Was macht ein chinesischer Handyhersteller, der von der US-Regierung wegen Sicherheitsbedenken und Spionagevorwürfen auf eine schwarze Liste gesetzt wurde, und der mit seinem wichtigsten Software-Zulieferer, also Google, keine Geschäfte mehr machen darf? Er tut so, als gäbe es kein Problem.
Huawei hat am Donnerstag in München zwei neue Handys vorgestellt, das Mate 30 und das Mate 30 Pro; und vor hunderten europäischen Journalisten nur wenige Worte zu Google, Donald Trump und dessen folgenschwerem Handelsembargo verloren. Auch was die Verfügbarkeit außerhalb Chinas angeht machte der Chef des Huawei-Verbrauchergeschäfts, Richard Yu, erstmal keine Angaben.
Das Hauptaugenmerk lag während der Präsentation wie üblich darauf, die Überlegenheit der neuen Huawei-Spitzenmodelle gegenüber den Top-Produkten von Apple oder Samsung zu betonen. Bei der Geschwindigkeit des 5G-Datenfunks, der Batterieleistung und selbstverständlich auch der Kamera. Als Yu die Lichtstärke der eigenen 4-fach-Kamera zeigte (Apples neuestes Modell wartet mit "nur" drei Linsen auf), war auf der Bühne das Nachtbild einer Berglandschaft zu sehen. Das Vergleichsbild - laut Huawei geschossen mit einem Samsung Galaxy Note 10 - zeigte lediglich ein schwarzes Viereck. Die Kernbotschaft: Ein Leben ohne Googles Apps ist auch im Foto-Bereich möglich.
Wer kauft ein Android-Handy ohne Googles Apps?
Huawei muss darauf hoffen, dass potentielle Kunden das genauso sehen werden. Die praktischen Apps des US-Konzerns wie Gmail, Maps, Drive sowie der Playstore werden sich auf den neuen Huawei-Modellen nicht ohne weiteres installieren lassen. Das Mate 30 und das Mate 30 Pro laufen auf einer kostenlosen Open-Source-Version von Android. Huawei benötigt dafür keine Lizenz von Google und nennt seine Version EMUI10. Als Huawei-eigene Alternative zum Playstore präsentierte Huawei-Manager Yu die "App Gallery". Der Konzern will dafür nun schnell App-Entwickler gewinnen und investiert eine Milliarde Dollar, um das eigene App-Ökosystem anzukurbeln.
Die neuen Huawei-Handys bieten einige interessante Features. So soll die Gesichtserkennung vertrauliche Benachrichtigungen nur dann einblenden, wenn der autorisierte Nutzer direkt darauf blickt. Taucht eine andere Person im Blickfeld des Telefons auf, werden die Informationen wieder versteckt. Außerdem soll die Kamera die Bildschirmorientierung automatisch der Position des Gesichts des Betrachters anpassen - nervtötende spontane Wechsel von hochkant auf quer sollen der Vergangenheit angehören.
Verbaut sind in den Mate-Handys die neuen Kirin-990-5G-Prozessoren der Huawei-Tochter HiSilicon. Die Akkus des Mate 30 sollen schnell befüllt werden können: Das Ladegerät mit Kabel hat eine Leistung von 40 Watt, das drahtlose Modell dafür ungewöhnlich hohe 27 Watt. Für schnellen Datenfluss sollen 21 Antennen, darunter 14 5G-Antennen sorgen.
"Experiment" für Huawei
Das alles hat seinen Preis: Die 5G-Version des Mate 30 soll 1199 Euro kosten. Der Preis des Basismodells wurde auf 799 Euro angesetzt, beim Mate 30 Pro sind es 1099 Euro. Die neuen Handys wird es in sechs Farben geben, in Schwarz, Silber, Lila, Smaragdgrün sowie eine Version in veganem Leder in Orange und Dunkelgrün.
Ob Nutzer in Europa Interesse an dem Gerät zeigen werden, ist trotz der angekündigten Innovationen fraglich. Aktuelle Android-Apps können theoretisch zwar auch auf dem Huawei-Android installiert werden, das ist allerdings deutlich komplizierter, als es Nutzer gewohnt sind. Bis der Huawei-App-Store sich füllt, dürfte einige Zeit vergehen, und er dürfte wohl lange nicht mit dem Google-Playstore vergleichbar sein. Auf der IFA Anfang September in Berlin hatte Yu übrigens eingeräumt, dass die Kunden für manuelle App-Installationen vielleicht zu faul sein könnten.