Süddeutsche Zeitung

Immobilien:Wann der Hauskauf lohnt - und wann Mieten besser ist

  • Ökonomen vom Institut der deutschen Wirtschaft haben berechnet, ab wann sich der Kauf einer Immobilie gegenüber der Miete lohnt.
  • Ergebnis: In vielen Städten lohnt es sich noch, eine Immobilie zu kaufen. Doch im Süden Bayerns sieht es anders aus.
  • Die Gefahr einer Überhitzung sehen die Ökonomen bundesweit aber nicht. Sie halten die Immobilienpreise weiterhin für realistisch.

Von Benedikt Müller, Frankfurt

Es ist die wohl schwierigste Finanzfrage des Lebens: Lohnt es sich, all seine Ersparnisse zusammenzulegen, um eine eigene Immobilie zu kaufen? Oder wohnt man lieber zeitlebens zur Miete und legt dafür sein Geld breit gestreut an? Die Preise für Wohnungen, Häuser und Grundstücke sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen - was auf den ersten Blick für das Mieten spricht. Doch gleichzeitig sind Immobilienkredite durch die niedrigen Zinsen so billig wie nie. Das macht es nicht unbedingt leichter für diejenigen, die sich derzeit fragen: Mieten oder Kaufen?

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat nun in einer Studie nachgerechnet, wann sich ein Kauf beziehungsweise die Miete lohnt. Demnach ist es in Deutschland flächendeckend günstiger, im Eigentum zu leben - im Durchschnitt liegt die Ersparnis bei 41 Prozent bezogen auf die monatliche Zahlung. Hinzu kommt allerdings, dass der Käufer sein Darlehen auch tilgen muss. Und: Die Zahlen gelten eben nur für das aktuelle Zinstief. Was passiert also, wenn die Zinsen wieder steigen? Könnten die Immobilienpreise dann einbrechen, und Banken auf den Schulden sitzenbleiben?

Spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten scheint eine Zinswende in der Baufinanzierung möglich. Das Argument: Mithilfe eines schuldenfinanzierten Konjunktur-Programms könnten (zunächst in den USA) Inflation und Zinsen wieder anziehen. Früher oder später würden dann auch in Europa die Zinsen steigen - und Immobilienkredite teurer machen. Abwegig scheint das nicht. Zumindest haben mehrere große Baufinanzierer in Deutschland die Kreditzinsen seit der US-Wahl angehoben, etwa ING-Diba, Allianz und Hypovereinsbank. Sind die goldenen Zeiten auf dem Immobilienmarkt also bald vorbei?

Das IW versucht mit seinem Gutachten zu beruhigen: Selbst wenn die Bauzinsen deutlich steigen, sei es unwahrscheinlich, dass die Immobilienpreise hierzulande einbrechen. Noch seien die Kosten der eigenen vier Wände angemessen im Vergleich zu den Mieten. Für gut 400 Landkreise haben die Forscher untersucht, wie hoch die monatlichen Ausgaben für Zinslast, mögliche Renovierungen und Abschreibungen sind (Link). Diese Kosten haben sie verglichen mit den ortsüblichen Mieten, wie sie in Internet-Portalen abgerufen werden.

Das Ergebnis: Im bundesweiten Schnitt ist die Kaltmiete von knapp sechs Euro pro Quadratmeter (im Jahr 2006) auf knapp sieben Euro (im Jahr 2016) gestiegen. Rechnet man die Kosten für das Eigenheim auf den Quadratmeter herunter, sind sie im Schnitt von knapp acht Euro (im Jahr 2008) auf etwa 4,50 Euro (im Jahr 2016) gefallen. Klarer Vorteil fürs Kaufen. "Die Zinsen sind stärker gesunken, als die Preise gestiegen sind", erklärt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des IW, der das Gutachten im Auftrag des Wohnungsunternehmens Accentro angefertigt hat.

Allerdings berücksichtigen die Autoren nicht, dass Käufer zusätzlich zu den Zinsen eine Tilgungsrate bezahlen. Diese Tilgung sei wie ein monatlicher Vermögensaufbau, argumentieren die Forscher; das könne man nicht mit einer Mietzahlung vergleichen. Im echten Leben jedoch vereinbaren Kunden zurzeit eine Tilgungsrate von knapp drei Prozent pro Jahr, wie der Kreditvermittler Dr. Klein berichtet. Sie zahlen also mehr Tilgung als Zins - dafür besitzen sie am Ende ein abbezahltes Eigenheim.

Deshalb haben die IW-Forscher ein zweites Modell durchgerechnet: Darin nutzt der Käufer seine Ersparnis gegenüber der Miete, um den Kredit zu tilgen. Nach zehn Jahren braucht er eine Anschlussfinanzierung, um insgesamt nach 35 Jahren schuldenfrei zu sein. Das Ergebnis: In Städten wie Berlin, Frankfurt oder Stuttgart geht die Rechnung noch auf, selbst wenn die Zinsen in der Zwischenzeit auf mehr als 3,5 Prozent steigen sollten. In München dagegen müssten die Zinsen weiter sinken, von aktuell 1,5 auf 0,8 Prozent, damit ein Käufer wirklich günstiger wegkommt als ein Mieter. Ein unrealistisches Szenario.

Das bedeutet: Der Immobilienmarkt im Süden Bayerns könnte bereits überhitzt sein. "Ein Zinsschock könnte dort tatsächlich etwas verändern", sagt IW-Ökonom Voigtländer. Es sei zwar nicht unattraktiv, in München und Umgebung ein Eigenheim zu kaufen. Doch sei dort Kaufen (einschließlich der Tilgung) mittlerweile teurer als Mieten.

Die Hürden zum Eigenheim sind hoch

Bundesweit gibt Voigtländer hingegen Entwarnung: "Es ist unwahrscheinlich, dass wir in eine spekulative Blase hereinschlittern", sagt er. Eine Blase hätte immer auch ein psychologisches Moment: Viele Menschen würden kaufen, nur weil sie auf noch höhere Preise in der Zukunft spekulieren - und mit Gewinn verkaufen wollen. Doch die Kaufneigung in Deutschland hat laut den Forschen in den vergangenen Jahren kaum zugenommen.

Zwar wird etwa bei der Suchmaschine Google der Begriff "Wohnung kaufen" mittlerweile doppelt so oft eingegeben wie noch vor fünf Jahren. Doch für den Begriff "Wohnung mieten" ist die Zahl der Suchanfragen genauso stark gestiegen. Auch auf der Online-Plattform Immobilienscout 24 ist der Anteil der Kaufgesuche (gegenüber den Mietanfragen) in den vergangenen Jahren nur geringfügig gestiegen, von 18 auf 20 Prozent. "Es gibt keine eindeutige Hinwendung zum Kaufen", sagt Voigtländer. Schließlich seien die Hürden zum Eigenheim hoch: Die meisten Banken verlangen immerhin 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital. Zudem sind Grunderwerbsteuer, Notar- und Maklerkosten hierzulande höher als in anderen Ländern.

Dass die Kosten für die eigene Immobilie noch immer niedriger sind als die Mieten, wertet Voigtländer als gutes Zeichen. In Ländern wie Irland oder den USA, wo vor knapp zehn Jahren Immobilienblasen platzten, war Wohneigentum nämlich deutlich teurer als das Leben zur Miete - selbst wenn Schuldner überhaupt nicht tilgten. Solange das Verhältnis andersherum ist, drohe kein Preiseinbruch, sagt Voigtländer. Vielmehr könnten Immobilien hierzulande noch ein bisschen teurer werden.

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