Gewerkschaft:Der Kronprinz der IG Metall wirft hin

Lesezeit: 3 Min.

Begründet seinen Rückzug mit der Gesundheit: Roman Zitzelsberger. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Jahrelang galt Roman Zitzelsberger als gesetzt für einen Topjob in Deutschlands größter Gewerkschaft. Doch nun bekommt seine Rivalin Christiane Benner allein den Chefposten - und er kämpft mit seiner Gesundheit.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters

Jörg Hofmann hatte einen Plan: Der IG-Metall-Chef wollte es besser machen als viele Mächtige. Der 67-Jährige wollte seine Nachfolge frühzeitig regeln, um die größte deutsche Gewerkschaft nicht durch einen Konkurrenzkampf verschiedener Kandidaten zu schwächen. Deshalb plante Hofmann mit einer Doppelspitze der beiden aussichtsreichen Kandidaten Christiane Benner und Roman Zitzelsberger. Doch jetzt tritt der baden-württembergische Bezirksleiter Zitzelsberger Knall auf Fall den Rückzug an - und die größte deutsche Gewerkschaft erlebt eben das Schlamassel, das Hofmann vermeiden wollte.

Zitzelsberger begründet seinen Rückzug mit der Gesundheit. In harten Verhandlungen hatte er vergangenes Jahr 8,5 Prozent mehr Lohn und eine Inflationsprämie für vier Millionen Beschäftigte in ganz Deutschland herausgeholt und damit seinen Anspruch auf Hofmanns Nachfolge gefestigt. Nach der heftigen Tarifrunde und "einer Vielzahl an schwierigen Themen" sei es an einem freien Tag zu einer Überlastungsreaktion gekommen: "Es war deutlich heftiger als alles, was ich bis dahin erlebt habe - und wirkt bis heute nach", sagte der 56-Jährige in einem Interview. Daher müssten jetzt andere ran. "Die erfreuliche Botschaft ist, dass die Ärzte sagen: Wenn ich meine Grenzen akzeptiere, bin ich bald wieder der Alte." Bezirksleiter will Zitzelsberger bleiben.

Benner wäre die erste Frau an der Spitze der IG Metall

Sein Verzicht auf Hofmanns Nachfolge kommt, nachdem die SZ vom Scheitern des Plans berichtet hatte, eine offizielle Doppelspitze zu installieren. Damit wäre er Christiane Benner gleichgestellt worden. Doch für die nötige Satzungsänderung fand sich keine Mehrheit. Und intern wurde kritisiert, eine solche Änderung verschaffe Zitzelsberger einen Karriereturbo.

Christiane Benner will die IG Metall im Team führen - die Idee einer Doppelspitze ist aber gescheitert. (Foto: Friedrich Bungert)

Insider erwarten nun, dass Benner aus ihrer bisherigen Rolle als Hofmanns Stellvertreterin an die Spitze rückt - als erste Frau in der Gewerkschaftsgeschichte. Sie machte intern klar, dass sie die IG Metall unabhängig von der Satzung als Team führen wolle. Nominell wäre Zitzelsberger jedoch nur der Vizeposten geblieben.

Manchen in der Gewerkschaft erinnert der Fall an Oliver Burkard, der einst ebenfalls lange als Kronprinz und Anwärter auf die IG-Metall-Spitze gegolten hatte, dann aber mangels konkreter Zusagen zu Thyssenkrupp wechselte. Zu hören ist aber auch, dass Zitzelsberger möglicherweise zum Vize bereit gewesen wäre. Der Druck der vergangenen Monate, die Kritik am Doppelspitzen-Plan und die Belastung, gleichzeitig Bezirksleiter in Baden-Württemberg zu sein und hinter den Kulissen alles für die Hofmann-Nachfolge vorzubereiten, seien ihm aber irgendwann zu viel geworden.

"Der Vorstand hat keinen Plan B"

Und jetzt? Wer macht den nominellen Benner-Vize mit Aussicht auf Teamarbeit? Bis zum Gewerkschaftskongress sind es nur wenige Monate. "Der Vorstand hat keinen Plan B", sagt jemand, der nahe dran ist. "Es wurde nicht diskutiert, wer es in so einem Fall machen könnte. Wir dürfen jetzt nicht erleben, was beim Deutschen Gewerkschaftsbund passierte". Beim Dachverband der Gewerkschaften zog sich die Nachfolgefrage quälend hin. Am Ende wurde Porzellan zerschlagen, als Verdi-Boss Frank Werneke die Berufung von Michael Vassiliadis blockierte, Chef der Schwestergewerkschaft IG Chemie, der ihm politisch zu moderat war. Werneke versuchte dann auch noch die Berufung der SPD-Politikerin Yasmin Fahimi zu verhindern - pikanterweise Vassiliadis' Lebensgefährtin. Sie wurde es trotzdem, aber bis dahin wirkte der DGB wie ein Narrenschiff.

SZ PlusAudi-Prozess
:Zwei gestehen, einer fehlt noch

Der Prozess um manipulierte Dieselmotoren bei Audi könnte bald enden: Wolfgang Hatz, einst Chef der Motorenentwicklung, und ein früherer Ingenieur gestehen alle Vorwürfe. Was macht Rupert Stadler?

Von Stephan Radomsky

In der IG Metall betont nun mancher, es dürfe statt Zitzelsberger keinesfalls eine Proporzlösung geben. Dass also niemand aus einem wichtigen Landesverband nachrücken solle, nur weil er diesen repräsentiert. Ein schneller Ersatz wäre Jürgen Kerner, im Vorstand so etwas wie der Finanzminister. "Aber würde der überhaupt wollen?", fragt sich ein Insider. "Als Finanzminister sitzt er auf dem Geld. Dem kann egal sein, wer unter ihm IG-Metall-Chef ist."

Das Kerngeschäft einer Gewerkschaft ist, für Arbeitnehmer mehr Lohn auszuhandeln. Deshalb werden als Co-Vorsitzende von Benner statt Zitzelsberger jetzt auch andere Bezirkschefs gehandelt, die mit Tarifrunden viel Erfahrung haben, Jörg Köhlinger etwa oder Knut Giesler. Oder ihre jüngeren Kollegen Daniel Friedrich und Thorsten Gröger sowie die Stuttgarter Bevollmächtigte Nadine Boguslawski.

Vor einem Generationswechsel zu jemand Jüngerem sollte es aber erst eine breite Debatte geben, was die IG Metall künftig erreichen wolle und wie sie das angehe, sagt jemand aus dem Vorstand. "Wir haben traditionell in den vergangenen Jahrzehnten keinen guten Diskussionsprozess zu Führungs- und Strategiefragen".

Bisher gibt es nur wilde Spekulationen, wer nun mit an die Spitze rückt. Es kommt jetzt darauf an, dass der bisherige Vorsitzende Jörg Hofmann schnell eine einleuchtende Lösung präsentiert. Und darauf, dass Zitzelsberger den Vorschlag unterstützt. Ansonsten könnten die mächtigen Baden-Württemberger, die sich schon damit angefreundet hatten, bald ihren Bezirksleiter an der IG-Metall-Spitze zu sehen, in den nächsten Monaten für große Unruhe sorgen. Jörg Hofmann braucht also einen Plan - und zwar einen, der besser funktioniert als der letzte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSexismus am Arbeitsplatz
:Wie Männer zu Unterstützern werden

Die meisten Männer sind keine Sexisten, sondern wünschen sich eine gleichberechtigte Arbeitswelt. Doch was können sie dafür tun? Zu Besuch bei einem Workshop, bei dem Männer lernen, wie sie "Male Allies" werden.

Von Kathrin Werner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: