Wenn es um ihre Altersvorsorge geht, sind viele Menschen pessimistisch. Fast zwei Drittel der Bürger glauben, dass sie von ihrer gesetzliche Rente nicht gut leben können. Diese Sorge hat auch die IG Metall. Die Senkung des Rentenniveaus, Lücken in der Erwerbsbiografie und die gewachsene Zahl von Menschen mit niedrigen Löhnen "bedeuten für immer mehr Menschen, dass es schwierig wird, im Alter finanziell abgesichert zu sein", sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Damit will sich Deutschlands größte und einflussreichste Gewerkschaft nicht abfinden. Die IG Metall fordert "einen Strategiewechsel in der Rentenpolitik". Doch der kostet viel Geld.
SPD-Chef Sigmar Gabriel ist dafür, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der DGB, Linke, Grüne und der Sozialverband VdK sowieso: Alle wollen am Rentenniveau herumschrauben, also das Verhältnis der Rente zum Lohn eines langjährigen Durchschnittsverdieners zumindest nicht weiter sinken lassen oder es gar erhöhen. Was die IG Metall nun in Berlin vorgeschlagen hat, geht jedoch weit darüber hinaus: Derzeit kommt der sogenannte "Eckrentner" nach 45 Beitragsjahren mit dem jeweiligen Durchschnittsverdienst (derzeit: 3022 Euro im Monat) auf eine Rente von 1370 Euro vor Abzug von Steuern. Diese Standardrente will die IG Metall auf 1450 Euro erhöhen. Das entspricht in etwa dem Betrag, der heute durch gesetzliche und Riester-Rente erreicht werden soll. Die Standardrente von 1450 Euro soll es aber nicht nach 45, sondern bereits nach 43 Versicherungsjahren geben. Diese stellten den tatsächlichen "Durchschnitt einer normalen Vollzeiterwerbsbiografie" dar, sagt IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. Damit will die Gewerkschaft zunächst das Sinken des Rentenniveaus verhindern, das derzeit noch bei 47,5 Prozent des Durchschnittslohns liegt. In zwei weiteren Schritten will die IG Metall die Rente wieder ganz an die Lohnentwicklung ankoppeln, damit frühere Reformen der rot-grünen Bundesregierung rückgängig machen und das Rentenniveau schrittweise auf mehr als 50 Prozent erhöhen. Nach Plänen der Bundesregierung soll das Rentenniveau bis 2030 auf nicht unter 43 Prozent fallen, der "Eckrentner" würde so nach heutigen Werten gerechnet (also ohne die kommenden Erhöhungen) mindestens 1240 Euro erhalten. Mit dem Programm der IG Metall würde diese Rente um etwa 280 Euro auf 1520 Euro steigen.
Um diesen Kurswechsel bezahlen zu können, schlägt die Gewerkschaft höhere Beiträge und Zuschüsse des Bundes sowie den Aufbau einer Finanzreserve bei der Rentenversicherung vor. Zugleich wird diese zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut, in der Beamte und Selbständige einzahlen sollen. Schlimmstenfalls könnte der Rentenbeitrag bis 2030 so auf 25 Prozent steigen. Die Regierung kalkuliert mit knapp 22 Prozent. Derzeit liegt er bei 18,7 Prozent. Rentenexperten schätzen die Kosten für das IG-Metall-Konzept auf 25 Milliarden Euro jährlich. Allein elf Milliarden entfallen dabei auf den Vorschlag, die Zahl der notwendigen Beitragsjahre für die Standardrente von 45 auf 43 Jahre zu reduzieren. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnte prompt: "Die IG Metall betreibt Rentenpolitik auf Kosten der Jüngeren." Diese müssten die teuren Rentenversprechen bezahlen.