Europäische Union:Grußonkel statt Vorkämpfer

Europäische Union: Vazil Hudák soll in der EU-Kommission den Mittelstand vertreten.

Vazil Hudák soll in der EU-Kommission den Mittelstand vertreten.

(Foto: Katerina Sulova/AP)

Die EU-Kommission ernennt einen Mittelstandsbeauftragten. Doch der Posten ist nicht vergütet und nicht Vollzeit. Wirtschaftspolitiker sind entsetzt.

Von Björn Finke, Brüssel

Vazil Hudák versichert bei der Pressekonferenz gleich mehrfach, dass er seine Berufung auf den Posten als "große Ehre" empfinde. Er habe sich schon mit den "diversen Erfordernissen und Herausforderungen" beschäftigt, sagt der Slowake. Hudák soll Mittelstandsbeauftragter der EU-Kommission werden - das teilte die Brüsseler Behörde Anfang Mai mit. Die Pressekonferenz mit den vielen Ehrerbietungen fand aber nicht in Brüssel, sondern gut 3000 Kilometer entfernt in der georgischen Hauptstadt Tiflis statt: Der Premierminister des Landes ernannte Hudák dort am Montag zu seinem Sonderberater für das Anwerben ausländischer Investitionen.

Dies bedeutet, dass das neue Amt des Mittelstandsbeauftragten bei der EU-Kommission offenbar nur eine Teilzeitbeschäftigung ist. Behördenchefin Ursula von der Leyen gelobte bereits 2019, den Posten eines sogenannten SME Envoys zu schaffen. Dieser Botschafter für die Belange kleiner und mittelgroßer Unternehmen soll in der Kommission für eine mittelstandsfreundliche Politik kämpfen - allerdings in Teilzeit, wie sich nun erweist. Zudem erhält Hudák nach Informationen von Europaabgeordneten für seine Aufgabe kein Gehalt. Wirtschaftspolitiker im EU-Parlament sind daher erbost: "Dass der Beauftragte in Teilzeit und ohne entsprechende Vergütung eingestellt werden soll, kann als offener Affront gegenüber den 25 Millionen kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Europa gesehen werden", sagt Markus Pieper, der Sprecher des Mittelstands-Arbeitskreises der Europaabgeordneten von CDU/CSU.

Die Kommission bürde den Mittelständlern ständig neue Bürokratie auf und betraue jetzt bloß "einen Grußonkel" damit, intern die Interessen der Firmen zu vertreten, klagt Pieper. Der CDU-Abgeordnete fordert zudem, den neuen Posten direkt bei Kommissionspräsidentin von der Leyen anzusiedeln. Bislang ist offenbar geplant, dass Hudák bei Vizepräsidenten und Kommissaren mit Wirtschaftsbezug angedockt wird - "das wird der Wichtigkeit des Mittelstands nicht gerecht", sagt Pieper.

Er ist Banker, kein Mittelständler

Hudáks Werdegang provoziert ebenfalls Stirnrunzeln: Der 56-Jährige hat bei Citigroup und JPMorgan Chase Bank gearbeitet, war Wirtschaftsminister und von 2016 bis 2019 Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank EIB, des EU-Förderinstituts. Manager im Mittelstand war er freilich nicht. Bei der Pressekonferenz in Tiflis wies Hudák auf seinen Kommissions-Posten hin. Der enge Draht in die Behörde und zu seinem Ex-Arbeitgeber EIB dürfte ihm bei seiner Aufgabe in Georgien nützen. Nach Auskunft der Regierung soll Hudák beim Anwerben von Investoren auch mit EIB und EU kooperieren.

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