Immobilien:247 Quadratmeter und sehr viel Luft

Silicon Valley Mansions Linger on Market in Real Estate Slowdown

Haus zu verkaufen: Auch im Silicon Valley ist das inzwischen nicht mehr so leicht.

(Foto: Michael Short/Bloomberg)

Die Amerikaner bauen noch immer sehr große Häuser - als hätte es die dramatische Immobilienkrise nicht gegeben. Vor allem in den Großstädten wird das nun zu einem Problem. Schuld daran ist nicht nur die Protzsucht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

McMansion, das ist in den USA ein Schimpfwort für eine viel zu große Villa ohne erkennbaren architektonischen Stil. Ein protziger Schandfleck mit überdimensionierter Garage für die überdimensionierten Autos, so wie ein McJob eine nervige Anstellung ohne Zukunft ist und ein McPaper eine populistische Zeitung für den Massenmarkt. In den 80er Jahren, da war die McMansion das typische Domizil für den gehobenen Mittelständler, der es aus den Kleinhäusern der Vorstadt in eine schönere Gegend geschafft hatte, sich aber doch keine Designervilla in einer umzäunten Siedlung mit Sicherheitskräften leisten konnte.

Eine McMansion war in den 1980er Jahren deshalb nicht einfach nur ein Wohnraum, sondern ein Symbol des amerikanischen Traums, eine Botschaft an Nachbarn und Freunde, es zu etwas gebracht zu haben im Leben. Das war übrigens in Deutschland nicht anders, in der "Mein Haus, mein Auto, mein Boot"-Hymne aus der Sparkassen-Werbung wurde das sehr nervig besprochen.

In San Francisco sind die Mieten in einem Jahr um zehn Prozent gestiegen

Die 80er-Jahre sind lange her, mittlerweile haben die Menschen bemerkt, dass sich eine Fahrgemeinschaft lohnen kann, Fahrdienstvermittler wie Uber oder der Konkurrent Lyft arbeiten gemeinsam mit Volvo beziehungsweise General Motors daran, dass die Menschen in den USA in Zukunft überhaupt kein eigenes Auto mehr brauchen, sondern in einem selbstfahrenden Elektrofahrzeug transportiert werden. Sie teilen ihre Wohnung über AirBnB mit anderen Menschen, sie verleihen sich gegenseitig Bohrmaschinen über Internetportale, sie tauschen Bücher und teilen sich Versicherungen. Aber in den Vereinigten Staaten bauen sie noch immer verdammt große Häuser für kleine Familien. Warum nur?

Eine Studie der amerikanischen Universität UCLA hat in diesem Jahr 2016 die Bewegungsprofile von Mittelklassefamilien in deren Häusern nachgezeichnet, wenn alle Mitglieder daheim waren. Sie trafen sich in der Küche, sie sahen im Wohnzimmer fern, hin und wieder ging einer auf die Toilette. Mehr als 50 Prozent des Wohnraums allerdings blieb regelmäßig komplett unbewohnt, vor allem im Ess- und Gästezimmer war meist niemand. Tagelang. Das führte zu der Frage: Warum gibt es ein Esszimmer, wenn niemand darin isst? Und ein Gästezimmer, in dem nur sehr selten ein Gast übernachtet? Gibt es einen tieferen Sinn für diese Räume außer jenen, Besuchern den eigenen Besitz vorzuführen?

Freilich könnte man nun darauf verweisen, dass die McMansions Relikte aus einer längst vergangenen Zeit seien - doch das stimmt nicht. In Los Angeles sind in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 5,3 Millionen Quadratmeter Wohnfläche für neue Einfamilienhäuser ausgewiesen worden. In den Vierteln nördlich von Downtown, wo permanent gebaut wird, entstehen auf den 1000-Quadratmeter-Grundstücken keine Gebäude mit 20 Wohnungen für insgesamt mehr als 60 Menschen - sondern Einfamilienhäuser für Kleinfamilien. Die Zahl der Amerikaner, die gemeinsam unter einem Dach leben, das zeigt eine andere Studie, ist von 3,3 im Jahr 1960 auf 2,54 in 2016 gesunken, die durchschnittliche Wohnfläche eines Hauses in der gleichen Zeit jedoch von 91,3 auf 247,1 Quadratmeter gestiegen.

In Städten wie Los Angeles oder New York, in denen der Wohnraum ohnehin knapp ist, führt das zu immensen Problemen, weil Wohnen immer teurer und damit für viele Mitglieder der Mittelschicht unbezahlbar wird: Die durchschnittliche Miete in Los Angeles etwa ist allein in den vergangenen zwölf Monaten um knapp acht Prozent gestiegen, in San Francisco gar um mehr als zehn Prozent. Das können sich viele Einwohner nicht mehr leisten, sie müssen wegziehen und dann zur Arbeit pendeln. Effizient ist das nicht.

"Die Lebensgewohnheiten der Menschen haben sich verändert", sagt die Architektin Hsinming Fung, Direktorin des Southern California Institute of Architecture: "Viele Menschen arbeiten von zu Hause aus, also brauchen sie dafür ein Zimmer. Sie spielen weniger im Garten, also brauchen sie einen Raum für Unterhaltung oder ein größeres Wohnzimmer. Das Gästezimmer behalten sie, weil sie damit rechnen, dass die arbeitslosen Kinder zurückkommen könnten oder die Eltern irgendwann einziehen müssen, weil die ihr eigenes Haus nicht mehr bewirtschaften können. In der Zwischenzeit ist das Gästezimmer ein Hobbyraum."

Es gibt aber noch andere Gründe: Wer in Los Angeles etwa eine Solaranlage an seinem Dach anbringt oder auf andere Weise umweltfreundlich baut, darf im Gegenzug ein 20 Prozent größeres Haus ohne Einspruchsmöglichkeit für die Nachbarn errichten - und wer sich geschickt anstellt, der funktioniert die Garage zum Hobbyraum um, weil die Garage offiziell nicht als Wohnraum gilt. Plötzlich gibt es da über dem Drei-Auto-Raum ein Stockwerk mit noch einmal drei Zimmern. Für die Kinder vielleicht, weil man im Haupthaus weiterhin Gäste- und Esszimmer haben will.

Zudem hat die Immobilienkrise dafür gesorgt, dass viele Menschen kaum noch Kredite für den Hausbau bekommen. Wer dennoch einen erhält, dem wird geraten, auf das Grundstück ein möglichst großes Haus zu setzen. "Der Häusermarkt wird dadurch verzerrt", sagt Rose Quint von der National Association of Home Builders: "Es geht nur noch darum, wer einen Kredit bekommt und wer nicht."

Die McMansions sind also keine Erinnerung an die Dekadenz der 80er Jahre, sie sind auch im Jahr 2016 noch immer eine protzige Botschaft all jener, die sich tatsächlich noch ein Haus leisten können. Und sie stehen nach wie vor für die dekadenten Auswüchse des amerikanischen Traums, die es nach der Immobilienkrise eigentlich nicht mehr geben dürfte.

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