Süddeutsche Zeitung

Hypo-Vereinsbank:Großreinemachen in München

Lesezeit: 4 min

Von Klaus Ott, München

Das gab es noch nie. Erstmals gibt mit der Hypo-Vereinsbank (HVB) eine Großbank in Deutschland zu, den Staat systematisch hintergangen zu haben, und das in gleich zwei Fällen: bei dubiosen Aktiendeals und mit Schwarzgeldgeschäften in Luxemburg. Dem Fiskus könnte das mehrere Milliarden Euro einbringen.

Ermittler wollen andere Banken unter Druck setzen

Noch ist nichts unterschrieben, noch sind die Bußgeldbescheide nicht erlassen, nichts ist gezahlt - aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Die HVB macht reinen Tisch bei schweren Steuerdelikten und bekommt dafür einen großen Strafrabatt von den Behörden. Nur etwas mehr als 20 Millionen Euro muss die in München beheimatete Großbank an die Staatskasse überweisen. Das sieht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine mit der Staatsanwaltschaft Köln besprochene Lösung vor, die dem Aufsichtsrat der Hypo-Vereinsbank bei dessen nächstem Treffen Ende Juli präsentiert werden soll.

Nach Erkenntnissen der Behörden haben Banken und Kapitalanlagefonds beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende den Staat jahrelang trickreich ausgenommen, indem sie sich eine nur einmal entrichtete Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten ließen. Der Gesamtschaden soll nach Schätzungen von Steuerfahndern mehr als zehn Milliarden Euro betragen. Dieses Geld wollen die Finanzämter wieder haben. Die Hypo-Vereinsbank hat zusammen mit einem früheren Geschäftspartner, der bei solchen Aktiendeals mitmachte, bereits 200 Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt.

Durch die umfassende Kooperation der HVB mit der Staatsanwaltschaft Köln steigt, so offenbar das Kalkül der Ermittler, der Druck auf andere Banken. Sie sollen ebenfalls Cum-Ex-Deals zu Lasten des Fiskus zugeben und den Schaden wiedergutmachen. Sogar die Landesbank Baden-Württemberg hat solche Geschäfte gemacht, ausgerechnet ein Staatsinstitut also. Banken aus dem Ausland wie Sarasin aus der Schweiz haben ebenfalls mitgemischt. Die Behörden haben viel zu tun bei der Aufklärung von Cum-Ex. Umso wichtiger ist nun die Einigung mit der Hypo-Vereinsbank.

"Bevor ihr zu uns kommt, kommen wir zu euch"

Auch beim zweiten HVB-Vergehen, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Schwarzgeldgeschäfte über Luxemburg, wird gegen diverse andere Geldinstitute ermittelt. Vor allem gegen die Commerzbank, die im Februar von der Kölner Staatsanwaltschaft durchsucht worden war. Nach Erkenntnissen der Strafverfolger haben die Commerzbank und weitere große Institute über Tochtergesellschaften in Luxemburg systematisch Briefkastenfirmen vermittelt, in denen reiche Kunden aus Deutschland einen Teil ihres Vermögens vor dem Fiskus verstecken konnten.

Die Briefkastenfirmen stammten vor allem aus sogenannten Steuerparadiesen wie den Seychellen oder Mauritius im Indischen Ozean. Nach der Razzia bei der Commerzbank waren Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank sogleich, um eine Durchsuchung bei sich abzuwehren, zur Staatsanwaltschaft Köln gegangen. "Bevor ihr zu uns kommt, kommen wir zu euch", erklärte die Bank nach Angaben von Insidern den Ermittlern.

Die HVB gab zu, über ihre frühere Niederlassung in Luxemburg genau die gleichen Geschäfte gemacht zu haben wie die Commerzbank. Allerdings nur bis Ende des Jahres 2010, bis die Niederlassung in dem Großherzogtum verkauft worden war. Sie ging an die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken. Die HVB-Tochter in Luxemburg hatte den Klienten "Standardpakete" mit Briefkastenfirmen wie Citrone Overseas und Tessa Rossa angeboten, von denen die Kunden dann offenbar reichlich Gebrauch machten. Das lässt sich Mails und weiteren internen Bankunterlagen entnehmen.

Die HVB kommt günstig weg

Für die Verfehlungen in Luxemburg soll die HVB mehr als zehn Millionen Euro Bußgeld zahlen, für die Cum-Ex-Deals knapp zehn Millionen Euro; zusammengerechnet also mehr als 20 Millionen Euro. Beide Bescheide, die in den nächsten Wochen in der Bankzentrale in München eingehen dürften, könnten nach der geltenden Rechtslage jeweils deutlich höher ausfallen. Die Kölner Staatsanwaltschaft will aber nach Angaben von Insidern den gesetzlichen Rahmen bei weitem nicht ausschöpfen, um die Kooperationsbereitschaft der Hypo-Vereinsbank zu belohnen.

Die HVB hat die Cum-Ex-Deals in den vergangenen Jahren selbst umfassend untersucht, sie hat sich das rund 50 Millionen Euro kosten lassen, und hat die Ergebnisse den Behörden präsentiert. Nicht nur in Köln, sondern auch in Frankfurt, wo die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt. Und im Fall Luxemburg verhielt sich die Bank anschließend genauso.

Die Bankkunden dürften dem Fiskus noch viel einbringen

Im Vergleich beispielsweise zu Schweizer Banken, die von deutschen Behörden ebenfalls bei Schwarzgeldgeschäften erwischt worden waren und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung belangt wurden, kommt die HVB ausgesprochen günstig weg. Die UBS hatte beispielsweise 300 Millionen Euro zahlen müssen, die Credit Suisse 150 Millionen Euro, und bei Julius Bär waren es 50 Millionen Euro gewesen. Die Zahl der Schwarzgeldfälle hatte dort deutlich höher gelegen als bei der HVB in Luxemburg, trotzdem sind die jetzt aufgerufenen Tarife in Köln ausgesprochen günstig für die HVB.

Die Staatsanwaltschaft Köln äußert sich wegen des Steuergeheimnisses nicht zum HVB-Verfahren. Auch die Bank nimmt nicht Stellung. Die Einigung und deren Details werden aber von mehreren Seiten übereinstimmend bestätigt. Aus Unternehmenskreisen der Hypo-Vereinsbank heißt es, Vorstandschef Theodor Weimer und seine Kollegen seien sehr froh über dieses Ergebnis, weil beide Themen für die HVB damit ausgestanden seien. "Wir wollen das durchziehen und abhaken. Wir machen das anders als die Deutsche Bank, die nur von Kulturwandel redet, ihn aber nicht praktiziert." Der Aufsichtsrat werde mit Sicherheit einverstanden sein. Das gelte auch für den Mutterkonzern, die italienische Finanzgruppe Unicredit.

Bei der Commerzbank dürfte ein Bußgeld für die Schwarzgeldgeschäfte in Luxemburg deutlich höher ausfallen, da es nach den bisherigen Erkenntnissen um weit mehr Fälle geht als bei der HVB. Auch die HSH Nordbank ist betroffen; auch sie hat sich, ebenso wie die HVB, nach der Commerzbank-Razzia bei der Staatsanwaltschaft Köln gemeldet und kooperiert mit den Ermittlern. Und schließlich kommen noch die Bankkunden an die Reihe, die ihr Geld in den Briefkastenfirmen verborgen haben. Sie sind wegen Steuerhinterziehung dran. Bei ihnen kann der Fiskus noch eine Menge Geld eintreiben.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2015
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