Die Autoindustrie hat einen sehr hübschen Satz entwickelt, um den sperrigen Begriff Plug-In-Hybrid zu erklären: Solche Autos verknüpften "das Beste aus beiden Welten" , sagte jüngst Hildegard Müller, Präsidentin des Deutschen Automobilverbandes (VDA). Die verbraucherfreundliche Benzinwelt auf der einen Seite und die emissionsfreie Stromwelt auf der anderen: Plug-In-Hybride können per Verbrennermotor fahren und auch elektrisch. "Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu effektivem Klimaschutz." Deswegen müsse diese Technik weiter bezuschusst werden vom Staat und nicht nur reine Batterieautos. Tatsächlich hat die Bundesregierung in dieser Woche beim Autogipfel eine Verlängerung des entsprechenden Umweltbonus' um fünf Jahre zugesagt.
Die derart ausgerüsteten Wagen kommen auch immer besser an bei den Kunden. Das freut die Industrie, die mit diesen Wagen auf dem Papier den Ausstoß von Kohlendioxid im Durchschnitt aller verkauften Autos mindern kann, wichtig, um Strafzahlungen abzuwenden. Doch zugleich zeigen immer neue Zahlen, dass diese Art des Fahrens in der Realität Probleme birgt. Zwischen Januar und September dieses Jahres wurden in Deutschland 105 882 Wagen mit Plug-In-Hybrid-Technik zugelassen, wie Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) dem Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir auf eine parlamentarische Anfrage hin mitteilte; im gesamten Vorjahr waren es nur 45 348. Das Entscheidende dabei: Nur 2691 dieser Autos schaffen mindestens 80 Kilometer elektrisch ohne Nachladen, das entspricht gerade mal 2,5 Prozent. Alle anderen machen vorher schlapp. Auf der echten Straße schon weit eher, zumal bei kühler Witterung. Das macht die Handhabung einigermaßen unpraktikabel, zumal es keinen Anreiz für die Fahrer gibt, auf Strombetrieb umzuschalten.
Die FDP spricht deshalb ähnlich wie Umweltverbände von "Etikettenschwindel", wenn es um Plug-In-Hybride geht. Cem Özdemir, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, wählt noch härtere Worte: "Was wir in Sachen Plug-In-Hybrid erleben, ist eine erschreckende Wiederholung der falschen Freundschaft zwischen Bundesregierung und den Bremsern in der Automobilindustrie, die uns schon den Abgasskandal eingebrockt hat."
"Wenn ich mir die Zahlen so anschaue, habe ich das Gefühl, wir hätten den Autos genauso gut ein paar Batterien ins Handschuhfach legen können"
Eigentlich könne diese Mischtechnik ein doppelter Gewinn sein, sagt Özdemir: für die Umwelt und für die Beschäftigten in der Autoindustrie, die dank der doppelten Antriebe tatsächlich mehr zu tun haben beim Wagenbau. Aber dazu brauche es "vernünftige Hybride mit mindestens 80 km Reichweite" und zwar sehr rasch. Man sehe, dass das technisch möglich sei - und so müsse die Politik das auch einfordern von der Industrie. "Wenn ich mir die Zahlen so anschaue", so Özdemir, "habe ich das Gefühl, wir hätten den Autos genauso gut ein paar Batterien ins Handschuhfach legen können." Tatsächlich erklärt die von der Regierung berufene Nationale Plattform Mobilität in einem aktuellen Bericht, "Reichweiten von ca. 80 bis 100 km im Realbetrieb" seien anzustreben. Doch vorgeschrieben ist das erst ab dem Jahr 2025. Bis dahin genügen geringere Reichweiten, damit Hersteller und Fahrer profitieren von kommunalen Vorrechten, Kaufsubventionen oder einer um die Hälfte reduzierten Dienstwagenbesteuerung.
Aus Sicht der Grünen und von Verkehrsforschern ist die Erhöhung der elektrischen Mindestreichweite nur ein Baustein, damit Hybridautos ihr Klimaschutz-Versprechen einhalten: Wichtig sei auch, dass Autos tatsächlich geladen und gefahren werden und den entsprechenden Aufdruck nicht nur als steuermindernde Zier tragen. Wie weit hier Theorie und Praxis auseinanderklaffen, zeigten jüngst Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft und des "International Council on Clean Transportation" in einer Studie. Schon private Fahrer laden ihr Hybridfahrzeug nur an drei von vier Tagen, deshalb ist nur 43 Prozent der Fahrleistung elektrisch und der CO2-Ausstoß dadurch doppelt so hoch wie auf dem Papier. Werden solche Autos jedoch als Dienstwagen gefahren, dann vervierfacht sich der reale CO2-Ausstoß sogar: Sie werden nur zu 18 Prozent im E-Modus bewegt.
Als Anreiz für mehr E-Fahrten schlagen die Grünen vor, einen Teil der Kaufprämie erst nach der ersten Hauptuntersuchung auszuzahlen, und zwar nur dann, wenn der Bordcomputer zeige, dass das Auto größtenteils elektrisch gefahren wurde. Einzelne Autokonzerne wie BMW testen, Autos bei der Einfahrt in urbane Gebiete auf Elektro umzuschalten. Die Fraunhofer-Gesellschaft wiederum wirbt dafür, den Dienstwagenfahrern nicht nur Tankkarten zu geben, sondern Ladekarten. Der VDA sträubt sich nicht völlig gegen solche Ideen - aber will langsam machen, bei der wirklichen Zusammenführung der beiden Welten: Belastbare Zahlen zur Nutzung gebe es erst in drei Jahren, sagt Präsidentin Müller. Einfahrtbeschränkungen seien sowieso schwierig. Und außerdem gebe es ja gar nicht genügend Ladesäulen.