"Immerather Dom" nannten die Menschen sie: die Kirche Sankt Lambertus in Immerath, einst ein Örtchen zwischen Mönchengladbach und Aachen. Die Tuffstein-Basilika von 1891 sah man weithin in der Erkelenzer Börde mit ihren flachen Feldern. "Die hohe Doppelturm-Fassade / ist die einzige im ganzen Kreis", singt der Liedermacher Gerd Schinkel in einem Protestlied. "Sie soll nun dem Bagger weichen / Fehlt für Wahnsinn immer noch Beweis?"
Seit Montag reißt der Energiekonzern RWE den neuromanischen Bau ab. Denn er liegt im Rheinischen Braunkohlerevier, dessen Kraftwerke etwa zwölf Prozent der Strom-Nachfrage Deutschlands decken und einigen Tausend Menschen Arbeit geben. Die Schaufelradbagger fressen sich gen Westen durch die Börde. 16 Orte sind bereits dem Tagebau gewichen. Auch aus Immerath sind fast alle 1500 Einwohner weggezogen, gut die Hälfte ins acht Kilometer westliche Immerath (neu), das am Reißbrett entstanden ist. Manche nehmen die Entschädigungen gerne an, manche trauern ihrer Heimat nach.
Umweltschützer verzögerten zunächst den Abriss der Kirche, der zwei Wochen dauern soll. Die Polizei barg am Mittag Aktivisten, die auf einen Bagger geklettert waren und sich an die Fassade des Doms gekettet hatten. Obwohl der Abriss seit Jahren feststeht, obwohl das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass das Gemeingut Energieversorgung in diesem Fall schwerer wiege als der Erhalt der Heimat, fordern etwa die Umweltschützer von Greenpeace einen Stopp des Abrisses - zumindest bis eine neue Bundesregierung über die künftige Energiepolitik entschieden habe.
Zwar darf RWE nach derzeitigen Gesetzen noch bis 2045 Braunkohle im Rheinland abbauen. Doch je mehr Wind- und Sonnenstrom ins Netz eingespeist werden, je weiter sich Deutschland von seinen Klimazielen entfernt, desto näher scheint ein Ausstieg aus der Braunkohle-Verstromung, die besonders viel CO2 pro Kilowattstunde Strom verursacht. In den am Ende gescheiterten Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition im Bund etwa hatten Union, FDP und Grüne ins Auge gefasst, knapp ein Drittel der Braunkohle-Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Nun suchen Union und SPD ihren Kohle-Kompromiss.
Für Immerath wird dieser zu spät kommen. Schon vor vier Jahren wurde die letzte Messe im Dom gelesen. Dann kaufte RWE die entweihte Kirche, Glocken und Figuren wurden ausgebaut. Vor wenigen Tagen noch retteten Nachfahren eines Glasmalers Kirchenfenster.
"Für alle Zeit verloren", singt Liedermacher Schinkel, "für ein Loch, das niemandem mehr nützt."