Immobilien-Deal in Baden-Württemberg:Wie Patrizia um das Vertrauen der Mieter wirbt

Die Patrizia Immobilien AG übernimmt 21.000 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg. Ein neuer, privater Eigner also, der an der Börse notiert ist. Diese Konstellation weckt bei den 60.000 Mietern Ängste - und wird auch in Bayern mit Interesse verfolgt.

Angelika Slavik

Wolfgang Egger hat eine Strategie an diesem Dienstagmittag und die heißt: Zurückhaltung. Der Chef der Patrizia Immobilien AG überlässt das Reden seinem Vorstandskollegen und seinem Pressesprecher; und wenn er doch mal etwas sagt, dann sind es Sätze wie dieser: "Wir wollen keine goldenen Wasserhähne." Oder dieser: "Wir wollen zufriedene Mieter. Die Mieter sind unsere Kunden."

Wolfgang Egger von Patrizia Immobilien

Neuer Eigner von 21.000 Wohnungen: Wolfgang Egger, der Vorstandsvorsitzende und Gründer der Patrizia Immobilien, auf einer Pressekonferenz in Stuttgart.

(Foto: dpa)

Egger tut das freilich nicht ohne Grund. Denn gut zwölf Stunden zuvor war bekannt geworden, dass sein Unternehmen die Immobilienbestände der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) übernimmt. 21.000 Wohnungen im Ländle bekommen damit einen neuen Eigentümer - und zwar einen privaten. Einen, der an der Börse notiert ist.

Solche Konstellationen wecken Ängste. Davor, dass die Mieten sprunghaft steigen könnten. Davor, dass Mieter aus ihren Verträgen gedrängt werden könnten, um ihre Wohnungen zu sanieren und teurer weitervermieten zu können. Oder davor, dass der neue Eigentümer Patrizia die Gebäude verfallen lässt, weil er an der Instandhaltung spart. Kurz: Es steht die Befürchtung im Raum, dass der Verkauf der Landesbank-Wohnungen an die Patrizia ähnliche Folgen haben könnte wie einst die Privatisierung von 48.000 kommunalen Wohnungen in Dresden.

Damals, 2006, verkaufte die sächsische Landeshauptstadt ihren kompletten Bestand an die börsenotierte Gagfah - und sanierte mit den Einnahmen das kommunale Budget. Doch in den folgenden Jahren häuften sich die Meldungen über verfallende Häuser, Schimmel, defekte Heizungen; zudem warf die Stadt dem neuen Eigentümer vor, die Sozialcharta nicht eingehalten und Wohnungen unzulässig weiterverkauft zu haben. Gagfah bestritt das, in der Sache sind mehrere Verfahren anhängig. Droht das nun auch in Baden-Württemberg?

Eine Sozialcharta gibt es auch bei diesem Verkauf, die werde man penibel einhalten, versprach Egger. Wichtigster Punkt: Die Mieten dürfen jährlich um höchstens drei Prozent ansteigen, plus Anpassung an die Inflationsrate. Allerdings, und das könnte für den einen oder anderen Mieter teuer werden, wird für diese Regelung der Durchschnitt aller nun verkauften Wohnungen herangezogen. Es ist also möglich, dass die Mieten für manche Bewohner gar nicht, für andere dafür umso deutlicher steigen.

Zudem wurde im Kaufvertrag vereinbart, dass Patrizia jährlich 16,80 Euro pro Quadratmeter in die Instandhaltung der Gebäude investieren muss - das liegt deutlich über dem Branchenschnitt von etwa 13 Euro pro Quadratmeter und noch deutlicher über den Investitionen der Gagfah nach dem Kauf in Dresden. Allerdings gibt es auch Parallelen: Am jetzigen Kauf soll der Patrizia-Manager Matthias Moser maßgeblich beteiligt gewesen sein - und er wiederum war es auch, der einst für seinen damaligen Arbeitgeber, den Finanzinvestor Fortress, den Kauf der Gagfah eingefädelt hatte.

Mietervertreter üben Kritik

All das macht die Mietervertreter nervös, sie übten am Dienstag Kritik: Der Mieterschutz sei "dem Profitinteresse der Bank geopfert" worden, sagte der Chef des Mieterbunds in Baden-Württemberg, Rolf Gaßmann. Patrizia habe kein Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung des Wohnungsbestands. Er befürchtete eine Benachteiligung der rund 60.000 Bewohner der betroffenen Wohnungen, der Sozialcharta zum Trotz. Patrizia kündigte an, die Einhaltung der Vorgaben jährlich von einem Wirtschaftsprüfer untersuchen zu lassen.

Dass die Wohnungen überhaupt verkauft wurden, liegt an der EU: Die machte den Verkauf der Immobilien 2008 zur Bedingung, um im Gegenzug die Milliardenhilfen für die strauchelnde Landesbank zu genehmigen. Im Verkaufsverfahren setzte sich Patrizia nun mit einem Gebot von 1,435 Milliarden Euro gegen ein Konsortium durch, an dem auch die Stadt Stuttgart beteiligt war.

Die Vorgänge in Baden-Württemberg werden auch in Bayern mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Denn ähnlich wie im Nachbarbundesland stehen auch hier Wohnungsbestände der Landesbank vor der Veräußerung. Die BayernLB muss 33.000 Wohnungen von insgesamt etwa 85.000 Mietern verkaufen. Anders als in Baden-Württemberg sollen in Bayern den Kommunen exklusive Verkaufsgespräche angeboten werden. Allerdings herrscht unter den Kommunen Uneinigkeit, ob man den Kauf überhaupt finanzieren könne. Der Wert der Wohnungen wird auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt.

Einige, etwa der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), bringen auch den Freistaat als potentiellen Käufer ins Spiel - zumindest der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) will davon aber nichts hören. Möglich also, dass auch in Bayern ein privater Investor zum Zug kommt - und Wolfgang Egger bald wieder erklären muss, dass er doch einer von den Guten sei.

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