Süddeutsche Zeitung

Immobilien:Das bedeutet Jamaika für Mieter und Hauskäufer

Milliarden für neue Wohnungen, höheres Wohngeld - und womöglich das Ende der Mietpreisbremse. Sollten Union, FDP und Grüne gemeinsam regieren, würde sich beim Wohnen vieles ändern.

Von Benedikt Müller

Die vergangene Legislaturperiode war eine teure Zeit für Menschen, die eine neue Wohnung suchen: Seit der Bundestagswahl 2013 ist die durchschnittliche Miete in Wohnungsinseraten um zwölf Prozent gestiegen, zeigt die Preisdatenbank der Beratungsfirma Empirica. Eigentumswohnungen und Eigenheime kosten im Schnitt fast 20 Prozent mehr als Ende 2013, zeigt der Preisindex des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken. Vor allem in den Ballungszentren ist Wohnen teurer geworden.

Zwar ist Wohnungspolitik immer auch Sache der Länder und Kommunen. Obendrein waren die Rahmenbedingungen schwierig: Einem starken Zuzug aus dem In- und Ausland in die Städte stand der Bau von nur einer Million neuer Wohnungen in vier Jahren gegenüber. Außerdem lassen die niedrigen Zinsen das Interesse an Immobilien steigen. Trotzdem haben die Parteien im Bundestagswahlkampf mit Wohnungspolitik geworben: Sie versprachen etwa, Immobilienkäufer zu entlasten oder das Wohngeld zu reformieren. Union, FDP und Grüne werden also auch über Wohnungspolitik verhandeln, wenn sie eine Regierungskoalition sondieren.

Mietpreisbremse

Ein Jamaika-Bündnis könnte den größten wohnungspolitischen Eingriff der vergangenen Legislatur verwerfen: die Mietpreisbremse. In angespannten Wohnungsmärkten dürfen Eigentümer seit zwei Jahren, wenn sie eine Wohnung neu vermieten, höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Miete für Wohnungen dieser Qualität. Das Gesetz, das bis 2020 befristet ist, kennt aber viele Ausnahmen. Im August sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), es habe sich gezeigt, dass die Mietpreisbremse das Problem nicht löse. Seit seiner Einführung wehrt sich die Union gegen Forderungen, das Gesetz zu verschärfen. "Wir nehmen die Kanzlerin beim Wort, dass es keine Verschärfung der Mietpreisbremse geben wird", sagt Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD). Auch die FDP lehnt die Mietpreisbremse ab.

Eine Jamaika-Koalition könnte das Gesetz also im Jahr 2020 auslaufen lassen - es sei denn, die Grünen setzen sich mit ihrer Forderung durch, die Mietpreisbremse bis zum Jahr 2025 zu verlängern und die vielen Gesetzeslücken zu schließen. Doch ob ein möglicher FDP-Justizminister (die Liberalen haben dieses Ressort auf Bundesebene oft beansprucht) tatsächlich eine Preisbremse verschärfen würde, darf bezweifelt werden. Das zeigt die Landespolitik: In Nordrhein-Westfalen will die schwarz-gelbe Regierung die Mietpreisbremse entweder abschaffen oder auslaufen lassen. In Schleswig-Holstein hat das Jamaika-Bündnis im Koalitionsvertrag angekündigt, das Gesetz "durch geeignetere Instrumente" zu ersetzen.

Wohngeld

Mehr als 650 000 Haushalte in Deutschland erhalten Wohngeld, damit ihnen neben der Miete noch genug zum Leben bleibt. Die Voraussetzungen dafür hat die Bundesregierung zuletzt im Jahr 2016 an die gestiegenen Mieten und Einkommen angepasst - zum ersten Mal seit sieben Jahren. Eine schwarz-gelb-grüne Regierung dürfte das Wohngeld schnell und spürbar erhöhen, sagt Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes. "Das wollen alle möglichen Jamaika-Koalitionäre." So spricht sich die FDP dafür aus, das Wohngeld sollte jährlich an die Mietentwicklung vor Ort angepasst werden.

Mit der Reform des Wohngelds könnte ein Klimazuschuss kommen: Bislang müssen viele Wohngeld-Bezieher ausziehen, wenn ihre Wohnung energetisch saniert wird. Denn wenn der Vermieter die vollen elf Prozent der Modernisierungskosten auf die jährliche Miete umlegt, sind viele sanierte Wohnungen zu teuer für die staatlichen Anforderungen. Die Grünen fordern daher eine Klima-Komponente im Wohngeld; zudem wollen sie die Modernisierungsumlage senken. Letztere Forderung war zwar Teil des Koalitionsvertrags von Schwarz-Rot, wurde aber nie umgesetzt.

Wohnungsbau

Einig sind sich Schwarz, Gelb und Grün, dass mehr Wohnungen gebaut werden müssen, damit sich die Immobilienmärkte entspannen. CDU und CSU haben gar das Ziel ausgerufen, während der nächsten Legislatur sollten 1,5 Millionen Wohnungen entstehen - 50 Prozent mehr als bislang.

Die Grünen setzen weniger auf Quantität, fordern stattdessen, es müssten mehr preiswerte und sozial gebundene Wohnungen gebaut werden. Deshalb solle der Bund sein Fördergeld für den sozialen Wohnungsbau aufstocken, auf zwei Milliarden Euro pro Jahr. Das wäre Verhandlungssache. Einig sind sich die Parteien, dass die Bundesländer die Bauförderung auch wirklich für neue Sozialwohnungen einsetzen sollten. Viele Länder nahmen das in den vergangenen Jahren nicht genau. Die FDP will diese Zweckbindung festschreiben.

Union und Liberale setzen sich dafür ein, den Wohnungsbau steuerlich zu fördern. Sie wollen den Abschreibungssatz für Wohnimmobilien von zwei auf drei Prozent erhöhen. Hintergrund ist, dass sich die technischen und energetischen Anforderungen so schnell ändern, dass man ein Gebäude eher nach 33 statt nach 50 Jahren als abgeschrieben ansehen sollte. Die Grünen lehnen den höheren Abschreibungssatz jedoch ab, weil er den falschen Anreiz gebe, Immobilien mit schnellerem Verschleiß zu bauen. Steuererleichterungen fordern die Grünen für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen.

Hier droht ein ähnlicher Zwist wie in der vergangenen Legislaturperiode, als sich die große Koalition nicht auf eine Sonderabschreibung für den Wohnungsbau einigen konnte. Damals bestand die SPD darauf, dass die Subvention nur für Bauherren gelten sollte, die bezahlbare Mieten garantieren - mit der Folge, dass es bis heute keine zusätzliche steuerliche Förderung des Wohnungsbaus gibt. In jedem Fall ist das 1,5-Millionen-Ziel der Union ambitioniert, wenn man berücksichtigt, dass Baufirmen, Handwerker und Genehmigungsbehörden schon jetzt so stark ausgelastet sind wie seit 20 Jahren nicht mehr. Und in Großstädten wie Köln, Frankfurt oder Stuttgart gab es zuletzt immer weniger Grundstücke, die für den Wohnungsbau verkauft werden konnten.

Immobilienkäufer

Anders als bei einer Fortsetzung der großen Koalition könnten sich Familien unter Schwarz-Gelb-Grün nicht sicher sein, ob der Staat künftig ihren Immobilienkauf unterstützen würde. Nur die Union fordert, dass der Bund Immobilienkäufern künftig ein Baukindergeld von 1200 Euro pro Kind und Jahr zahlen sollte - zehn Jahre lang, damit Familien mehr finanziellen Spielraum haben, um ihren Baukredit abzuzahlen. Mit der SPD, die ebenfalls Eigenkapitalzuschüsse für Familien anregt, wäre man sich hier schnell einig geworden.

Immerhin sprechen sich sowohl Union als auch FDP dafür aus, Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer einzuführen. Bis auf Bayern und Sachsen haben in den vergangenen Jahren alle Bundesländer diese Steuer erhöht - auf bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises. Wie weit eine Jamaika-Regierung Immobilienkäufern entgegenkäme, dürfte aber davon abhängen, wie viel soziale Wohnraumförderung die Grünen auf der anderen Seite durchsetzen würden.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2017/jps
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