Energiepolitik:Gasbörse umgeht EU-Preisdeckel

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Fernwärme galt lange als günstige und preisstabile Lösung. Die Bezieher können aber nicht einfach kündigen und zu einem anderen Anbieter wechseln, wenn Heizen für sie viel teurer wird. (Foto: Heinz Gebhardt/Imago)

Bald tritt die umstrittene Obergrenze für Gas in Kraft. Jetzt will der Betreiber des wichtigsten Handelsplatzes Konzernen anbieten, die Geschäfte in London abzuwickeln - ohne Brüsseler Limit.

Von Björn Finke, Brüssel

In zwei Wochen tritt der umstrittene EU-Gaspreisdeckel in Kraft - und die wichtigste Gasbörse in Europa bereitet sich darauf vor, indem sie einen Parallelmarkt außerhalb der Europäischen Union aufbaut. Der Börsenbetreiber Intercontinental Exchange (ICE) teilte nun mit, vom 20. Februar an Geschäfte mit TTF-Futures und -Optionen, also Wertpapieren für künftige Gaslieferungen, auch in London anzubieten. TTF steht für "Title Transfer Facility" und ist der Name der bedeutendsten Gasbörse in der EU, mit Sitz in Amsterdam. Der Schritt sei eine Reaktion auf die Wünsche der Investoren, teilte der US-Börsenkonzern ICE mit. Der Handel in London solle "eine Versicherung sein für Kunden", falls der Preisdeckel ihnen verbietet, in der EU Abschlüsse zu tätigen, sagte ICE-Manager Trabue Bland.

Das Preislimit - der sogenannte Marktkorrektur-Mechanismus - setzt nicht bei den Verbrauchern an, sondern beim Groß- und Börsenhandel. Die Regelung verbietet es Gashändlern und Versorgern, an EU-Börsen Verträge zu Preisen jenseits der beweglichen Obergrenze abzuschließen. Die EU-Energieminister einigten sich auf das entsprechende Gesetz nach langen Debatten kurz vor Weihnachten.

Kritiker warnten aber, dass Unternehmen den Deckel umgehen könnten, indem sie Abschlüsse jenseits der Börsen tätigen. Die Ankündigung von ICE weist jetzt auf ein weiteres Risiko hin: Die Konzerne könnten die Geschäfte an die Börse in London verlagern. Im Europaparlament führte die Nachricht prompt zu Kritik. "Wenn Gas-Futures künftig vor allem in London gehandelt werden, war der Marktkorrektur-Mechanismus ein Eigentor", sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. "Dass ein politisch gesetzter Höchstpreis zu Problemen führen würde, war von Anfang an absehbar", klagt der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion.

Die Bundesregierung sah den Deckel ebenfalls skeptisch, gab aber am Ende nach. Dass die Regelung am 15. Februar in Kraft tritt, heißt jedoch nicht, dass der Deckel sofort Folgen zeigt. Denn die Obergrenze wird erst aktiviert, wenn der Preis für Gas-Lieferungen im Folgemonat an der TTF-Börse 180 Euro je Megawattstunde überschreitet, und das drei Tage hintereinander. Außerdem muss dieser Preis den durchschnittlichen weltweiten Preis für Flüssigerdgas um mindestens 35 Euro übertreffen. Steigt der Preis in der EU also im Gleichschritt mit den Notierungen auf anderen Kontinenten, wird der Deckel nicht heiß geschaltet.

Der Preis ist gesunken - aber für wie lange?

Das Limit selbst ist beweglich, es liegt immer 35 Euro über diesem weltweiten Durchschnittspreis - aber mindestens bei 180 Euro. Die Obergrenze soll auf diese Weise verhindern, dass Förderländer von Gasimporteuren in der EU deutlich mehr verlangen als zum Beispiel von asiatischen Kunden.

Im Moment notiert Gas an der TTF bei unter 60 Euro und damit weit entfernt von den 180 Euro, die den Deckel aktivieren. Allerdings könnten die Preise im Sommer wieder steigen, wenn die EU-Staaten ihre Gasspeicher neu füllen. Im vergangenen Jahr schoss die Notierung im August auf 350 Euro hoch; insgesamt gab es 2022 mehr als 40 Tage, an denen beide Voraussetzungen für das Heißschalten des Limits erfüllt waren. Im Sommer könnte die Londoner Alternative also für Händler interessant werden.

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