Hygienemängel in Geflügelproduktion:Wiesenhof darf in Möckern wieder schlachten

Einen Tag nach der erzwungenen Schließung wegen Hygienemängeln erlauben die Behörden dem größten deutschen Geflügelproduzenten Wiesenhof wieder, im sachsen-anhaltinischen Möckern die Produktion hochzufahren. Experten gehen aber davon aus, dass bei Wiesenhof noch weit mehr im Argen liegt.

Daniela Kuhr, Kristina Läsker und Silvia Liebrich

Es ist ein Warnschuss. Deutschlands größter Geflügelproduzent Wiesenhof musste am Montag überraschend einen seiner Schlachthöfe vorübergehend schließen. Grund dafür seien Probleme mit der Hygiene, teilten die Behörden mit, ohne nähere Angaben zu machen. Es ist nicht das erste Mal, dass Lebensmittelkontrolleure die Anlage in Möckern ins Visier nahmen. Der Betrieb östlich von Magdeburg in Sachsen-Anhalt war bereits vor einem Jahr in die Schlagzeilen geraten. Die Vorwürfe damals: Auf Hühnerfleisch seien Kotspuren gefunden worden. Wände und Decken im Betrieb waren angeblich mit Schwarzschimmel bedeckt, zudem seien zu viele Hühner geschlachtet worden.

Behoerden verbieten Betrieb von Wiesenhof-Schlachthof wegen Hygienemaengeln

Der Geflügelproduzent Wiesenhof steht nicht zum ersten Mal wegen Hygienemängeln in der Kritik.

(Foto: dapd)

Ohnehin werfen Kritiker dem Unternehmen Missstände in der Geflügelhaltung und Tierquälerei vor. Im vergangenen Jahr erregten Bilder aus Zuchtanlagen die Gemüter. Was die Schlachtanlage in Möckern angeht, gelang es dem Unternehmen jedoch immer wieder, Kritiker zu besänftigen.

Bis zu diesem Montagnachmittag.

Erstmals ließen die Behörden jetzt eine komplette Schlachterei von Deutschlands größtem Hühnerproduzenten vorübergehend stilllegen. Es sei "zu Beanstandungen und festgestellten Mängeln" gekommen, sagte der Sprecher des Landkreises Jerichower Land. Die Behörden untersagten dem Betrieb in Möckern Hühner zu kaufen oder zu schlachten. Zudem durfte kein Geflügel mehr verkauft werden, das nach dem 28. Februar geschlachtet wurde. Am Dienstagmorgen folgten dem Sprecher zufolge Kontrollen im Betrieb durch mehrerer Veterinäre, bei denen keine Mängel mehr festgestellt worden seien. Am Dienstagabend teilte der Landkreis dann mit, dass Wiesenhof den Betrieb wieder aufnehmen dürfe. Der Geschäftsführung sei eine entsprechende Verfügung übermittelt worden.

Der Landkreis macht zwar keine Angaben zu den Mängeln, versucht aber zu beschwichtigen. "Der Verbraucher muss keine Angst haben", betonte ein Sprecher. Auch Wiesenhof wollte sich nicht zu den Ursachen der Schließung äußern. Momentan werde der Betrieb für vier Millionen Euro umgebaut, sagte ein Firmensprecher. Im "Rahmen dieser Umbauten" seien die Mängel aufgetreten.

Bei Wiesenhof könnte noch mehr im Argen liegen.

Im August 2011 hat der Magdeburger Rechtsanwalt Uwe Bitter das Unternehmen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Sein Vorwurf: Die Schlachtgenehmigung für den Betrieb in Möckern sei 2002 ausgelaufen, erst 2008 sei eine neue beantragt worden. Wenn es aber tatsächlich keine Genehmigung gegeben habe, könnten EU-Subventionen in Millionenhöhe zu Unrecht geflossen sein, vermutet Bitter. Die Staatsanwaltschaft Stendal sah darin einen begründeten Anfangsverdacht.

Im Zentrum der Vorermittlungen standen zunächst einige Wiesenhof-Manager und mehrere Verwaltungsbeamte, gegen sie wurde wegen möglichen Betrugs bei Subventionen recherchiert, teilte der zuständige Staatsanwalt damals mit. Inzwischen hätten die Fahnder in Stendal den Vorgang an die Staatsanwaltschaft Magdeburg abgegeben, sagte Oberstaatsanwältin Brigitte Strullmeier der Süddeutschen Zeitung. In Magdeburg war am Dienstag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Wiesenhof schweigt zu den Vorwürfen. "Wir äußern uns zu laufenden Verfahren nicht", hieß es.

Kritiker werfen dem Konzern Mauscheleien mit dem zuständigen Landratsamt vor. Die Verbindungen zwischen dem Betrieb und der Stadt Möckern seien eng. Das bestätigt auch Oliver Wendenkamp, Geschäftsführer des BUND in Sachsen-Anhalt. Er kennt die Vorwürfe gegen Wiesenhof. In der Schlachterei dort sind etwa 450 Menschen beschäftigt. Jeden Tag werden im Zwei-Schicht-Betrieb mehr als 100.000 Hühner geschlachtet und tiefgefroren. Damit ist Wiesenhof einer der wichtigsten Arbeitgeber in der strukturschwachen Gegend um Möckern - und einer der größten Gewerbesteuerzahler. Dank Wiesenhof hat der Landkreis Jerichower Land mit gut elf Prozent eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Sachsen-Anhalt.

Bußgelder reichen nicht zur Abschreckung

Verbraucherschützer kritisieren schon länger Mängel in der Überwachung. "Zum einen haben wir bundesweit viel zu wenig Lebensmittelkontrolleure, zum anderen aber ist das System der Kontrollen nicht gerade effizient", sagt Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Das könne man vor allem an solchen Fällen sehen, in denen ein Betrieb wiederholt auffällig geworden sei. "Offenbar wirken behördliche Anordnungen und Bußgelder nicht abschreckend genug." Sie würde sich zur Unterstützung der Arbeit der Lebensmittelüberwachung deutlich mehr Transparenz für den Verbraucher wünschen. "Denn nur wenn der Konsument die Zustände kennt, unter denen sein Essen produziert wird, kann auch er zweifelhafte Unternehmen meiden und gutes Verhalten belohnen."

Der Stern hatte bereits vor einem knappen Jahr von Verunreinigung und Mängeln in der Kühlkette berichtet. In dem Betrieb könne die zuständige Veterinäraufsicht "eine hygienisch bedenkenlose Schlachtung nicht garantieren". Demnach hatten die Behörden seit Anfang 2010 wiederholt gravierende Mängel beanstandet. Berichte und Fotos würden dokumentieren, dass Schlachtereiräume mit Schwarzschimmel befallen und bereits geschlachtetes Geflügel mit Kot verunreinigt sei. Zudem habe es Verstöße bei Fleischbeschau und Kühlung gegeben. Die zulässige Schlachtmenge sei überschritten worden. Zu den aktuellen Vorwürfen schweigen alle Beteiligten.

Der Wiesenhof-Sprecher wies diese Vorwürfe damals entschieden zurück, die meisten Beanstandungen seien nicht schwerwiegend gewesen, sagte er. Das Landesverwaltungsamt in Halle sah das anders und erteilte im August neue Auflagen. So kritisierte das Amt, dass es zu wenige Mitarbeiter für die Fleischbeschau gebe. Außerdem reiche die Kühlung nicht aus. Weil das Amt auch die erlaubte Schlachtmenge überschritten sah, verhängte es Bußgelder von mehreren zehntausend Euro. Das Unternehmen legte dagegen aber erfolgreich Widerspruch ein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: