Süddeutsche Zeitung

IG Metall:Mal öffentlich, mal geheim

Die Gewerkschaft lässt seit Montag Mitglieder in bundesweit 250 Betrieben über Streiks abstimmen. Die ersten Arbeitsniederlegungen sind bereits an diesem Dienstag geplant. Sie sollen 24 Stunden dauern.

Von Detlef Esslinger

Die Mitglieder der IG Metall in 250 Betrieben stimmen seit Montag darüber ab, ob sie in dieser Woche zu einem 24-stündigen Streik bereit sind. Zugleich bereiteten die Arbeitgeber ihre Schadenersatzklagen gegen die Gewerkschaft vor, die sie bei mehreren Arbeitsgerichten einreichen wollen.

Erste Streiks sind bereits für diesen Dienstagabend vorgesehen, die letzten für die Nacht zum Samstag. Welche Betriebe es wann treffen wird, will die IG Metall in Bayern jeweils am Vortag bekannt geben - wohingegen ihr nordrhein-westfälischer Bezirksleiter Knut Giesler am Montag nur sagen wollte, Mitteilungen dazu "so früh wie nötig und so spät wie möglich" herauszugeben. Er kündigte an, dass Ford in Köln betroffen sein wird; damit war allgemein gerechnet worden. "Das klare Ziel ist, dass die Produktion ruht", sagte Giesler.

Das Prozedere bei den Mitglieder-Abstimmungen ist unterschiedlich. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte am Samstag erklärt, er wolle "keine Jubelabstimmung, sondern eine ehrliche". In einigen Betrieben, zum Beispiel bei MAN in München, wurden am Montag Wahlurnen aufgestellt, sodass die Gewerkschaftsmitglieder in dem Betrieb geheim abstimmen konnten. Bei der Firma Vacuumschmelze in Hanau hingegen sollten sich die IG-Metall-Mitglieder abteilungsweise vor dem Werkstor treffen und per Handzeichen abstimmen. Der IG-Metall-Bezirk Küste - zu dem Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und ein Teil Niedersachsens gehören - kündigte zudem "in kleineren Betrieben persönliche Befragungen" an.

Die Gewerkschaft hat nicht festgelegt, wie viel Prozent ihrer Mitglieder in einem Betrieb für den Streik stimmen müssen, damit er dort stattfindet. Auf Nachfrage hieß es jedoch in mehreren Bezirken, die Mehrheit solle erstens "überwältigend" sein, und zweitens seien die für den Streik vorgesehenen Betriebe so ausgewählt, dass man mit dieser überwältigenden Mehrheit dort rechnen könne.

Damit die Teilnahme am Arbeitskampf möglichst hoch ist, zahlt die Gewerkschaft ihren streikenden Mitgliedern diesmal Streikgeld; anders als bei den Warnstreiks der vergangenen vier Wochen. Die Höhe hängt davon ab, wie lange jemand Mitglied ist. Wer erst vor weniger als drei Monaten eingetreten ist, bekommt nichts. Wer zwischen drei und zwölf Monaten dabei ist und zum Beispiel ein Monatseinkommen von 3000 Euro hat, erhält 72 Euro für die Teilnahme an dem eintägigen Streik; wer bei diesem Einkommen länger als fünf Jahre Mitglied ist, bekommt 84 Euro.

Die Arbeitgeber wollen von Mittwoch an ihre Schadenersatzklagen einreichen. Klagen wird nicht der Bundesverband Gesamtmetall, sondern dies werden dessen Regionalverbände tun - weil sie es sind, die Tarifverträge abschließen. Mehrere Verbände wollen, wie sie der SZ erläuterten, zum Arbeitsgericht Frankfurt gehen; in Frankfurt befindet sich die IG-Metall-Zentrale. Andere wollen ihre Klage demjenigen Arbeitsgericht schicken, in dessen Bezirk gestreikt wird.

Unterdessen legte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln eine Schätzung über die Kosten des Streiks vor. Es kalkuliert mit einem Gesamtschaden zwischen 62 und 90 Millionen Euro pro Tag. Zwar würden die Betriebe hinterher versuchen, die Produktion wieder aufzuholen. Doch die hierfür nötigen Überstunden würden teuer - "weil Mehrarbeitszuschläge anfallen", sagte der Tarifexperte des Instituts, Hagen Lesch.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2018
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