Thyssenkrupp:Ilse Henne folgt Sigmar Gabriel nach

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Ilse Henne soll künftig den Aufsichtsrat von Deutschlands größtem Stahlhersteller führen. (Foto: Matthias Ferdinand Döring/matthiasdoering.com)

Der frühere Vize-Kanzler hat als Chef des Aufsichtsrats bei Deutschlands größtem Stahlhersteller hingeworfen. Nun will der Mutterkonzern Thyssenkrupp eine gebürtige Belgierin auf den Top-Posten bei der kriselnden Tochter setzen.

Von Björn Finke, Düsseldorf

Auf den ehemaligen Vize-Kanzler folgt die Konzernmanagerin: Ilse Henne, Anfang 50, soll Sigmar Gabriel beerben und Vorsitzende des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel Europe werden. Dies teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Gabriel hatte Ende voriger Woche sein Ausscheiden aus dem Kontrollgremium von Deutschlands größtem Stahlhersteller angekündigt – zusammen mit drei anderen Aufsichtsräten: dem früheren IG-Metall-Chef Detlef Wetzel sowie Elke Eller und Wilhelm Schäffer.

Damit protestierte das Quartett dagegen, wie Miguel López, der Chef des Essener Mutterkonzerns Thyssenkrupp, mit den Vorständen der Duisburger Stahltochter umgegangen ist. Stahlchef Bernhard Osburg und zwei weitere Vorstände verlassen Thyssenkrupp Steel Europe, nachdem López sie im Streit über die Zukunft der Tochter und ihrer 27 000 Beschäftigten öffentlich kritisiert hat. Das Verhalten empörte nicht nur die vier ausscheidenden Aufsichtsräte, sondern auch die mächtige IG Metall.

Dass nun Henne dem SPD-Politiker Gabriel nachfolgt, ist pikant. Die gebürtige Belgierin arbeitet seit 1999 bei Thyssenkrupp, seit 2019 sitzt Henne, die neben Wirtschaft Sprach- und Literaturwissenschaften studiert hat, im Vorstand der Werkstoffhandelstochter. Vorigen November erweiterte López den Vorstand des Mutterkonzerns Thyssenkrupp von drei auf fünf Manager und berief Henne in das Spitzengremium. Die IG Metall lehnte diese Erweiterung inmitten eines Sparprogramms ab.

López und Siegfried Russwurm, der Vorsitzende des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats, drückten die Aufstockung aber gegen den geschlossenen Widerstand der Arbeitnehmervertreter in dem Kontrollgremium durch. Das erzürnte die IG Metall, auch wenn Vertreter damals versicherten, dass sie nichts gegen Henne persönlich hätten.

Im Juni ernannte Thyssenkrupp Henne dann in Personalunion zur Chefin der Werkstoffhandelstochter, wo sie zuvor einfaches Vorstandsmitglied gewesen war – wieder gegen den geschlossenen Widerstand der Arbeitnehmervertreter im betreffenden Aufsichtsrat. Sie folgte Martin Stillger nach, der den Posten auf eigenen Wunsch aufgab, wie der Konzern verkündete. Die IG Metall hingegen klagte, dass der bei ihr beliebte Stillger von López herausgedrängt worden sei.

Tausende Jobs sind bedroht

Hinter dem Abgang der Stahlvorstände und der Aufsichtsräte um Gabriel steht, dass sich López und Stahlchef Osburg nicht einigen konnten, wie sehr die Stahlsparte sparen muss und wie viele Milliarden Euro Startkapital sie für den Weg in die Eigenständigkeit braucht. Osburg sollte einen Geschäftsplan entwickeln, der die Kapazität des zu wenig ausgelasteten Standorts Duisburg – des größten Stahlstandorts Europas – senkt und Kosten kappt. Dem werden Tausende Stellen zum Opfer fallen, wobei der Konzern betriebsbedingte Kündigungen unbedingt vermeiden will.

López fand Osburgs Konzept jedoch zu lasch und kritisierte ihn öffentlich. Ziel der Sanierung ist es, dass Thyssenkrupp Steel Europe profitabler wird und künftig das Geld für nötige Investitionen selbst verdient, ohne Hilfe der Essener Mutter. Das ist wichtig, weil López die Sparte aus dem Konzern herauslösen will.

Der Deutsch-Spanier, der Thyssenkrupp seit einem guten Jahr führt, hat bereits 20 Prozent der Anteile an der Stahltochter an die Holding EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský verkauft. Mittelfristig wollen Thyssenkrupp und EPCG die Tochter als eigenständige Gemeinschaftsfirma führen, an der jeder 50 Prozent hält. Dafür braucht Thyssenkrupp Steel Europe allerdings Startkapital. Etwa um die hohen Pensionslasten, die Investitionen in eine klimafreundliche Produktion und die Kosten des Sanierungsprogramms zu finanzieren.

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Osburg forderte dem Vernehmen nach bis zu vier Milliarden Euro von den Eignern – zu viel, fand der frühere Siemens-Manager López. Gabriel sagte am Wochenende in einem Interview mit dem Magazin Capital, es hätten „zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Euro“ gefehlt: „Wir wollten, dass der Mutterkonzern diese Summe aufbringt. Herr López war der Ansicht, das könne die Stahlsparte selbst erwirtschaften. Aber das ist schlicht unrealistisch.“

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