Hyperloop:Mit Tempo 1200 nach Berlin

Hyperloop: Ein Studententeam unter Leitung von Mariana Avezum (3.v.li.) hat für das Hyperloop-Projekt einen Pod entwickelt, der Ende Januar in Kalifornien bei einem Wettbewerb startet.

Ein Studententeam unter Leitung von Mariana Avezum (3.v.li.) hat für das Hyperloop-Projekt einen Pod entwickelt, der Ende Januar in Kalifornien bei einem Wettbewerb startet.

(Foto: Robert Haas)

Der Hyperloop soll eines Tages mit Schallgeschwindigkeit Passagiere befördern. Studententeams aus aller Welt entwickeln ein Fahrzeug für das Projekt - eine deutsche Gruppe ist auch dabei.

Von Dieter Sürig

Hinter der Glastür beginnt die Zukunft: Auf 1500 Quadratmetern sind hier 3-D-Drucker, Laserschneider und CNC-Werkzeugmaschinen im Einsatz - Hightech für alle. Draußen prangt in großen silbernen Lettern "Makerspace" an der Wand. "Unternehmertum", das Gründerzentrum an der Technischen Universität München, hat hier auf dem Campus in Garching mithilfe von BMW-Erbin Susanne Klatten eine Art Fitnessstudio für kreative Köpfe geschaffen. Ob Studierende, Gründer oder Bastler - das Makerspace ist gegen Gebühr offen für jeden. Da kann es schon mal passieren, dass man gleich neben einem Team arbeitet, welches an einem Vehikel für das Hyperloop-Projekt des amerikanischen Tesla- und SpaceX-Chefs Elon Musk tüftelt.

Die brasilianische Informatikstudentin Mariana Avezum, 26, leitet das Hyperloop-Studententeam. Sie findet es ziemlich "cool", was sie hier machen. "Man lernt viel Praxiswissen, und es macht unheimlich viel Spaß", sagt sie begeistert. Gut 35 Studierende haben hier in den vergangenen Monaten ein Fahrzeug entwickelt, das irgendwann mit Magnetschwebetechnik Menschen und Güter mit 1200 Kilometern pro Stunde durch eine Vakuumröhre transportieren könnte. Rohrpost XXL in Schallgeschwindigkeit. Tempo 1200 - das würde die Fahrzeit zwischen München und Berlin auf etwa eine halbe Stunde schrumpfen. Ticketpreis einfach: etwa 40 Euro. ICE und Flugzeug würden dagegen alt ausschauen, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Angehende Wissenschaftler der TU München sind in der Endrunde

Nun sind erst einmal Prototypen gefragt: Im Juni 2015 hat Elon Musk den SpaceX Hyperloop Pod Competition ausgerufen, an dem sich weltweit an die 120 Studententeams beteiligt haben. Im Januar 2016 haben sich die Teams mit ihrem Projekt bei einem Design Weekend an der Texas A&M University in College Station präsentiert, etwa 30 kamen in die nächste Runde und können Ende dieses Monats ihre Prototypen auf einer eigens gebauten Teststrecke vorstellen. Die befindet sich in einer Röhre direkt an der Straße neben dem SpaceX-Hauptquartier in Hawthorne bei Los Angeles, ist eine Meile (1,6 Kilometer) lang und hat einen Durchmesser von 1,8 Metern. Das TU-Team ist als eines von zwei europäischen Projekten in Kalifornien dabei, neben einer Gruppe der niederländischen Delft University of Technology.

Wie kommt man als Münchner Studentin dazu, sich an einem solchen Projekt zu beteiligen? Mariana Avezum zuckt mit den Achseln. Sie studiert nicht einmal am Institut für Luft- und Raumfahrt, an dem die Projektgruppe innerhalb der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für Raketentechnik und Raumfahrt (Warr) angesiedelt ist. Ihre Heimatfakultät ist die benachbarte Informatik. "Ich habe den Wettbewerb auf Facebook gesehen und fand die Thematik spannend", erzählt sie. "Aber ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie groß das werden wird." Aus einer kleinen Gruppe hat sich ein Team mit 30 Studenten entwickelt, "ein paar Leute von der Raketentechnik, ein paar von der Satellitentechnik - die Mischung ist wichtig", sagt sie. "Und für unsere Wirbelstrombremse brauchen wir E-Techniker."

Auch wenn es sich um ein irdisches Transportmittel handelt - SpaceX war der Link, über den sich viele Raumfahrtstudenten für das Projekt begeistern konnten. "Das war am Anfang eine gute Motivation", Mariana Avezum spricht von der "Musk-Karte", die ihre Kommilitonen gelockt habe - mit der Hoffnung auf Kontakte in das Raumfahrtunternehmen SpaceX, das bereits die Internationale Raumstation ISS mit unbemannten Transportern versorgt und bald die erste bemannte Kapsel zur ISS starten möchte.

In der Metallwerkstatt des Makerspace in Garching liegen die Einzelteile für den Hyperloop-Pod, der ein bisschen an einen Bob erinnert. Ein gut vier Meter langes graues Gestell mit vielen Verstrebungen im Fischer-Technik-Look, daneben steht das zweiteilige Chassis, eine Carbonhülle in Schwarz, Blau und Weiß gehalten. Darauf sind Firmennamen und Logos zu sehen, allesamt Sponsoren dieses ehrgeizigen Studentenprojekts. Im Hintergrund das wohl teuerste Teil des Fahrzeugs: ein Kompressor, der von einem Alpha Jet stammt und den Luftwiderstand in der Röhre minimieren soll. Auf einem eilig angepappten Zettel steht "Don't touch", Finger weg!

Es ist der unbemannte etwa 600 Kilogramm schwere Prototyp der Studierenden, mehr kann die Teststrecke gar nicht fassen - Projektwert: etwa 350 000 Euro, die unzähligen Arbeitsstunden für die Entwicklung, welche die Studenten unentgeltlich geleistet haben, nicht mit gerechnet. Das gute Stück befindet sich mittlerweile auf dem Weg nach Hawthorne, per See- und Luftfracht. Mitte Januar beginnen dort Tests, beispielsweise in einer Vakuumkammer, und am letzten Januar-Wochenende wird es dann ernst: "Das schnellste und technisch beste Team wird prämiiert", sagt Avezum.

Wie funktioniert der Hyperloop aus Garching? Grundlage ist ein Passiv-Magnetschwebesystem. "Wir verbrauchen also keinen Strom zum Schweben, die Magneten unter der Kapsel sind stark genug, um das Gesamtgewicht zu tragen", erläutert die Studentin. Um auf Geschwindigkeit und in den Schwebezustand zu kommen, wird der Pod beim Test am Anfang in die 1,5 Kilometer lange Strecke geschoben. Hauptstromverbraucher ist der Kompressor. "Je nach Strecke ist es theoretisch möglich, mehr Strom zu erzeugen, als man verbraucht."

Vielleicht haben ja die besten der Besten irgendwann die Möglichkeit, den richtigen Pod zu entwickeln, der dann etwa 40 Personen oder Güter-Container von A nach B transportieren soll. Im Juli soll es erst einmal einen weiteren Wettbewerb geben, für den ein zweites TU-Team eine eigene Kapsel bauen will. "Es ist ja nicht die Frage, ob ein Hyperloop funktioniert, sondern wann es einen geben wird. Dass es technisch funktioniert, haben wir schon gezeigt", sagt Mariana Avezum selbstbewusst. "Es hat das Potenzial, die Zukunft zu verändern", schwärmt sie.

Sie redet schon wie Elon Musk, der das Projekt im Übrigen nur auf den Weg bringen, aber nicht selbst realisieren will. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, vor einem Jahr an der Texas A&M University eine kleine Präsentation für die Teilnehmer zu halten: "Das war eine ziemlich große Überraschung", erinnert sich Avezum. "Das Event war eigentlich schon vorbei. Ein SpaceX-Ingenieur sagte, dass sich die Studenten gefragt hätten, wo denn Elon sei, im gleichen Moment kommt er herein. Das war ein ziemlich cooler Moment."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: