Hugo-Boss-Chef Lahrs:"Reinigen, bügeln, schön abdecken"

Hugo-Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs über das Geschäft mit der Mode, Finanzinvestoren - und wie Herren-Anzüge archiviert werden.

C. Busse u. D. Deckstein

SZ: Herr Lahrs, Sie tragen natürlich einen Boss-Anzug. Werden die Ihnen eigentlich als Dienstkleidung gestellt?

Hugo-Boss-Chef Lahrs, dpa

Hugo-Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs: "Der Designer muss - bei aller Wertschätzung seiner Arbeit - wissen, dass es den Kunden gibt, dass man ihn und seine Wünsche vor Augen haben muss."

(Foto: Foto: dpa)

Lahrs: Natürlich bezahlen wir im Vorstand alle Anzüge und Accessoires selbst. Wie alle anderen Mitarbeiter auch - ob Sportswear, Anzüge oder Schuhe, aber zu etwas günstigeren Konditionen als im freien Verkauf.

SZ: Wie viele Boss-Anzüge hängen in Ihrem Kleiderschrank?

Lahrs: Ich habe sie nicht gezählt, aber es sind über 40. Dazu passende Hemden, Krawatten, Schuhe . . .

SZ: Und Ihre Dior-Anzüge? Haben Sie die in die Altkleidersammlung gegeben?

Lahrs: Nein, nein, die sind alle archiviert.

SZ: Wie archiviert man denn Herren-Anzüge?

Lahrs: Reinigen, bügeln, schön abdecken und in einen Schrank hängen, wo sie als Erinnerungsstücke einen guten Platz finden.

SZ: Wie unterscheidet sich Hugo Boss von Dior - so wie die Champs Elysees in Paris von der Dieselstraße in Metzingen?

Lahrs: Nein. Beide Marken sind gar nicht zu vergleichen, sie haben sozusagen eine andere DNA. Dior stammt ursprünglich aus der Haute Couture für Damen und ist bei den Preisen in anderen Regionen angesiedelt. Die Wurzeln von Boss sind Herrenanzüge. Bei uns kommen heute immer noch 80 Prozent des Umsatzes aus dem Textilgeschäft, Boss ist Marktführer bei Herrenmode. Bei Dior ist es das Accessoiregeschäft mit Düften, Schmuck, Taschen und ähnlichem, das den Umsatz treibt.

SZ: Was haben Sie von Dior mitgebracht?

Lahrs: Eine der Erfahrungen, die ich bei Dior gemacht habe, ist: Der Designer muss - bei aller Wertschätzung seiner Arbeit - wissen, dass es den Kunden gibt, dass man ihn und seine Wünsche vor Augen haben muss.

SZ: Haben Sie als Vorstandsvorsitzender das letzte Wort, bevor neue Kollektionen in die Geschäfte kommen?

Lahrs: Ich schaue mir natürlich alles an, was die Designer entwickeln, aber die Entscheidung liegt immer bei den Kreativen.

SZ: Würden Sie Modelle stoppen, wenn Sie Ihnen gar nicht gefallen?

Lahrs: Nein, das würde ich nie machen. Aber wir prüfen dann natürlich genau die Verkaufs- und Orderergebnisse der jeweiligen Kollektionen. Da können wir sehen, was läuft und was nicht.

SZ: Was war der größte Flop bei Boss?

Lahrs: Einen echten Flop habe ich bei Hugo Boss noch nicht erlebt.

SZ: Griechenland-Bankrott, Bankenpleite, Wirtschaftskrise - welche Farbe trägt man als Manager in den heutigen Zeiten?

Lahrs: Das kommt ganz auf den Anlass an. Beim offiziellen Auftritt dominiert nach wie vor der dunkle Anzug, vielleicht kombiniert mit einer Krawatte, die farbig heraussticht.

SZ: Das ist ja schon lange so. Hat sich wirklich nichts am Kaufverhalten in der Krise geändert?

Lahrs: In Europa zum Beispiel geht der Trend hin zu mehr sportlicher und lässiger Mode. In den USA hingegen ist man noch sehr konventionell. Dort haben wir übrigens im Krisenjahr 2009 mehr Umsatz gemacht. Die Kunden dort wollen offenbar europäisches Design und europäische Qualität, aber zu noch erschwinglichen Preisen. Sie kaufen zurückhaltender die absoluten Luxusmarken.

SZ: Trotzdem: 2009 war Ihr erstes volles Geschäftsjahr, und Hugo Boss verzeichnete erstmals seit 15 Jahren einen Umsatzrückgang - kein guter Start.

Lahrs: Es stimmt, 2009 war eine Herausforderung. Aber wir haben dieses Jahr für die Neustrukturierung genutzt, um uns krisenfest zu machen. 2009 hat das Unternehmen stärker gemacht. Das ist für mich im Übrigen die beste Erfahrung seit August 2008, als ich Chef dieses Unternehmens wurde.

SZ: Auch im ersten Quartal 2010 gab es keine Erholung. Wie wird 2010?

Lahrs: Vom Sommer an wird es wieder aufwärts gehen. Dieses Jahr wird uns eine Umsatz- und Ergebnisverbesserung bringen. Wir sind optimistisch, es wird ein gutes Jahr für uns werden.

SZ: Gerade erst haben Sie große Ziele verkündet: Der Umsatz soll bis 2015 von heute 1,6 auf dann 2,5 Milliarden Euro steigen, der Gewinn noch deutlicher. Können Sie zaubern?

Lahrs: Nein, zaubern kann bei uns niemand, auch wenn wir es ab und zu versuchen. Vor allem unsere Designer, die wollen ja die Kunden verzaubern. Aber wir haben deutlich gesagt, wie wir diese Ziele erreichen wollen: Schnellere und kundennahe Kollektionswechsel, noch bessere Nutzung der Markenbekanntheit und mehr eigene Geschäfte. Außerdem setzen wir auf Auslandsmärkte, neben Europa vor allem USA und Asien. Davor aber steht harte Arbeit, keine Zauberei. Es gibt in der Modebranche nur wenige Marken, die so etwas schaffen können. Der Marke Hugo Boss trauen wir noch sehr viel zu.

SZ: Marktanteile sind oft schnell erobert, nicht selten aber auf Kosten der Profitabilität.

Lahrs: Wir halten uns an eine einfache kaufmännische Vorgabe, dass sich nämlich das Ergebnis immer besser entwickeln sollte als der Umsatz.

"Wir müssen einfach schneller werden"

SZ: Sie streben schnellere Kollektionswechsel im Jahr an - über die derzeit vier hinaus. Warum?

Lahrs: Wir wollen unsere Belieferung der Händler und unsere eigenen Shops stärker danach ausrichten, was der Konsument im Laufe der Saison gerade erwartet, welche Mode er will. Wir müssen einfach schneller werden.

SZ: Der Kunde und die Kundin müssen also nicht mehr im Juli oder August Winterpullover kaufen, und im Oktober hängt schon wieder die Frühjahrsmode auf den Kleiderständern?

Lahrs: Genau. Neben der Frühherbstkollektion finden Sie dann im Sommer genauso noch Bekleidung, die Sie in den warmen Monaten tragen können. Das heißt aber auch, dass wir unseren Kreativteams mehr Zeit lassen, um auch die letzten, aktuellen Modetrends mit in die neue Kollektion aufzunehmen.

SZ: Woher kommen die Ideen, wie viel liefern sogenannte Trendscouts, die in den Metropolen der Welt auf angesagten Partys die neuesten Hypes aufspüren?

Lahrs: Wir beschäftigen weltweit Trendscouts, je nach Region zwischen zehn und 20 befreundete Mitarbeiter des Hauses, die in regelmäßigem Kontakt mit unseren Designern stehen.

SZ: Sie wollen auch die Zahl der in Eigenregie geführten Boss-Läden ausbauen. Damit steigen doch die Kosten und das Risiko, gerade in Krisenzeiten?

Lahrs: Nein, wir machen genau die gegenteilige Erfahrung. Im Krisenjahr 2009 haben wir in denjenigen Regionen, in denen wir schon überdurchschnittlich viele eigene Geschäfte betreiben, vergleichsweise wenig vom Abschwung gespürt. Der Handel orderte extrem vorsichtig, wir haben in unseren eigenen Geschäften aber gesehen, dass es schon wieder aufwärts geht und konnten rechtzeitig reagieren. Nirgends spüren wir den Markt so nah wie an der eigenen Kasse in unseren Geschäften.

SZ: Ihr Vorgänger Bruno Sälzer ist im Streit mit dem Boss-Mehrheitseigentümer, dem Finanzinvestor Permira, gegangen. Haben Sie Kontakt zu ihm?

Lahrs: Wir sehen uns bei der einen oder anderen Veranstaltung.

SZ: Wie stark mischt sich der Finanzinvestor in das operative Geschäft ein?

Lahrs: Permira ist Mehrheitsaktionär und damit natürlich wie alle Aktionäre sehr daran interessiert, wie wir hier arbeiten und Strategien umsetzen. Unsere Entscheidungen wurden und werden jedoch im Vorstand beschlossen und soweit notwendig auch im Aufsichtsrat.

SZ: Sie haben gerade auch ein Lob von Permira bekommen. Wie oft haben Sie Kontakt zu Permira?

Lahrs: Je nach Bedarf. Wenn Permira anruft, legen wir nicht auf. Nein, Spaß beiseite: Unser Verhältnis zu Permira ist sehr gut.

SZ: Passen Mode und Finanzinvestoren überhaupt zusammen?

Lahrs: Ein Finanzinvestor ist in der Regel an langfristigen Wertsteigerungen interessiert, die Hugo Boss zu bieten hat. Er hat also den langen Atem, um über Konjunkturzyklen hinweg Strategien umzusetzen und Geschäftspotentiale auszuschöpfen. Das kommt uns als Hugo Boss AG sehr entgegen.

SZ: Aber Modeleute sind ausgeflippt und kreativ, Finanzinvestoren nur an Zahlen interessiert.

Lahrs: Sie denken in Klischees. Kreativität auf der einen Seite und kommerzieller Erfolg auf der anderen Seite widersprechen sich überhaupt nicht - im Gegenteil: Das geht Hand in Hand.

SZ: Wann wird Permira denn aussteigen?

Lahrs: Da sollten Sie den Investor fragen. Aber Permira hat gerade noch einmal öffentlich sein starkes und langfristiges Engagement für Hugo Boss betont. Im vergangenen Jahr hat Permira zudem sein finanzielles Engagement erhöht. Das ist für mein Empfinden die nachhaltigste Bestätigung dafür, dass Permira kein kurzfristiges Verkaufsinteresse hegt. Für Hugo Boss ändert sich nichts.

SZ: Bisher war Boss aber kein gutes Geschäft für Permira: Der Konzern ist heute an der Börse rund 1,1 Milliarden Euro wert, deutlich weniger als Permira einst zahlte.

Lahrs: Das gilt für jedermann, der in der Boomphase Aktionär wurde. Aber seit dem Tief Anfang 2009 hat sich der Aktienkurs nahezu verdreifacht. Ich bin nicht im Prognosegeschäft für Aktien. Aber es würde mich schon wundern, wenn der Aktienmarkt unsere Wachstumsstrategie nicht auch in Zukunft honorieren würde.

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