Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Warum die Hummel ein Fisch ist

Ein kalifornisches Berufungsgericht überrascht mit einer neuen Einordnung der Insekten - sehr zum Ärger der Bauern.

Von Kathrin Werner

Flora und Fauna sind immer gut für Überraschungen, denn oft sind Pflanzen und Tiere nicht das, für das man sie gemeinhin hält. Die Tomate zum Beispiel ist eher Obst als Gemüse. Erdnüsse sind keine Nüsse. Und Vögel sind Dinosaurier, ihre nächsten lebenden Verwandten sind die Krokodile. Jetzt stellt sich zudem heraus: Die Hummel ist ein Fisch.

Na ja, ganz so klar ist das mit Fisch und Hummel doch nicht, wie ein Rechtsstreit in Kalifornien zeigt. Dort möchte die zuständige Behörde Fish and Game Commission gemeinsam mit insektenfreundlichen Umweltgruppen die Hummel unter besonderen Tierschutz stellen, weil sie durch Klimawandel und Landwirtschaft als gefährdet gilt. Hier gibt es aber ein Problem: Das kalifornische Artenschutzgesetz gibt der Behörde zwar das Recht, Tiere zu schützen, aber eben nicht alle Tiere, sondern explizit nur "Vögel, Säugetiere, Fische, Amphibien, Reptilien und Pflanzen". Insekten sind nicht aufgezählt.

Ein Gericht hat sich nun aber darüber hinweggesetzt, was Menschen im Allgemeinen unter dem Begriff "Fisch" verstehen. Zuerst einmal stellten die Richter des Berufungsgerichts in Sacramento klar, dass sie durchaus zwischen Blubb und Brumm unterscheiden können. "Obwohl der Begriff 'Fisch' umgangssprachlich und allgemein als Bezeichnung für aquatische Arten verstanden wird", schrieben sie in ihrem aktuellen Urteil, sei der vom Gesetzgeber gemeinte Begriff nun einmal nicht so eingeschränkt. Es gehe eher darum, den Schutzzweck des Gesetzes zu erkennen, als um die Alltagssprache. Über Jahrzehnte hinweg sei die kalifornische juristische Definition von Fisch immer weiter ausgedehnt worden, der kalifornische Fisch- und Wildtiere-Kodex umfasse alle Weichtiere, Krebstiere, wirbellose Tiere oder Amphibien, egal wo sie leben. Schon 1980 durfte eine Landschnecke unter den Schutzschirm schwimmen. Auch die vier Hummelarten, um die es zunächst geht, dürfen nun also als "Fische" geschützt werden.

Kaliforniens gigantische Mandelindustrie existiert nur dank Hummeln und Bienen

Das Ganze ist von größter wirtschaftlicher Brisanz für den Bundesstaat, genauer gesagt: von landwirtschaftlicher Brisanz. Gegen den besonderen Artenschutz für die Hummel haben nun sieben Bauernverbände geklagt, darunter Kaliforniens Mandel-Allianz. Die Mandelbauern des Staates haben im vergangenen Jahr eine Rekordmenge von 1,4 Milliarden Kilo Mandeln gepflückt, gut 80 Prozent der weltweiten Mandelernte. Ein riesiges Geschäft. Dank Hummeln und Bienen.

Doch denen geht es zunehmend schlecht. Die Zahl von Hummeln und Bienen sinkt in Kalifornien so wie auch in vielen anderen US-Bundesstaaten und anderen Ländern. Um Bienenstöcke ist deswegen eine regelrechte Industrie gewachsen. Imker transportieren ihre Völker von einem Mandelhain zum nächsten, von einer Obstplantage zu anderen, wo sie gegen Geld bestäuben und dann im Lastwagen weiterreisen. Dieser gezielte Einsatz zur Bestäubung könnte für die Landwirte aber schwieriger werden, wenn die Insekten besser geschützt werden. Außerdem könnten gewisse Pestizide zum Schutz der Hummeln verboten werden, die für die Bauern wichtig sind.

Die Wirtschaftszeitung Wall Street Journal merkt an, dass es bei solchen Entscheidungen rund um die Natur des Tiers oft eher um das politisch Gewollte als um das biologisch Sinnvolle gehe. So habe der US-Kongress vor gut 20 Jahren bereits entschieden, dass der welsartige Catfish aus Vietnam kein welsartiger Catfish sei, weil die billigeren Importe des beliebten Speisefisches den heimischen Fischern nicht passten - obwohl es sich eindeutig um welsartigen Catfish handelte. Auch der Fall der Hummel sei eine politische Entscheidung, eine Fehlentscheidung, glauben die Bauern. Das erste angerufene Gericht gab ihnen noch recht, eine Hummel sei nun einmal kein Fisch. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf. Die Bauernverbände wollen nun prüfen, ob sie vor die nächste Instanz ziehen.

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