Süddeutsche Zeitung

Immobilien:Keine Immobilien mehr an Ausländer? So einfach ist das nicht

  • Um die Steigerung der Mietpreise einzudämmen, erwägt der Berliner Senat, ausländische Investoren vom Wohnungsmarkt auszusperren.
  • "Wir überlegen das. Der Finanzsenator erarbeitet gerade Vorschläge, wie man Spekulation mit Wohnraum verhindern kann", sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).
  • Experten weisen jedoch darauf hin, dass keiner weiß, wie viele Wohnungen Ausländern gehören. Und sie bezweifeln, dass ein solches Verbot praktisch umsetzbar ist.

Von Harald Freiberger und Stephan Radomsky

Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern ist erst seit knapp einem Jahr im Amt, doch sie hat schon weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt: Ausländern ist es künftig verboten, bestehende Immobilien in Neuseeland zu kaufen. Ardern will damit ein großes Problem in den Griff bekommen: Immobilien werden in ihrem Land immer knapper; die Mieten steigen immer weiter.

Offenbar hat sich das Beispiel Neuseelands bis Berlin herumgesprochen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigt jedenfalls Sympathie für den Vorstoß. "Wir überlegen das auch", sagte er der FAZ. "Der Finanzsenator erarbeitet gerade Vorschläge, wie man Spekulation mit Wohnraum verhindern kann."

Der Bürgermeister traf damit einen wunden Punkt, schließlich haben in seiner Stadt die Preise für Immobilien seit 2008 um 104 Prozent angezogen. "Berlin ist heute doppelt so teuer wie vor zehn Jahren", meldet das Internetportal Immowelt.de. In keiner deutschen Stadt gab es einen solchen Immobilienboom, mit schwerwiegenden Folgen für die Einwohner: Wohneigentum können sich inzwischen nur noch sehr Reiche leisten, und für Durchschnittsverdiener steigen die Mieten in grenzwertige Höhen. Warum den Spekulanten also nicht die Grenzen aufzeigen und eine Art neue Berliner Mauer errichten?

"Die Unterscheidung, wer gut ist und wer böse, ist unglaublich schwierig"

Wenn es nur so einfach wäre. Müller erntete für seine zwei knappen Sätze am Montag jedenfalls viel Kopfschütteln und Ablehnung von fast allen Seiten. Für seinen Vorstoß fehlt nämlich zum einen jede statistische Grundlage, obendrein ließe er sich praktisch nicht durchsetzen.

"Das Thema kommt weitgehend aus dem luftleeren Raum", sagt Claus Michelsen, Immobilienexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Es gebe keine Statistik, wie der Immobilienbesitz in Deutschland zwischen In- und Ausländern verteilt ist. Man wisse nichts über die Nationalität der Käufer und vor allem nicht, wo sie wohnen.

Das bestätigen auch Nachfragen beim Immobilienverband Deutschland, beim Statistischen Bundesamt, beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg und bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Nirgendwo gibt es entsprechende Daten.

"Das Thema hat daher nur anekdotische oder gefühlte Evidenz", sagt Michelsen. Doch selbst wenn die Daten vorhanden wären, ließe sich der Vorstoß nicht umsetzen. "Es geht ja in erster Linie darum, was ein Investor mit seinem Eigentum tut", sagt Michelsen. Es gebe durchaus große Investoren aus dem Ausland, die ihr Geld auf dem deutschen Immobilienmarkt anlegen wollen und nicht vor allem auf Rendite oder Mieterhöhungen aus sind. "Die Unterscheidung, wer gut ist und wer böse", sei "unglaublich schwierig."

Ein anderes Problem: Die größten Wohnungskonzerne in Deutschland, Vonovia und Deutsche Wohnen, sind an der Börse notiert. Immer wieder sichern sich Hedgefonds größere Aktienpakete. Um dies zu verhindern, müsste also auch der Aktienbesitz dieser Konzerne kontrolliert werden.

Und dann sind da noch Bedenken grundsätzlicher juristischer Art: Dass man bestimmte Bevölkerungsgruppen und Nationalitäten nicht einfach so diskriminieren darf. Innerhalb der EU ist Freizügigkeit vertraglich garantiert, das schließt auch die Freiheit ein, sich niederzulassen.

Darauf wies auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) schon vor einigen Tagen hin, als sie vom Tagesspiegel nach dem neuseeländischen Beispiel gefragt wurde. "Neuseeland ist ein Inselstaat. Eine solche Regelung mitten in Europa ist nicht vorstellbar. In der EU gilt nämlich nicht nur die Freizügigkeit von Personen, sondern sie können auch Kapital zwischen EU-Ländern frei bewegen", sagte sie. Sie führte auch ihr eigenes Beispiel an: Ihr Vater sei Brite, der fast sein ganzes Leben in Deutschland verbrachte. "Er hätte dann hier keine Wohnung kaufen dürfen - das ist doch Unsinn."

Und sollte man es, was für Berlin naheliegend wäre, auf Investoren russischer Nationalität absehen, könnten diese einfach eine GmbH in Luxemburg gründen oder einen deutschen Strohmann einsetzen. Mit dem Versuch, Immobilienkauf für ausländische Spekulanten zu verbieten, dürfte der Berliner Finanzsenat also nicht weit kommen.

Die Kommune könnte auch selbst zum Käufer werden

Experte Michelsen empfiehlt ohnehin einen anderen Weg: "Berlin hat ein Knappheitsproblem", sagt er. Die Investoren erwarteten deshalb weiter steigende Preise. Dem könne die Politik nur entgegenwirken, indem sie Wohnraum schaffe und anderweitig Druck vom Immobilienmarkt nehme; dazu gehöre etwa eine Ausweitung des Ballungsraums durch eine bessere Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs. "Berlin und auch andere Kommunen sind in der Pflicht, alles zu tun, damit die Ausschläge auf dem Markt nicht mehr so stark sind."

Es gibt auch noch andere, wirksamere Mittel für die Politik, zum Beispiel das Vorkaufsrecht: Hat eine Kommune den Eindruck, dass ein Investor Schlimmes im Schilde führt, etwa eine Luxussanierung, kann sie das Objekt selbst kaufen - eine Methode, die Baustadtrat Florian Schmidt im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erfolgreich anwendet und mit der er zum Helden von Mietern aufgestiegen ist. "Das muss man nur zwei-, dreimal machen, schon hat es disziplinierende Wirkung für die Investoren", sagt Michelsen. Das sei jedenfalls besser, als Ausländer durch Inländer zu ersetzen. Denn das lässt der Vorstoß von Bürgermeister Müller ebenfalls unberücksichtigt: Es gibt auch durchaus zweifelhafte Immobilieninvestoren deutscher Provenienz.

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SZ vom 28.08.2018/bbr
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