Immobilien-Anleger rebellieren:Hahnenkampf ums Adlon

So leicht lässt sich ein König nicht vom Thron stoßen: Der Anlegeranwalt Thomas Fritsch will Immobilienkönig Anno August Jagdfeld an der Spitze des Berliner Luxushotels Adlon entmachten. Doch der sieht sein Lebenswerk bedroht - und wirft seinem Gegenspieler vor, zu tricksen und zu täuschen.

Alexander Hagelüken und Steffen Uhlmann

Es ist ein Duell, wie es die Immobilien-Welt selten sah. Auf der einen Seite Anno August Jagdfeld, 64, der in die Geschichte eingehen will als der Unternehmer, der den Deutschen ihr berühmtestes Hotel wiedergab: "Vielleicht wird man mal sagen, dass außer mir keiner die Kraft und die Leidenschaft dazu hatte". Auf der anderen Seite Thomas Fritsch, 56, der zumindest in die Zeitungsarchive eingehen will als der Anwalt, der Jagdfeld aus dem Adlon-Hotel jagte.

Hotel Adlon, 2004

Das Berliner Hotel Adlon ist eines der berühmtesten und luxuriösesten Hotels Deutschlands. Es liegt an der zentralen Prachtstraße Unter den Linden, nahe des Brandenburger Tors.

(Foto: AP)

Jagdfeld schwärmt von den alten Griechen, Fritsch ist Coautor eines Formularbuchs Immobilienrecht. Jagdfeld bequatscht charismatisch Anleger, Fritsch hamstert systematisch Mandanten. Jagdfeld sieht sich als Überlebenskünstler in einer Branche der Pleitegeier: "Es gab mal 100 zum Teil große Immobilienentwickler, die sind alle weg". Fritsch attackiert seit 20 Jahren Initiatoren von Fonds. Und nun Jagdfeld: "Es spricht viel dafür, dass er heute Abend nicht mehr an der Spitze des Adlon ist".

Für diesen Freitag um 14 Uhr haben sich 450 Anleger zur Gesellschafter-Versammlung in dem Hotel angemeldet, das ihr Jagdfeld-Fonds einst finanzierte. Womöglich müssen ein paar mitangereiste Ehepartner im Nebensaal ausharren. Enttäuschte Anleger mit Fritsch an der Spitze wollen Jagdfeld als Geschäftsführer des Adlon-Fonds abwählen.

Der Angegriffene aber gibt sich siegessicher in dem Machtkampf: "Ich habe keine Sorge, dass ich auf der Versammlung die Mehrheit verliere", versicherte er noch Ende Juli. Alles Mutmache, glaubt Fritsch, Jagdfeld habe längst realisiert, dass "die Sache für ihn daneben" gehen könnte.

1994 legte Jagdfeld den Fonds auf, um das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Hotel an alter Stelle am Brandenburger Tor wiedererstehen zu lassen. Er köderte über 4000 zum Teil sehr vermögende Anleger. Die hofften nicht nur auf fette Steuervorteile, sondern auch auf satte Renditen. Genau das stellte ihnen Jagdfeld in Aussicht: Wer sich an dem Fonds beteiligte, sollte 18 Jahre lang eine Ausschüttung von 5,1 Prozent pro Jahr erhalten.

Tatsächlich ausgeschüttet aber wurden nach Fritschs Berechnungen im Schnitt bislang nur 1,5 Prozent - während Jagdfeld fünf bis zehn Prozent der Adlon-Gesamtkosten von 380 Millionen Euro verdiente. Der Unternehmer ungerührt: "Für die Entwicklung von Mieten und Zinsen in der Zukunft kann ein Fondsinitiator nicht geradestehen."

Anleger murrten, Fritsch sammelte Mandate - und nun eskaliert die Auseinandersetzung wegen der Pacht, die Restaurants und Spas im Adlon an den Fonds entrichten müssten. Die Gastro- und Sauna-Bereiche befinden sich in einem Anbau, den die Fondseigner zusätzlich finanzierten. Seit Ende 2008 aber fließt keine Pacht mehr, es geht um mehr als sieben Millionen Euro - und betrieben werden diese Einrichtungen ausgerechnet von einer Firma mit Jagdfelds Sohn Julius an der Spitze.

Jagdfeld sagt: "Herr Fritsch redet viel Unsinn"

Fritsch schimpft über Interessenkollisionen und "In-sich-Geschäfte ohne Ende", bei denen der Gewinner immer nur Jagdfeld heißen könne. Schließlich sei sein Imperium fast durchweg mit Familienmitgliedern besetzt - von einem Bruder über die Söhne bis hin zu seiner Frau.

Der Immobilienkönig dagegen nennt das "System Jagdfeld" alternativlos, weil er auf diese Weise alle Leistungen für eine Immobilie aus einer Hand anbieten könne: "Sie kaufen einen Mercedes ja auch komplett und nicht in Einzelteilen." Die Pacht sei nur gestundet worden, ab diesem Jahr werde wieder gezahlt.

Doch Konsens scheint keine Lösung mehr. Die Auseinandersetzung hat ein Niveau erreicht, bei dem am Ende womöglich nur noch einer übrig bleiben kann.

Fritsch hat in einer "Schutzgemeinschaft für Adlon-Anleger" Privatinvestoren versammelt, die zum Teil mit sechsstelligen Summen investiert sind und nun alles daran setzen, den Patriarchen an diesem Freitag in die Wüste zu schicken. Zugleich wollen sie anstelle Jagdfelds Gesellschaft eine neue Verwaltungsgesellschaft an der Spitze des Adlons-Fonds installieren. Gelingt das, will Fritsch sogleich Jagdfeld auf Schadenersatz verklagen. Stolze Summe: 55 Millionen Euro.

Der Immobilienkönig liebt Superlative, zitiert mal Sokrates, mal Aristoteles. Berichtet stolz vom Ostseebad Heiligendamm, das er wie das Adlon wiederaufgebaut hat und das durch den G-8-Gipfel 2007 weltberühmt wurde. Bislang hat er mit seinem Charisma auf den Gesellschafterversammlungen die Anleger auf seine Seite gezogen. Diesmal ist alles ungewiss. Jagdfeld ist von seinem Gegner mehr beeindruckt, als er zugeben mag. Und beide kämpfen wirklich mit harten Bandagen.

"Herr Fritsch redet viel Unsinn", sagt Jagdfeld. "Er trickst und täuscht". Jagdfeld versucht, Fritschs Partner schlecht zu machen. "Ich werde den Anlegern klarmachen, wer hier die Zukunft von Deutschlands bekanntestem Hotel aufs Spiel setzt."

Ausschüttung als letzter Trumpf

Fritsch behauptet, Jagdfeld habe ihm einen Schulfreund in die Schutzgemeinschaft geschickt, der ihn ausspionieren solle. Genüsslich zitiert er aus Dokumenten, die ihm eine Quelle aus dem Jagdfeld-Imperium zuspielen soll. Kürzlich war es eine Vermögensaufstellung von Jagdfelds Gattin Anna Maria, die ihr schon 2004 ein Vermögen von 23,481 Millionen Euro attestierte.

Bislang haben sich beide Seiten regelmäßig vor Gericht getroffen. Fritsch hat bei diesem Geplänkel zumindest erreicht, dass der Patriarch die Namen seiner Fondsanleger herausgeben musste. Dadurch konnte er die Anleger anschreiben, von denen er wohl knapp 2000 (etwa 45 Prozent des Kapitals) dazu bewegen konnte, ihm Stimmrechtsvollmacht zu erteilen. Wie real diese Zahl ist, wird erst an diesem Freitag die Gesellschafterversammlung erweisen. Klar aber ist schon jetzt, dass Jagdfelds Treuhandmodell, mit dem er bisher auf Gesellschafterversammlung nicht anwesende Anleger vertrat, mit der Gegeninitiative von Fritsch erheblich in Frage gestellt wird.

Jagdfeld will das Hotel Adlon nicht aufgeben ("mein Lebenswerk"). Zumal es bei negativem Ausgang um seine Existenz geht. So hat er eine aufwändige Materialschlacht angezettelt. Öffentlich warnte er vor einem "System Fritsch", das mit falschen Tatsachen agiere - und dessen Ziel es sei, Honorare zu kassieren.

Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte & Touche haben Jagdfeld in einem von ihm bestellten Gutachten von Vorwürfen entlastet. Und dann ging der 64-jährige auf "Road-Show" in sechs deutsche Städte, um Anleger vor den Folgen der "hausgemachten Revolution" zu warnen. Daraufhin haben einige Anleger ihre Vollmachten für Fritsch widerrufen, erklärt sein PR-Management.

Erstmals seit längerem stellt er eine Ausschüttung in Aussicht, womöglich sein letzter Trumpf, um die Entmachtung zu verhindern.

Wie er ausgeht, der Machtkampf ums Adlon, entscheidet sich diesen Freitag, 14 Uhr. Im Hotel Adlon.

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