Ifo-Chef Sinn sieht Deutschland in EZB geschwächt:"Wir sitzen in der Falle"

Merkels Kandidat Asmussen hat einen neuen Job in der Zentralbank - aber leider den falschen, sagt Ökonom Hans-Werner Sinn. Er sieht Deutschland in der EZB an den Rand gedrängt - und das werde teuer. Denn auf die Währungshüter warten schwierige Aufgaben: Im Weltwährungsfonds glaubt man nicht, dass Griechenland seine Schulden noch länger tragen kann.

Der Chefvolkswirt war immer ein Deutscher. So war es seit Bestehen der Europäischen Zentralbank (EZB). Aber diesmal hat es Angela Merkel nicht geschafft, den deutschen Kandidaten durchzudrücken. Statt des ehemaligen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, bekam der Belgier Peter Praet die Aufgabe zugeteilt. Eine Niederlage für Deutschland, meint Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo und Lieblingsökonom aller Talkshow-Produzenten. Er sieht die Macht der Bundesrepublik in der EZB schwinden - und damit Tür und Tor geöffnet, dass Deutschland in der Finanzkrise mehr Geld nach Südeuropa überweist.

Ifo-Chef Sinn sieht Deutschland in EZB geschwächt: Sieht Deutschland in der Europäischen Zentralbank an den Rand gedrängt: Ökonom Hans-Werner Sinn.

Sieht Deutschland in der Europäischen Zentralbank an den Rand gedrängt: Ökonom Hans-Werner Sinn.

(Foto: Robert Haas)

Dass Asmussen zwar ins EZB-Direktorium kam, aber nicht Chefvolkswirt wurde, zeigt laut Sinn, dass Deutschland innerhalb der Zentralbank zunehmend an den Rand gedrängt werde. "All die schönen Sprüche, dass die EZB nach dem Modell der Bundesbank funktionieren würde und Deutschland als größtes Land eine Sonderrolle behalte, erweisen sich als Schall und Rauch," sagte Sinn dem Magazin Spiegel. Dass weder der Präsidentenposten noch die Aufgabe des Chefvolkswirts von Deutschen besetzt seien, verdeutliche diese Entwicklung.

Der Chefvolkswirt beaufsichtigt die Konjunkturanalysen und -prognosen der EZB. Im Herbst war Jürgen Stark von dem Posten zurückgetreten, weil er die Entwicklungen in der EZB nicht mehr mittragen wollte. Er hatte vor allem den Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Staaten wie Portugal durch die Zentralbank kritisiert. Kritiker halten die EZB-Strategie für die Finanzierung von Staatsschulden über Umwege - was die Krisenstaaten nur weiter ermuntert, neue Schulden zu machen. "Wir sind hier nicht auf dem Basar", sagte Stark damals. Deutsche EZB-Mitglieder - wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann - gelten als der Stabilitätspolitik verpflichtet und als Gegner aggressiver Anleihenkäufe.

Noch im Herbst hatte der Deutsche Asmussen als erfolgversprechendster Kandidat für Starks Nachfolge gegolten. Chefvolkswirt wurde dann aber Praet. Asmussen, bekam stattdessen den Bereich "Internationale und europäische Beziehungen" zugewiesen. Personell sei das durchaus vertretbar, gesteht Sinn nun ein. Doch auch wenn der neue EZB-Präsident Mario Draghi im Streit um höhere Staatsanleihen-Käufe nicht unbedingt einknicken werde: Er dürfte Sinns Prognose zufolge "vermutlich den Druck auf die Staatengemeinschaft erhöhen, die Staatspapiere über den Luxemburger Rettungsfonds ESM zu kaufen". "Das ist zwar weniger schlimm, als wenn die EZB kauft, aber schlimm genug, weil Deutschland auch damit zu einem Gläubiger der Südländer wird. Wir sitzen so oder so in der Falle," sagte Sinn.

Die Unterstützung des überschuldeten Griechenlands wird für die Notenbank und die anderen Helfer dem Spiegel zufolge schwieriger als erwartet: Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF), die mit EZB und Europäischer Union die sogenannte Troika der Helfer bilden, glauben nicht, dass der Staat seine Schulden tragen kann - trotz aller Hilfspakete. Sie wollten deswegen sogar die Eckpunkte des Sanierungsprogrammes ändern.

Die IWF-Analysten sollen einem internen Vermerk zufolge enttäuscht von der griechischen Regierung sein: Immer noch würde es beim Eintreiben von Steuern zu wenige Fortschritte geben, die Einnahmen durch Privatisierungen seien zu niedrig. Es gebe nun drei Möglichkeiten: Entweder Griechenland spart noch mehr selbst, die privaten Gläubiger müssen auf einen größeren Teil ihrer Forderungen verzichten - oder reiche Euro-Staaten wie Deutschland müssten mehr Geld zur Verfügung stellen.

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