Huawei:Umzingelt

Inside Huawei, China's Tech Giant

Huawei-Produktion in Dongguan nahe Shenzhen, China.

(Foto: Kevin Frayer/Getty Images)

Der Konzern ist der zweitgrößte Handyhersteller der Welt. Nun hat die US-Regierung einen Bann über die Chinesen verhängt. Was Donald Trump antreibt - und was Handynutzer wissen müssen.

Von Christoph Giesen, Simon Hurtz und Georg Mascolo

Mit schlechten Nachrichten hat man beim chinesischen Netzwerkausrüster Huawei zuletzt umgehen gelernt - schließlich vergeht kaum eine Woche, in der das Unternehmen nicht wegen irgendeines Skandals, einer Volte oder einer Äußerung in den Zeitungen steht. Doch was dieser Tage über den Konzern hereinbricht, sprengt alle Dimensionen. Etliche Partner haben angekündigt, Huawei nicht mehr zu beliefern. Google zum Beispiel hat die Lizenz für das Smartphone-Betriebssystem Android entzogen und fast alle Geschäftsbeziehungen eingestellt. Der zweitgrößte Handy-Hersteller der Welt verliert damit den Zugriff auf wichtige Teile der größten Mobil-Software. Dahinter steht aber mehr als eine rein wirtschaftliche Auseinandersetzung. Huawei ist ins Zentrum des amerikanisch-chinesischen Konflikts um die technologische Vorherrschaft geraten. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Worum geht es in diesem Konflikt?

Seit dem Frühjahr 2017 liegen die Regierungen der USA und Chinas im Streit miteinander und überziehen sich gegenseitig mit Strafzöllen. US-Präsident Donald Trump stören zwei Dinge: Zum einen empfindet er es als unfair und als Schmach, dass China pro Jahr deutlich mehr Waren in die Vereinigten Staaten liefert als US-Firmen in die Volksrepublik exportieren. Zum anderen fordern die USA einen besseren Marktzugang sowie mehr Schutz vor Produktpiraterie, Industriespionage und zwangsweisem Technologietransfer für in China tätige ausländische Unternehmen.

Seit dem vergangenen Sommer ist noch ein dritter Konfliktherd dazu gekommen: Die USA warnen ihre Verbündeten davor, beim Netzausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G Technik aus China zu verwenden - gemeint ist Huawei. Das Unternehmen ist Marktführer und liegt technisch vorn. Die Amerikaner befürchten, Huawei könne aufgrund der heimischen Gesetzgebung gezwungen sein, der Regierung in Peking Einblick in Kundendaten zu gewähren. Auch Sabotage, etwa das mutwillige Abschalten von Teilen der digitalen Infrastruktur, schließt Washington nicht aus. Huawei bestreitet die Anschuldigungen.

Monatelang haben amerikanische Diplomaten und hochrangige Geheimdienstler in Dutzenden Hauptstädten vorgesprochen, mit mäßigem Erfolg: Nur einzelne Staaten wie Australien oder Neuseeland sind bereit, Huawei auszuschließen. In Europa dagegen werden die Warnungen der US-Regierung weitgehend ignoriert, Deutschland, Frankreich und sogar das sonst so treue Großbritannien signalisieren, Huawei mitbauen zu lassen. Nun hat Trump, wie es seine Art ist, den Einsatz noch einmal erhöht.

Was genau hat Trump getan?

In der vergangenen Woche unterzeichnete der US-Präsident ein Dekret, das es den amerikanischen Behörden erlaubt, gegen ausländische Telekomunternehmen vorzugehen. Bestimmte Länder oder Firmen werden nicht explizit erwähnt - dennoch ist es eine "Lex Huawei": Der Konzern und etliche Tochterfirmen wurden auf eine Liste gesetzt, die sie verpflichtet, vor dem Kauf von amerikanischer Technologie eine Genehmigung der US-Regierung einzuholen. Was genau das bedeutet, sollte eigentlich das Handelsministerium in Washington innerhalb einer Frist von 150 Tagen ausarbeiten. Doch viele Zulieferer wollten offenbar auf Nummer sicher gehen und haben sich entschieden, bereits jetzt die Geschäfte mit Huawei zu beenden.

Google beispielsweise reagierte am Sonntag und liefert seitdem keine Hard- und keine Software mehr. Die Halbleiterhersteller Intel, Qualcomm und Broadcom haben sich dem angeschlossen, zum Teil auch der deutsche Chiphersteller Infineon. Alle in den USA gefertigten Produkte von Infineon werden nicht mehr an Huawei geliefert. "Aufgrund der Bestimmung treten Compliance-Maßnahmen in Kraft, nach denen Infineon die Lieferung von Waren mit Ursprungsland USA beenden muss", sagte ein Sprecher.

Wie wirkt sich der Google-Bann aus?

Android-Smartphones lassen sich zwar unabhängig von Google betreiben, das ist allerdings mit zahlreichen Einschränkungen verbunden. Beispielsweise müssen Nutzer auf Google-Apps wie Gmail, den Chrome-Browser und den Kartendienst Google Maps verzichten. Noch schwerer wiegt der Verlust des Play Store: Die Plattform ist die mit großem Abstand wichtigste Bezugsquelle für Apps. Google und Huawei haben versichert, dass alle ausgelieferten Geräte voll funktionstüchtig bleiben. Die Einschränkungen gelten nicht rückwirkend, Nutzer können nach wie vor auf Google-Apps und Google-Dienste zugreifen. Allerdings: Neue Android-Versionen kann Huawei nicht mehr anbieten. Das gilt auch für bereits verkaufte Smartphones.

Haben Käufer von Huawei-Geräten ein Rückgaberecht?

Das ist unwahrscheinlich. "Huawei wird weiterhin Sicherheitsupdates und Services für alle bestehenden Huawei und Honor Smartphones sowie Tablets zur Verfügung stellen", teilte das Unternehmen mit. Damit würde Huawei seine Update-Versprechen einhalten. Solange sich in Huawei-Geräten keine Sicherheitslücken auftun und alle Funktionen erhalten bleiben, besteht kein Anspruch auf Ersatz oder Entschädigung.

Was bedeutet das für Huawei?

Die Nachricht trifft die Chinesen hart. Im ersten Quartal 2019 hat das Unternehmen fast 60 Millionen Smartphones verkauft und war dabei, Samsung als wichtigsten Handyhersteller abzulösen. Für chinesische Nutzer ändert sich wenig, in der Volksrepublik kommen aufgrund der Zensur ohnehin keine Google-Dienste zum Einsatz. In fast allen anderen Ländern jedoch dürften sich Huawei-Geräte deutlich schlechter verkaufen - sofern sie überhaupt noch produziert werden können, denn ohne Chips von Intel und Qualcomm fehlen Huawei wichtige Teile, die der Konzern kurzfristig nicht selbst herstellen kann. Das könnte die Produktion einschränken oder unmöglich machen. Der Agentur Bloomberg zufolge hat sich Huawei seit Mitte 2018 auf ein solches Szenario vorbereitet. Demnach besitze das Unternehmen ausreichend Prozessoren und Einzelteile, um drei Monate lang weiter liefern zu können.

Welche Auswirkungen hat das für Google? Google ist weitaus weniger abhängig von Huawei, als es andersherum der Fall ist. Aus Googles Stellungnahme lässt sich jedoch auch herauslesen, dass es keine Entscheidung war, die das Unternehmen freiwillig oder aus Überzeugung getroffen hat. Gleich zweimal verweist der Konzern in einer Mitteilung auf Twitter auf die Vorgaben der US-Regierung, denen man sich habe beugen müssen. Huawei sei für Google ein wichtiger Partner: Hunderte Millionen Menschen besäßen Huawei-Geräte und nutzten damit Google-Dienste.

Ist auch der 5G-Ausbau von Trumps Dekret betroffen?

Um 5G-Basisstationen auszurüsten, ist Huawei auf Zulieferungen aus den Vereinigten Staaten angewiesen. Es werden sogenannte Hochfrequenzchips benötigt, den Weltmarkt dafür beherrschen im Wesentlichen drei Firmen: Wolfspeed und Qorvo aus den USA sowie der niederländische Konzern NXP, der an der New Yorker Börse gelistet ist und sich dem Dekret ebenfalls unterwerfen muss.

Gibt einen neuen Kalten Krieg?

In Europa sind die Hoffnungen groß, dass es dazu nicht kommt. In Berliner Regierungskreisen wird stets die Frage gestellt, wie ein solcher Konflikt überhaupt aussehen soll: Die USA und China sind gerade bei der Herstellung von Kommunikationstechnologie eng verbunden. China benötigt Chips, Software und Betriebssysteme aus den Vereinigten Staaten für Handys und Computer, die in alle Welt verkauft werden. Die USA wiederum lassen in China produzieren. In heutigen Zahlen, so rechnete das Wirtschaftsmagazin Economist vor, betrug das jährliche Handelsvolumen zwischen der Sowjetunion und den USA in den späten Achtzigerjahren zwei Milliarden Dollar. Heute sind es zwischen China und den USA zwei Milliarden Dollar - am Tag. Allein Huawei gibt jährlich 70 Milliarden Dollar für den Kauf von Komponenten aus, elf Milliarden davon in den USA.

Was treibt die US-Regierung an?

Präsident Trump scheint entschlossen, eine Art technologischer Berliner Mauer zu errichten. Viel zu lange seien frühere Regierungen dieser Bedrohung nicht entschlossen genug entgegen getreten, glaubt er. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erklärte schließlich schon vor sechs Jahren, China müsse die "Kommandohöhen im Internet" erobern. Nun versucht Trump es mit der Methode Trump: Druck, Sanktion, Konflikt, bis die andere Seite einlenkt - oder auch die eigenen Unternehmen.

Seit vergangenem Oktober hat sich Dan Coats, der ehemalige US-Botschafter in Berlin und heutige Direktor der nationalen Nachrichtendienste, mehrfach mit führenden Managern von Technologiefirmen getroffen; mal im Silicon Valley, mal in Washington. Bei diesen Zusammenkünften bekamen die Führungskräfte Geheimdienstdossiers zu lesen. Stets warnte Coats die Konzerne davor, dass China ihre Geheimnisse stehle. Die Volksrepublik, das ist neue Auffassung in den USA, ist nicht nur ein technologischer Rivale, sondern auch ein ideologischer und ein militärischer. Washington scheint entschlossen mit großem Einsatz zu spielen, um zumindest den technologischen Fortschritt zu verlangsamen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: