Süddeutsche Zeitung

Hygienemängel bei Wiesenhof:Ausgenommen und gefroren

Neuer Ärger um Wiesenhof: Der Geflügelproduzent hofft 800.000 derzeit für den Verkauf gesperrte Hühner bald wieder in den Handel bringen zu dürfen. Verbraucherschützer sind empört. Sie kritisieren das laxe Vorgehen der zuständigen Behörden in Sachsen-Anhalt, denn der betroffene Schlachtbetrieb steht schon seit Jahren in der Kritik.

Silvia Liebrich

Der Streit zwischen Wiesenhof und den Behörden wegen Hygienemängel in einem Schlachtbetrieb in Sachsen-Anhalt spitzt sich zu. Nach einem vorübergehenden Produktionsstopp im Betrieb Möckern hofft der Geflügelproduzent das für den Verkauf gesperrte Hühnerfleisch doch noch in den Handel bringen zu dürfen, sobald die Behörden es wieder freigeben.

Dabei soll es um 800.000 gefrorene ausgenommene Tiere gehen, die derzeit in einem Kühlhaus lagern. Über einen entsprechenden Antrag Wiesenhofs müsse nun das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt entscheiden, sagte ein Sprecher des Landkreises Jerichower Land, der für die Überwachung des Wiesenhof-Betriebs in Möckern zuständig ist, am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Wiesenhof bestätigte, dass es um 975 Tonnen gesperrtes Fleisch gehe. "Wir werden jede Behördenentscheidung akzeptieren", so ein Firmensprecher. Eine Entscheidung des Landesverwaltungsamtes lag am Mittwoch noch nicht vor.

"Ich habe große Bedenken, dass dieses Hühnerfleisch auch kontaminiert sein könnte, sonst wäre es wohl nicht aus dem Verkehr gezogen worden", sagte dagegen Oliver Wendenkampf, Geschäftsführer des BUND Sachsen-Anhalt. Die Produktion in Möckern war am Montag vor einer Woche gestoppt worden.

Begründet wurde dies mit nicht näher beschriebenen Hygienemängeln. Bereits zwei Tage später gaben Veterinäre die Produktion wieder frei. Auch darüber könne er sich nur wundern, sagt Wendenkampf. "Wenn ein solcher Betrieb geschlossen wird, müssen gravierende Mängel vorliegen. Ich habe Zweifel, dass sich die so schnell beseitigen lassen."

Immer wieder Beanstandungen wegen Kotspuren und Schimmel

Laut Wiesenhof waren Mängel in der Bratfertiglinie beanstandet worden. Dort werden geschlachtete Tiere untersucht und ausgeweidet. Es habe sich um kleinere technische Mängel gehandelt, hieß es. Diese seien inzwischen beseitigt. Der Betrieb in Möckern war schon in den Jahren zuvor immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte es Beanstandungen wegen Kotspuren auf Fleisch und Schimmel an Wänden gegeben. Kritiker werfen Deutschlands größtem Geflügelproduzenten außerdem Tierquälerei und Missbrauch von Antibiotika vor.

Die für die Betriebssperrung verantwortlichen Veterinäre sind stark unter Druck geraten. Ihnen wurde unter anderem Mauschelei mit dem Unternehmen vorgeworfen. Sie hätten den Betrieb viel zu schnell wieder freigegeben. Die Behörden im Landkreis Jerichower Land haben nach eigenen Angaben darauf reagiert.

Ein weiterer Veterinär aus dem benachbarten Landkreis Anhalt-Bitterfeld sei um Amtshilfe gebeten worden. Dies sei notwendig gewesen, weil die korrekte Arbeit der bisherigen Tierärzte angezweifelt worden sei, sagte der Sprecher des Landkreises. Der neue Veterinär berichtet demnach an den zuständigen Landrat Lothar Finzelberg.

Der wiederum ist in der Region nicht unumstritten. Finzelberg soll in einen Giftmüllskandal verwickelt sein. Eineinhalb Millionen Tonnen Hausmüll sollen illegal abgeladen worden sein. Die Staatsanwaltschaft Stendal ermittelt in diesem Fall. Wendenkampf vom BUND ist alarmiert. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Finzelberg im Umgang mit den Firmen in seinem Landkreis nicht unbedingt im Sinne der Bevölkerung handelt."

Erste Großabnehmer haben inzwischen aus den wiederkehrenden Vorwürfen gegen Wiesenhof Konsequenzen gezogen. Die Fast-Food-Kette McDonald's will bis auf weiteres kein Hühnerfleisch mehr von Wiesenhof beziehen. Der US-Konzern nahm bisher pro Jahr etwa 1000 Tonnen Hühnerfleisch ab.

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SZ vom 15.03.2012/mkoh
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