Es ist eine große Operation an einem laufenden System: Huawei und ZTE, chinesische Anbieter von Mobilfunktechnologie, sollen aus dem deutschen 5G-Handynetz verschwinden. So soll verhindert werden, dass die chinesische Regierung über die Technik der beiden Firmen in Deutschland spionieren oder gar die Netze ausknipsen kann. Denn Chinas Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, eng mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Nun hat die Politik in Berlin einen Deal mit den deutschen Mobilfunkanbietern vereinbart. Ähnlich wie beim russischen Gas sollen auch in der Telekommunikation einseitige Abhängigkeiten von autokratischen Mächten vermieden werden.
Was wurde vereinbart?
Huawei und ZTE müssen bis Ende 2026 raus aus dem deutschen 5G-Kernnetz, inklusive der zentralen 5G-Rechenzentren für die Datenübertragung. Anderes gilt in der Peripherie des Systems: Bei den Zugangs- und Transportnetzen, – dazu gehören etwa Funkmasten -, sollen die kritischen Systeme von Huawei und ZTE bis 2029 ausgebaut werden. Dafür werden nun öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Regierung und den drei Mobilfunkbetreibern Telekom, Vodafone und Telefónica geschlossen. Sie sollen Klarheit für die Anbieter und die Regierung schaffen. SZ, WDR und NDR hatten zuerst über den Deal berichtet.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, mit den Verträgen mit den Mobilfunkbetreibern seien die Prüfverfahren ihres Ministeriums abgeschlossen. Dabei sei es dem Ministerium darum gegangen, „ob und inwieweit die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch den Einsatz bestimmter kritischer Komponenten der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE in den öffentlichen 5G-Mobilfunknetzen voraussichtlich beeinträchtigt wird“.
Welche Anbieter verwenden noch welche Komponenten von Huawei und ZTE?
Die Details des Vertrages sind nicht öffentlich. Klar ist: Allgegenwärtig ist Technik von Huawei und ZTE in deutschen Netzen nicht. Lediglich Telefónica hat sie überhaupt noch im Kernnetz verbaut. "Es handelt sich nur noch um einen sehr geringen Anteil an Huawei-Komponenten im Kernnetz", sagte ein Unternehmenssprecher. Das Unternehmen betreibt in Deutschland die Marke O2.
Die Telekom und Vodafone verwenden Huawei-Komponenten noch außerhalb ihres Kernnetzes. Ein Telekom-Sprecher sagte, die Teile seien „vor allem im Antennenzugangsnetz“ im Einsatz. Man werde nun die entsprechende „Software für die Steuerung und Konfiguration des Transport- und Antennennetzes“ aus dem System herauslösen. Das sei ein komplexer Prozess, ebenso wie der Bau des dann benötigten Ersatzes: „Ein solches Produkt ist derzeit auf dem gesamten Weltmarkt nicht verfügbar. Die Telekom befasst sich aber bereits selbst mit der Entwicklung entsprechender Software.“
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Der Sprecher erklärte weiter: „Im Kernnetz setzt die Deutsche Telekom keine chinesischen Hersteller ein. Huawei haben wir herausgenommen. ZTE haben wir generell nicht für das Kernnetz oder andere Netzbereiche genutzt. Im Kernnetz sind unsere Hauptpartner Ericsson und Mavenir.“ Der Infrastruktur-Anbieter Ericsson sitzt in Schweden, das spezialisierte Software-Unternehmen Mavenir in den USA – also in zwei verbündeten Staaten.
Am einfachsten ist es für 1&1, das keinen Vertrag mit der Regierung abschließen wird. Der kleinste Anbieter hat ohnehin erst 2019 Mobilfunklizenzen ersteigert und sein 5G-Netz erst Ende 2023 in Betrieb genommen. Dementsprechend gibt es nach Unternehmensangaben keine Altlasten aus den Zeiten vor dem strengen Vorgehen westlicher Staaten gegen Huawei. Aus dem Unternehmen heißt es, schon bei Beginn der Planungen 2019 sei „der Einsatz chinesischer Hersteller nicht mehr opportun“ gewesen. „Im 1&1-5G Netz verzichten wir von Beginn an auf Komponenten chinesischer Ausrüster.“ Im 5G-Netz von 1&1 seien rund 100 Partner und Dienstleister dabei. „Rund 50 Prozent davon kommen aus Deutschland, insgesamt rund 60 Prozent stammen aus Europa.“
Die Anbieter setzen in der Post-Huawei-Ära auch auf ein Konzept namens Open RAN (Radio Access Network), also auf offene Standards im Funkzugangsnetz. Er erleichtert die Kombination von Komponenten verschiedener Hersteller. Das soll Abhängigkeiten von Herstellern weiter reduzieren, die Anbieter in ihren geschlossenen Systemen, die mit anderen Anbietern inkompatibel sind, praktisch „gefangen“ halten.
Was bedeuten die Ausbauten für Anbieter und Handykunden?
Durch die Verträge zwischen Regierung und Anbietern werden die Unternehmen nun vermutlich nicht klagen und Schadenersatz fordern. Sie tragen die Kosten allein.
Bundesinnenministerin Faeser betont, der Regierung sei die Versorgungssicherheit sehr wichtig gewesen. Bürgerinnen und Bürger sollten wegen des Ausbaus der Komponenten nicht auf ein stabiles Netz verzichten müssen. Und die Telekom verspricht: „Unsere Kundinnen und Kunden sollen bei der Nutzung unseres Mobilfunknetzes von diesem Ersatz möglichst wenig mitbekommen.“