Die EU-Kommission in Brüssel ist bereits seit Jahren darüber im Bilde, dass die großen deutschen Autohersteller gegen das Kartellrecht verstoßen haben könnten.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Daimler spätestens im Verlauf des Jahres 2014 eine Art Selbstanzeige in Brüssel erstattet. Daimler informierte gleichzeitig auch das Bundeskartellamt in Bonn.
Die EU habe bislang kein offizielles Kartell-Verfahren eröffnet, betonte Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche am Mittwoch. Ein Kommissionssprecher hatte am Wochenende geäußert, die Behörde prüfe den Verdacht illegaler Absprachen deutscher Autokonzerne. Langwierige Untersuchungen sind in solch komplexen Fällen nicht ungewöhnlich. Auch in der Fahrzeugbranche prüft und ermittelt Brüssel oft jahrelang, bis ein Ergebnis feststeht.
Kartellstrafen:Wer zuerst kommt
Nur dank der Kronzeugenregel werden viele Kartelle aufgedeckt. Wer zuerst und in vollem Umfang auspackt, kommt ohne Strafe davon. Ein bisschen mitmachen darf er sogar noch, damit das Kartell nicht zu früh auffliegt.
Dabei geht es einer Kommissionssprecherin zufolge auch darum, die Entscheidungen so zu treffen, dass sie einer Überprüfung durch Gerichte standhalten. Die EU hat laut der Sprecherin in den vergangenen zehn Jahren neun Kartelle in der Autobranche entdeckt und mit Geldbußen in Höhe von insgesamt sechs Milliarden Euro geahndet. Die Kommissionssprecherin fügte hinzu, wegen mutmaßlicher Kartelle in der Autoindustrie liefen derzeit mehrere Untersuchungen, die mit Nachdruck betrieben würden. Details nenne man nicht.
Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen war zunächst kein Gegenstand der Selbstanzeige
Fast drei Milliarden Euro Strafe waren auf ein 2011 aufgeflogenes Lkw-Kartell entfallen, bei dem auch Daimler mitgemacht hatte. Der Stuttgarter Konzern nahm diesen Fall zum Anlass für interne Nachforschungen, ob es auch bei Autos zu illegalen Absprachen gekommen sein könnte.
Intern durchleuchtet wurden offenbar die Bereiche Einkauf und Vertrieb, Forschung und Entwicklung. Die Daimler-Prüfer stießen auf mögliche Absprachen bei Gesprächsrunden mit BMW sowie Volkswagen einschließlich der VW-Töchter Audi und Porsche und schalteten die Wettbewerbsbehörden ein.
Die Selbstanzeige von Daimler betraf unter anderem mögliche Absprachen bei Autoverdecken, also ausfahrbaren Dächern von Cabriolets. Die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen war zunächst kein Gegenstand der Selbstanzeige im Jahr 2014. Später reichten die Stuttgarter offenbar Material nach. Ob es dabei auch um Diesel-Themen ging, ist unbekannt. Wegen mutmaßlicher Manipulationen bei Dieselabgasen geht die Stuttgarter Staatsanwaltschaft dem Verdacht des Betrugs nach. Daimler weist den Vorwurf zurück, ebenso wie VW Schadstoffwerte manipuliert zu haben.
VW hatte im Juli 2016 Selbstanzeige erstattet. In dieser Anzeige geht es auch um die Schadstoffwerte. BMW bestreitet illegale Absprachen. Die lange Prüfdauer in Brüssel wird in der Autoindustrie unter anderem damit erklärt, dass die EU eventuelle Ermittlungen nicht gefährden wolle. Zudem wolle die Kommission "keinen Schaden mit voreiligen Veröffentlichungen anrichten", sollte sich der Kartell-Verdacht zerschlagen.