Milliardenfehler bei Hypo Real Estate:Wer Plus und Minus verwechselt

Der Fehler ist schwer nachvollziehbar und den Beteiligten äußerst peinlich. Die Hypo Real Estate hat sich um 55 Milliarden Euro verrechnet. Die Fehlbuchung zeigt, dass Banker zwar mit immer höheren Summen jonglieren - es um ihre Rechenkünste allerdings nicht besonders gut steht.

Harald Freiberger und Alexander Hagelüken

Es ist wieder ein Fall, der Deutschlands Bürger zum Staunen bringt - zum Lachen aber zu bitter ist. Wenige Themen beherrschten die Schlagzeilen und Gespräche am Wochenende so wie die Panne bei der verstaatlichten Skandalbank Hypo Real Estate (HRE), die 55 Milliarden Euro falsch verbucht hat - weil die Banker "plus" und "minus" verwechselten.

Buchungsfehler bei Abwicklung der HRE durch FMS Wertmanagement

Das Logo der FMS Wertmanagement: Bisher ist nur bekannt, dass bei der "Bad Bank" der HRE 2010 und 2011 Bilanzposten addiert wurden, die voneinander abgezogen gehört hätten.

(Foto: dapd)

Die Opposition goss Hohn und Spott über die Bundesregierung, die für die Kontrolle der mit Milliarden der Steuerzahler geretteten Bank zuständig ist. "Das ist kein Betrag, den die schwäbische Hausfrau in einer Keksdose versteckt und vergisst", hämte SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann. Der Bürger fragt sich: Kann das sein?

55 Milliarden Euro ist so eine gewaltige Summe, dass sie für die meisten Menschen unfassbar ist. Von dem Geld ließen sich ein ganzes Jahr die zweit- und drittgrößten Posten im Bundeshaushalt finanzieren - Verteidigung, Bau und Verkehr (nur der Sozialetat ist höher). Von dem Geld könnte die Regierung auch eineinhalb Jahre lang die Ausgaben für alle knapp fünf Millionen Hartz-IV-Empfänger bestreiten. Ein aufschlussreicher Vergleich, da um ein paar Euro mehr für Deutschlands Bedürftige monatelang gefeilscht wird. Der Bürger fragt sich: Was machen die bei der Skandalbank mit unserem Geld?

Der Buchungsfehler lässt sich schwer zurückverfolgen

Diese Sorge wird umso größer, als der Steuerzahler hofft, dass die Rettung des in der Finanzkrise gestrauchelten Immobilienfinanzierers für ihn nicht zu teuer wird. Zehn Milliarden Euro sind schon direkt in die HRE geflossen, die Garantien lagen zeitweise weit über 100 Milliarden Euro. Außerdem gibt es da die "Bad Bank" FMS, in die faule Wertpapiere der HRE im Umfang von gut 170 Milliarden Euro gesteckt wurden.

Wenn diese Wertpapiere über die Jahre nicht für diese Summe verkauft werden, entsteht ein Minus für den Steuerzahler. Und das ist wahrscheinlich. So hat die FMS bereits einen hohen Verlust gemeldet - und sie besitzt zum Beispiel Griechen-Anleihen für mehr als sieben Milliarden Euro, für die sie seit dem Schuldenerlass des Euro-Gipfels ganz offiziell nur die Hälfte bekommt. Der Bürger fragt sich: Wie geht es meinem Geld bei einer Bank, die sich um solche Summen verrechnet?

"Peinlich"

Die Fakten sind dünn. "Ein Buchungsfehler in der Größenordnung von 55 Milliarden Euro ist schwer nachvollziehbar", sagt ein Sprecher von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble zerknirscht. Schäuble hat für diese Woche je einen Vorstand von HRE und Bad Bank FMS einbestellt - was man so macht, wenn man nicht weiterweiß. Bisher ist nur bekannt, dass bei der FMS 2010 und 2011 Bilanzposten addiert wurden, die voneinander abgezogen gehört hätten.

Es geht um erhaltene Sicherheiten für eigene Forderungen, also Geld, das zum Vermögen einer Bank gehört, zum positiven Teil. Tatsächlich wurde es aber in der Bilanz zu den Verbindlichkeiten gezählt und erhöhte so die Schulden. Das ist etwa so, als wenn auf dem Girokonto eines Bankkunden der Arbeitslohn als Ausgaben verbucht würde. Diese Praxis fiel erst jetzt auf. Wer für den Fehler verantwortlich ist, weiß die FMS noch nicht, die den Fauxpas aufdeckte. Sie nennt das Ganze "peinlich" und verspricht "umfassende Aufklärung".

Für das fassungslose Publikum bleibt die Erkenntnis, dass Finanzkonzerne und Investoren zwar mit immer höheren Summen jonglieren und immer mehr über das Leben der Menschen bestimmen - aber weder über demokratische Legitimation verfügen noch in vielen Fällen über Sachverstand. Und: dass die staatlichen Kontrolleure meist wenig kontrollieren. So häufte die Hypo Real Estate gigantische langfristige Schulden an, die sie nur kurzfristig finanzierte. Als sie nach dem Crash der US-Bank Lehman 2008 kurzfristig kein Geld mehr bekam, riss ein riesiger Abgrund auf - sie war sofort am Ende. Die Bankenaufsicht Bafin erkannte zwar nach eigenen Angaben das irrwitzige Geschäftsmodell der HRE, handelte aber nicht - oder, so die Rechtfertigung, konnte nicht handeln.

"Deutschlands dümmste Bank"

Ähnlich rätselhaft war das Verhalten des Förderinstituts KfW. Die Staatsbanker überwiesen Lehman 300 Millionen Euro, nachdem die US-Bank in der Nacht zuvor pleitegegangen war. Für "Deutschlands dümmste Bank" (Bild) war das Geld erst mal weg.

Hat sich seit diesen und anderen Vorfällen wirklich etwas verbessert? Die Buchungskünste bei HRE lassen daran zweifeln. Oder verzweifeln. Der Betrag ist so gewaltig, dass durch die Korrektur die deutsche Staatsverschuldung für 2011 von 83,7 auf 81,1 Prozent der Wirtschaftsleistung sinkt.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers (PwC) hat nach eigenen Angaben erst in diesem Jahr Kenntnis von den Bilanzfehlern bei der Bad Bank der verstaatlichten HRE erhalten. "Im Rahmen der von uns durchgeführten Prüfungshandlungen, uns vorgelegten Unterlagen einschließlich Bestätigungen Dritter und erhaltenen Auskünften ergaben sich auch unter Berücksichtigung des Tatbestands, dass wesentliche Teile der Buchführung ausgelagert sind, keine Anhaltspunkte für Fehler im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010", teilte PwC am Sonntagabend in Frankfurt laut dpa mit. Die Bad Bank FMS Wertmanagement hatte demnach wesentliche Teile der Rechnungslegung an einen externen Dienstleister ausgelagert.

Im Zusammenhang mit dem verkürzten Halbjahresabschluss zum 30.Juni 2011 seien jedoch Geschäftsvorfälle identifiziert worden, bei denen die Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften unterblieben seien. Dies sei korrigiert worden. Dadurch hätten sich die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sowie die Bilanzsumme der FMS Wertmanagement um jeweils 55,5 Milliarden Euro reduziert, teilten die Wirtschaftsprüfer mit.

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