Internationale Funkausstellung:Existenzängste zum 100. Geburtstag

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Gut eingepackt: Staubsauger eines US-Herstellers auf der Ifa 2023. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die Technologiemesse Ifa feiert Jubiläum. Doch wenn die Veranstalter nicht aufpassen, könnte es bald schon vorbei sein mit der Messe. Der neue Chef will das verhindern und setzt dabei auch auf Prominenz aus In- und Ausland.

Von Helmut Martin-Jung

Leif Lindner ist in der Branche der Unterhaltungselektronik und der Haushaltsgeräte das, was man einen alten Hasen nennt. Schon lange dabei, viel gesehen. Für Samsung hat er viele Jahre gearbeitet, für Sony, für Haushaltsgerätehersteller. Auch Messeauftritte gehörten zur Jobbeschreibung. Und da fand er zuletzt, dass die Ifa in Berlin für die Aussteller mehr und mehr an Attraktivität verloren hatte. Er beschwerte sich sogar bei der Messeleitung. Nun hat der Ur-Berliner die Chance, es besser zu machen. Lindner ist der neue Geschäftsführer der Messe in Berlin.

Im Gespräch mit ihm zeigt sich schnell: Hier ist einem klar, dass in seiner Pistole nicht mehr allzu viele Patronen stecken. Dieses Jahr bekommt Berlin immerhin noch einen kleinen Extraschub – die einst als Internationale Funkausstellung gestartete Messe wird 100 Jahre alt. Doch was ist danach? „Bei der Generation Tiktok waren wir nicht mehr relevant“, sagt Lindner, „es gab keine instagramable places“ – Orte also, an denen Jüngere das Smartphone zücken und Fotos für die sozialen Medien machen würden. „Man muss Interaktion schaffen“, sagt Lindner.

Der seit gut einem Jahr amtierende Messechef will die Chance nutzen, die ihm das Jubiläumsjahr schenkt, und die Basis für eine Ifa schaffen, die in einer neuen Welt überleben kann. Weg vom verstaubten Image hin zu einem Treffpunkt für alle, einem Ort, „den jeder Taxifahrer kennt“. Einen Ort, an dem immer etwas los ist. Eine Dauerparty werde die Ifa zwar nicht, aber vor allem der Sommergarten, dieser grüne Bereich inmitten des Messegeländes, soll wiederbelebt werden.

Ein Konzert mit Altrocker Bryan Adams

Von Donnerstagabend an wird es dort Konzerte geben, unter anderem mit Altrocker Bryan Adams oder Deutschrap, TV-Entertainer Jan Böhmermann wird ebenfalls dabei sein. Auch Familien mit Kindern will die Ifa wieder mehr ansprechen. Diskussionsforen mit Medienpartnern und hochkarätigen Talk-Gästen sollen Relevanz erzeugen und vermitteln. Berliner Künstler haben Werke für die Ifa geschaffen. Ein berühmter Fotograf wird Nachwuchstalente küren. Insgesamt 100 sogenannte Momente sollen die Messe beleben. Sollen Erlebnisse schaffen, die es nur hier gibt. Bis einschließlich nächsten Dienstag geht das Programm.

Das alte rote Logo mit dem stilisierten Kopf – unter Eingeweihten als Funk-Otto bekannt – muss weichen für ein moderneres, das es in verschiedenen Farben gibt. Eine internationale Funkausstellung ist die Ifa ohnehin schon lange nicht mehr, das Motto heißt jetzt Innovation für alle. Der Vorteil ist, dass das auch auf Englisch funktioniert: innovation for all. Internationalität ist wichtig für eine Messe, die weltweite Bedeutung für sich reklamiert. Linder wurde geholt von einem Joint Venture, bestehend aus der gfu Consumer & Home Electronics GmbH und Clarion Events Ltd., einem Unternehmen, das weltweit an die 300 Messen pro Jahr veranstaltet.

Für Lindner ist klar: Die Menschen verspürten nach der Pandemie einen Nachholbedarf, sich nicht nur virtuell, sondern auch wieder physisch zu treffen, gerade die Fachbesucher. Eine automatische Garantie für Traditionsmessen wie die Ifa ist das aber nicht. Lindner ist viel umhergereist, hat die South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas, besucht. Oder das OMR-Festival in Hamburg, eine der größten Digitalkonferenzen in Europa. Und lernte, dass die Herstellerfirmen zwar sehr wohl Messen auf ihrer Marketing-Agenda haben. Aber eben nicht mehr alle.

In Zeiten harten Konkurrenzkampfs und knapperer Budgets überlegen sich die Unternehmen genau, welche Messe für sie den meisten Mehrwert bietet. „Miele besucht vielleicht neun bis zehn Messen im Jahr“, sagt Lindner, „die werden reduzieren, andere auch, die werden sich auf die wichtigsten konzentrieren.“ Also lautet Lindners oberstes Ziel, mit der Ifa zu diesen wichtigen Ereignissen im Jahreskalender zu gehören.

Und nicht wie die einst riesige Cebit in Hannover erst in der Bedeutungslosigkeit zu versinken und schließlich ganz zu verschwinden. Die Ifa war, befördert durch die Pandemie, in Gefahr, dasselbe Schicksal zu erleiden wie die Cebit. Der einstige Pflichttermin stand für viele Aussteller zunehmend infrage. Ist die Ifa, ist Berlin noch der richtige Ort dafür, ziemlich viel Geld auszugeben für diese Messe, die zuletzt auch nicht mehr so richtig wusste, was sie eigentlich sein wollte? Man solle der Ifa doch eine Chance geben, so hat Lindner versucht, die Aussteller zu überzeugen. Die Mobilfunkunternehmen wollen aber wohl erst noch abwarten, obwohl der neue Messechef sie gerne dabeigehabt hätte.

Eigentlich liegt der Termin für die Ifa ideal

Dabei liegt der Termin eigentlich ideal für eine Branche, für die das Weihnachtsgeschäft das wichtigste des Jahres ist. Die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas Anfang Januar mit dem Ausblick aufs Jahr, die Ifa im Herbst als Ordermesse, das passte eigentlich gut. Zumal man bei der Ifa, die ja auch eine Publikumsmesse ist und bleiben soll, live sehen kann, was bei den Massen ankommt und was eher nicht.

Ein Glücksgriff war die schon vor Jahren getroffene Entscheidung, in der Messe auch Haushaltsgeräte inklusive der sogenannten weißen Ware – Großgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen – zu präsentieren. Der dafür reservierte Bereich ist inzwischen riesig und gut besucht. Auch weil hier die Aussteller immer wieder für Action sorgen, etwa bei Live-Koch-Aktionen. Das wird es auch dieses Jahr wieder geben, Bosch etwa hat das Finale von „Deutschland kocht“ auf die Ifa verlegt.

Außerdem will die Ifa auch immer wieder neue Trends aufgreifen. Wie in diesem Jahr etwa Beauty Tech und Health Tech. Es gab zwar bisher schon vereinzelt Aussteller aus diesem Bereich, dieses Jahr aber werden sie besonders herausgestellt.

Kann das klappen? Nach dem 10. September, dem letzten Messetag, wird man mehr wissen.

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