Studie zu Hybridfahrzeugen:Dreckig trotz Stromanschluss

Die Kraft der zwei Herzen: Hybridsysteme im Überblick

Nur weil ein Auto die Möglichkeit bietet, eine gewisse Strecke elektrisch zu fahren, ist es noch lange nicht umweltfreundlicher als ein reiner Verbrenner.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa-tmn)

Eine große Auswertung zur Nutzung von Plug-in-Hybridautos belegt: Die Verbrauchsangaben der Hersteller sind unrealistisch.

Von Christina Kunkel, München

Für Hersteller und Autokäufer klingt es nach dem perfekten Deal: "Das Beste aus zwei Welten" heißt es da oft, wenn die Konzerne ihre neuesten Wagen anpreisen, die neben einem konventionellen Verbrennungsmotor auch noch einen Elektroantrieb an Bord haben. Die Verbrauchsangaben scheinen denn auch mit einem Öko-Gewissen vereinbar zu sein - etwa 2,5 Liter Benzin für einen Porsche Cayenne als Teilzeitstromer mit 462 PS oder sogar nur 1,3 Liter Diesel für den Mercedes-SUV GLE 350de mit mehr als zweieinhalb Tonnen Gewicht.

Die Politik fördert fleißig alles, was einen Stecker hat, schüttet üppige Kaufprämien auch für Hybride aus. Wer sich als Dienstwagenfahrer für ein derartiges Modell entscheidet, zahlt nur die Hälfte an Steuern im Vergleich zu einem reinen Verbrenner. Schon lange warnen Umweltverbände davor, dass die schönen emissionsarmen Versprechen nur ein Feigenblatt sind. Jetzt legen die gemeinnützige Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einer umfangreichen Studie Daten vor, die Befürchtungen der Umweltschützer bestätigen und die Geschichte vom sauberen Teilzeitstromer widerlegen.

Rund 100 000 Fahrzeuge mit kombiniertem Antrieb aus Europa, Nordamerika und China haben die Forscherinnen und Forscher im Hinblick auf ihre reale Nutzung im Alltag untersucht. Für ihre statistischen Analysen nutzten sie unter anderem anonymisierte Daten, die Fahrzeughalter freiwillig an Online-Portale wie Spritmonitor oder im Rahmen früherer Befragungen übermittelt hatten. Einbezogen wurden auch Auswertungen zu Firmenfahrzeugen, die Flottenkunden zur Verfügung stellten. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Tatsächlich verbrauchen die Hybride im Schnitt doppelt so viel Sprit, wie es die Hersteller anhand der Fahrten in offiziellen Prüfzyklen angeben. Besonders desaströs fallen die Ergebnisse bei Dienstwagen aus: Dort ist der reale Verbrauch sogar viermal so hoch wie es die Herstellerangaben versprechen.

Der Grund für diese Abweichungen: Der Ladeeifer der Plug-in-Fahrer ist deutlich geringer als angenommen. Private Fahrzeugnutzer laden ihren Hybrid laut der Auswertung nur an drei von vier Tagen, Dienstwagen bekommen durchschnittlich sogar nur an jedem zweiten Fahrtag Stromnachschub. Da die Fahrleistung der Flottenfahrzeuge aber deutlich über der von Privatautos liegt und damit öfter längere Strecken ohne Ladepause zurückgelegt werden, fällt bei diesen die Umweltbilanz besonders verheerend aus. Die Forscher haben ausgerechnet: In Deutschland sind rein privat genutzte Plug-in-Hybride im Durchschnitt etwa 43 Prozent ihrer Fahrzeit im elektrischen Modus unterwegs, bei Dienstwagen sind es lediglich 18 Prozent. Die Geschichten von unangetasteten Ladekabeln im Kofferraum von Diensthybriden scheinen somit tatsächlich kein Märchen zu sein.

Für die Autohersteller sind Plug-in-Hybride nicht nur wegen der großzügigen Verkaufsförderungen ein gutes Geschäft. Weil sie auf dem Papier kaum CO₂ ausstoßen, helfen diese Modelle den Konzernen dabei, die strengen EU-Flottengrenzwerte einzuhalten. Zudem ist ihre Produktion für die Hersteller schneller und kostengünstiger zu bewerkstelligen als die neuer, reiner Batteriefahrzeuge. "Mit diesen Autos verdienen die Unternehmen noch Geld, während sie bei reinen Elektroautos sogar eher draufzahlen", fasst es Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg zusammen. Deshalb überbieten sich gerade in den typischen Dienstwagen-Segmenten der Mittel- und Oberklasse die Konzerne mit immer neuen Hybrid-Modellen. Und die Kunden greifen zu: Eine Auswertung des Center Automotive Research zeigt, dass im Jahr 2020 bislang bei Audi, Mercedes, BMW und Volkswagen mehr als jeder zweite verkaufte Plug-in-Hybrid an einen Flottenkunden ging, bei Volvo waren es sogar 66 Prozent aller Teilzeitstromer. Die Wagen sind also vor allem bei jenen Kunden gefragt, die sie nicht besonders ökologisch nutzen.

Um das zu ändern, schlagen die Studienautoren unter anderem vor, die Förderung in Zukunft an die tatsächliche elektrische Nutzung zu koppeln. Wer also nicht regelmäßig Strom tankt, soll nicht mehr von günstigerer Besteuerung oder sonstigen Prämien profitieren. Auch die elektrische Reichweite der einzelnen Hybrid-Modelle sollte weiter steigen, im Gegenzug aber die Motorleistung sinken oder abgeriegelt werden, um im Verbrennermodus nicht wieder Unmengen an Schadstoffen in die Luft zu blasen.

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