Süddeutsche Zeitung

IG Metall:Mehr Geld für Leiharbeiter

Bei den Tarifgesprächen für die Stahlbranche geht es der IG Metall nicht nur um die üblichen Lohnforderungen, sondern auch um die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern.

Detlef Esslinger

Endlich wieder Tarifverhandlungen. Und endlich wieder ein paar Warnstreiks, bei denen Fabrikarbeiter so tun, als seien sie wütend auf ihre knauserigen Arbeitgeber. Nicht, dass der Unterhaltungswert des Rituals groß wäre - aber wenn die IG Metall an diesem Montag Warnstreiks in der Stahlindustrie beschließt, ist dies auch eine Art Konjunkturindikator, ähnlich wie Auftragseingänge und Auslastungsgrad: Gewerkschafter können offenbar wieder drohen, ohne als wahnsinnig zu gelten.

Auf den ersten Blick sind diese Tarifverhandlungen für die Republik nicht besonders bedeutend. Um gerade mal 85.000 Beschäftigte geht es, in weniger als hundert Betrieben. Tatsächlich aber kann die Bedeutung der Gespräche gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Ihr Ergebnis könnte noch die Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen prägen.

In der Öffentlichkeit wird meistens nur wahrgenommen, wie hoch die prozentuale Lohnforderung ist; in der Stahlrunde beträgt sie sechs Prozent. Die Verhandlungen aber stocken, weil die IG Metall darüber hinaus etwas anderes verlangt: Leiharbeiter sollen den gleichen Lohn wie Stammarbeiter bekommen. Eigentlich wollten die Gewerkschaften, dass dieses Prinzip den Arbeitgebern per Gesetz vorgeschrieben wird. Nachdem das mit der schwarz-gelben Koalition jedoch nicht zu machen war, versuchen die Gewerkschaften nun, es den Arbeitgebern per Tarifvertrag abzuringen.

Für diesen Kampf haben sie sich eine Branche ausgesucht, in der Aufwand und Ertrag anscheinend in keinem Verhältnis zueinander stehen. Nur 3000 der 88.000 Beschäftigten sind Leiharbeiter, und in den meisten Firmen haben die Betriebsräte das Prinzip "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" bereits durchgesetzt.

Aber den Gewerkschaften geht es um mehr. Sie wollen das Prinzip allgemein durchsetzen, und dazu ergreifen sie die erstbeste Chance: Es ist nun mal die Stahlindustrie, in der jetzt eine Tarifrunde ansteht; Gott sei Dank, aus Sicht der Gewerkschaften. Dort sind ihre Kampfbedingungen ideal: relativ wenige, dafür aber große Betriebe mit einem hohen Anteil von immer streitlustigen Mitgliedern unter den Beschäftigten. Wenn nicht hier den Anfang setzen, wo dann?

Für viele Betriebe stellt die Leiharbeit eine große Versuchung dar. Ursprünglich sollte sie ein Mittel sein, um Betrieben in Zeiten extremer Auslastung kurzfristig Personal zu verschaffen. Inzwischen aber sind viele Firmen auf die Idee verfallen, Stammarbeiter auf Dauer durch schlechter bezahlte Leiharbeiter zu ersetzen; übrigens auch in der Zeitungsbranche, wo ebenfalls Tarifverhandlungen laufen.

Aber mit einer Berufsgruppe wie den Redakteuren, die Arbeit nicht als Maloche, sondern als bezahltes Hobby empfinden, lässt sich keine Schlacht gewinnen. Also müssen erst mal die Stahlarbeiter ran. Die meisten Beschäftigten in anderen Branchen ahnen nicht einmal, dass hier auch für sie die Kohlen aus dem Feuer geholt werden.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2010/aum
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