Süddeutsche Zeitung

Wohnraum:In den Städten wird es enger

Mieter müssen häufig zusammenrücken, Eigentümer haben mehr Platz. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat untersucht, wer wie groß wohnt.

Von Thomas Öchsner, München

Ob man will oder nicht, wegen der Pandemie und des Lockdowns verbringen die Menschen derzeit so viel Zeit zu Hause wie noch nie in der jüngeren Geschichte. Viele fühlen sich dabei einsam oder beengt. Der Platz zum Wohnen ist aber größer geworden. Laut Statistischem Bundesamt waren die Wohnungen in Deutschland Ende 2019 im Durchschnitt knapp 92 Quadratmeter groß. Die Wohnfläche je Einwohnerin und Einwohner betrug durchschnittlich 47 Quadratmeter. Seit 2010 hat sich damit die Wohnfläche pro Person um zwei Quadratmeter erhöht. Doch wie viel Raum ist eigentlich viel oder wenig? Und wer bewohnt wie viel?

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat dies jetzt im Detail analysiert. Frühere Untersuchungen des IW zeigten bereits: Mehr Platz zum Wohnen haben vor allem Eigentümer. Während bei ihnen seit 2010 die durchschnittliche Wohnfläche wuchs, ist sie bei Mietern in etwa gleich geblieben, in den Großstädten ging sie sogar zurück: Wer zur Miete wohnte, musste enger zusammenrücken. Das liegt, so das IW, vor allem am Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Die Nachfrage nach Wohnraum steigt, und damit steigen auch die Mieten. So erhöhe sich die durchschnittliche Anzahl an Haushaltsmitgliedern, "da Umzüge in eine neue, größere Wohnung häufig mit deutlich höheren Kosten einhergehen und teilweise ausbleiben", heißt es in der neuen IW-Analyse, die das Kölner Institut an diesem Montag veröffentlichen wird. Gleichzeitig sei im vergangenen Jahrzehnt auch der Anteil an Mietern gestiegen, die weniger als einen Wohnraum zur Verfügung haben. Fachleute sprechen vom "Lock-in-Effekt". In den Zahlen schlägt sich laut IW auch die Zuwanderung nach Deutschland nieder. Demnach ist der Anteil der Mieter mit Migrationshintergrund zwischen 2010 und 2018 von 25 auf 32 Prozent angewachsen. Unter den Eigentümern ist er nur halb so groß.

Ein Haushalt mit 83 Quadratmetern pro Kopf zählt zu den oberen zehn Prozent

Grundlage der neuen Untersuchung des IW ist das sozioökonomische Panel, eine jährliche Befragung von mehr als 15 000 Haushalten in Deutschland. Um mehr darüber zu erfahren, wer wie viel Wohnraum beansprucht, konzentrierte sich das Kölner Institut auf Privathaushalte und ermittelte für verschiedene Bevölkerungsgruppen den Wohnflächenverbrauch. Innerhalb der Gesamtbevölkerung gehört man demnach bereits in einem Haushalt mit 41 Quadratmetern pro Kopf zu den oberen 50 Prozent. Ab 83 Quadratmetern pro Kopf zählt man zu den oberen zehn Prozent. Ganz anders sieht es aus, wenn man alleine wohnt. Das trifft auf etwa jeden Fünften in Deutschland zu, und die Alleinlebenden haben deutlich mehr Platz: Lediglich elf Prozent haben weniger als 41 Quadratmeter. Die mittlere Wohnfläche - das ist der Wert, der genau in der Mitte liegt, wenn man die Wohnungen der Größe nach ordnet - liegt hier bei 65 Quadratmetern.

Deutlich sind auch die Unterschiede zwischen Mietern und Eigentümern. Wer über eigene vier Wände verfügt, wohnt im Mittel in 125 Quadratmeter großen Wohnungen. Bei Mietern sind es nur 75 Quadratmeter. Wie groß die Kluft hier ist, zeigt auch eine andere Zahl: Nicht einmal ein Viertel der Mieter leben in Wohnungen, die größer als 100 Quadratmeter sind, "bei den Eigentümern ist das Verhältnis nahezu umgekehrt", schreibt der Autor der Studie, Pekka Sagner.

Schaut man auf das Bildungsniveau, sind die Unterschiede eher gering. Personen mit Hochschulabschluss wohnen im Mittel in etwas größeren Wohnungen als solche mit Hauptschulabschluss. Auffällig ist aber, dass Rentner pro Kopf über deutlich mehr Wohnfläche verfügen als viele andere Bevölkerungsgruppen: Ab 60 Quadratmetern gehört man unter den Ruheständlern zu den oberen 50 Prozent, ab 110 Quadratmetern zu den oberen zehn Prozent.

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