Süddeutsche Zeitung

Logistik:Hamburg testet den Hyperloop

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Von Angelika Slavik, Hamburg

Wenn so ein Containerschiff am Hamburger Hafen anlegt, hat es schon einiges durchgemacht. Mitunter war es wochenlang auf den Weltmeeren unterwegs. Hat schweren Seegang überstanden. Brutale Hitze. Schließlich hat es sich durch die Elbe gequetscht. Alles nur, um endlich hier anzulegen: an der Hamburger Kaikante.

Für die vielen Tausend Container, die auf so einem Schiff sind, war das aber erst der Anfang. Sie werden einzeln vom Schiff geholt und dann auf dem Festland weitertransportiert - mit der Bahn oder öfter mit dem Lkw. Genau dieser Transport ins Hinterland soll in ein paar Jahren deutlich schneller gehen, so stellt sich das zumindest die HHLA vor, der wichtigste Terminalbetreiber im Hamburger Hafen. Die HHLA präsentierte am Mittwoch eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Unternehmen Hyperloop Transportation Technology. Das Ziel: Container künftig in einer Röhre mit 1200 Kilometern pro Stunde vom Hafen ins Hinterland zu schießen. Ihr sei klar, dass so ein Projekt immer auch viele Kritiker auf den Plan rufe, sagte die HHLA-Chefin Angela Titzrath. Aber man können nicht immer nur jammern, dass Deutschland bei der digitalen Entwicklung hinterherhinke. Es brauche eben auch den Mut, visionäre Projekte zu verfolgen. "Ein mutiger Beginn ist der halbe Gewinn", sagte Titzrath.

Hyperloop TT ist eines von mindestens vier Unternehmen, die an der Umsetzung des Hyperloop-Konzepts arbeiten. Das Konzept wurde ursprünglich vom Tesla-Gründer Elon Musk vorgestellt, er steht aber mit Hyperloop TT in keiner Verbindung. Die Technologie sei bereits weit fortgeschritten, sagte Hyperloop TT-Chef Dirk Ahlborn - bezog sich damit aber auf den Personentransport. Das Hyperloop-System sieht vor, Menschen in einer Kapsel, vergleichbar mit dem Rumpf eines Flugzeugs, zu transportieren. Die Kapsel befindet sich in einer Röhre, in der mit Hilfe von Pumpsystemen Unterdruck erzeugt wird. Das verringert den Luftwiderstand und soll Reisen mit sehr hoher Geschwindigkeit - die Rede ist von 1200 Stundenkilometern - bei gleichzeitig geringem Energieaufwand ermöglichen. Schon "im kommenden Jahr" werde das System erstmals Menschen transportieren, kündigte Ahlborn an. Der Schritt, das Hyperloop-Konzept für den Gütertransport anzupassen, sei eine vergleichsweise überschaubare Herausforderung. Zwar wären Container deutlich schwerer als Menschen, dafür ist der Personentransport viel komplexer. Anders ausgedrückt: Dem Container wird während der Fahrt nicht übel. "Wer Menschen transportieren kann, kann auch Güter befördern", sagte Ahlborn.

Zur Umsetzung gründen die HHLA und Hyperloop TT ein Joint Venture. Die Verträge wurden am Mittwoch unterschrieben, ein Geschäftsführer für das Gemeinschaftsunternehmen soll noch benannt werden. Sieben Millionen Euro wollen beide Partner zusammen in das Projekt stecken. Das erste Ziel ist die Entwicklung einer Transportkapsel für den Gütertransport, der Bau einer Übergabestation und die Errichtung einer etwa 100 Meter langen Teststrecke direkt im Hafen, voraussichtlich am Containerterminal Altenwerder, das schon jetzt hochautomatisiert betrieben wird. Der Zeitplan sei ambitioniert, räumte HHLA-Chefin Titzrath ein, allerdings brauche Deutschland mehr Mut und den Innovationsgeist, "den man am Silicon Valley immer so bewundert". Für die Umsetzung werden zudem einige neue gesetzliche Regelungen nötig sein, weil die Technologie neu ist, sagte die Vorstandschefin. Das deutsche Bau- und Planungsrecht mache Infrastrukturmaßnahmen oft besonders schwer realisierbar - wie sich bei der Elbvertiefung gezeigt habe.

Die Hafengesellschaft könnte das Konzept weiterverkaufen

Titzrath, früher Personalvorständin bei der Deutschen Post, ist seit zwei Jahren Chefin der HHLA. Der Zeithorizont, den sie nun für das Hyperloop-Projekt abgesteckt hat, ist wohl kein Zufall: 2021 ist Hamburg Austragungsort des ITS Weltkongresses, einer für die Branche besonders wichtigen Messe für intelligente Transportsysteme. Kann Titzrath bis zu dieser Veranstaltung eine Hyperloop-Teststrecke präsentieren, schmückt das nicht nur ihre Bilanz als HHLA-Chefin, sondern ermöglicht vielleicht auch den Verkauf der Technologie an andere Hafenstandorte weltweit. Die HHLA und ihre ambitionierte Chefin könnten dann also gleichzeitig glänzen und Geld verdienen - und damit vielleicht auch gleich den Ausbau der eigenen Hyperloop-Verbindungen ins Umland finanzieren.

Perspektivisch könnten an einem Hyperloop-Terminal etwa 4100 Container pro Tag abgefertigt werden, sagte Titzrath. Viele Tausend Lkw-Fahrten würden dadurch eingespart und die Abgasbelastung verringert. Hyperloop-TT-Chef Ahlborn sagt: Manchmal brauche man im Leben eben auch ein bisschen Vorstellungskraft.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2018
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