs Milliarden Euro wurden hier vergangenes Jahr mit Eigentumswohnungen umgesetzt. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Die Preise für Eigentumswohnungen sind zuletzt fast überall gestiegen. Ein Trend, der sich fortsetzen dürfte - auch aufgrund der steigenden Inflation.

Von Stephan Radomsky

Selten haben Großstädter wohl so viel Zeit in ihren Wohnungen verbracht wie im vergangenen Jahr. Die Pandemie machte das Ausgehen unangenehm bis unmöglich, und auch gearbeitet wurde oft vom heimischen Schreib- oder Küchentisch aus. Das eigene Zuhause bekam für viele also einen ganz neuen Wert - und das auch in Euro und Cent.

Trotz Pandemie und unsicherer Wirtschaftslage sind Immobilien auch 2020 deutlich teurer geworden. Beim Blick auf die Zahlen sehen sogar die jüngsten Inflationszahlen moderat aus: Preissteigerungen von drei, vier, fünf Prozent hätten in vielen Städten eher als Schnäppchen gegolten, ergibt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Auftrag des Immobilienunternehmens Accentro. Im Schnitt verteuerte sich eine Eigentumswohnung in einer deutschen Großstadt im vergangenen Jahr demnach um mehr als zehn Prozent. Und ein Ende sei nicht in Sicht: "Die Preise steigen weiter", sagt IW-Ökonom Michael Voigtländer.

Für den Report hat er die gut 123 000 Verkäufe von Eigentumswohnungen samt den Kaufpreisen ausgewertet, die es im vergangenen Jahr in den 81 größten deutschen Städten gab. Das Ergebnis: Zwar wurden weniger Wohnungen verkauft als 2019, der Gesamtumsatz aber stieg trotzdem - auf inzwischen mehr als 36 Milliarden Euro. Insgesamt hat sich demnach der durchschnittliche Preis für eine Wohnung in einer deutschen Großstadt in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

Dass sich eine Immobilienblase bilde, sehe er aber nicht, sagt Voigtländer: In Zeiten übermäßiger Spekulation steige die Zahl der Verkäufe normalerweise deutlich an, die Daten aber zeigten das Gegenteil. Trotzdem boome der Immobilienmarkt weiter, auch wenn sich die Entwicklung vielleicht verlangsame. Anziehende Zinsen und Mieten, die teilweise die Grenze der Belastbarkeit erreicht hätten, könnten die Teuerung bremsen. "Den Markt drehen werden sie aber nicht." Und die zuletzt gestiegene Inflation könne sogar eher dazu führen, dass sich auch die Mieten noch einmal verteuerten - und in der Folge auch die Immobilienpreise.

"Wir investieren zu wenig, wir sanieren zu wenig."

Besonders viele Verkäufe gab es der Erhebung zufolge 2020 in Berlin, hier lag der Wert der Transaktionen erneut über sechs Milliarden Euro. Die Hauptstadt sei trotz zuletzt leicht gesunkener Umsätze "das Epizentrum" des Marktes in Deutschland, sagt Voigtländer. Nur München erreichte mit einer Steigerung auf 5,7 Milliarden Euro ähnliche Dimensionen, in Hamburg wechselten Wohnungen für gut 3,1 Milliarden Euro die Besitzer.

Die höchsten Preise aber wurden in München gezahlt: Eine Eigentumswohnung kostete hier im Schnitt knapp 580 000 Euro - rund 45 000 Euro mehr als noch 2019. Auch in Hamburg stieg der durchschnittliche Preis auf knapp über 500 000 Euro. Am günstigsten war es dagegen in Gera, Salzgitter, Bremerhaven und Gelsenkirchen. In diesen Städten kostete eine Wohnung im Schnitt weniger als 100 000 Euro.

Was die Immobilien weiter verteuern dürfte: In den kommenden Jahren müssen Eigentümer viel Geld in ihre Häuser stecken, damit diese weniger Energie verbrauchen und damit weniger CO₂ ausstoßen. Um hier die Ziele zu erreichen, müssten bis 2050 etwa 500 Milliarden Euro investiert werden, schätzt Voigtländer. Bislang gehe es aber viel zu langsam voran: Derzeit werde nur knapp ein Prozent der Gebäude jährlich energetisch saniert, nötig wäre mindestens das Doppelte. "Wir investieren zu wenig, wir sanieren zu wenig", so der Ökonom.

Zugleich warnt er vor einem "Dilemma zwischen Sozialpolitik und Klimaschutz": Gerade in den ältesten Gebäuden wohnten oft die Menschen mit den geringsten Einkommen. Sie dürften mit den Kosten einer Sanierung nicht überfordert werden. Zwar rechne es sich langfristig, wenn weniger Energie verbraucht wird - "in den ersten Jahren sind die Kosten aber höher als die Einsparungen", so Voigtländer. Es sei deshalb eine wichtige Aufgabe der neuen Bundesregierung, hier Lösungen zu finden, damit beides zusammengehe.

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