Huawei galt lange als der erfolgreichste chinesische Smartphone-Hersteller. Mit sehr gut ausgestatteten Handys zu vergleichsweise günstigen Preisen gelang es Huawei Jahr um Jahr, mehr Marktanteile zu erobern: von sieben Prozent im Jahr 2017 bis 20 Prozent zur Mitte des Jahres 2020 - bis man im Verkaufsranking nur noch Samsung und Apple vor sich hatte. Noch im Sommer 2018 hatte das Unternehmen das ehrgeizige Ziel ausgeben, im Jahr 2021 Samsung von Platz Eins zu verdrängen. Doch davon kann keine Rede mehr sein, mittlerweile hat der chinesische Konkurrent Xiaomi den Rivalen Huawei überflügelt und Rang drei auf der Verkaufsrangliste eingenommen. Der Smartphone-Höhenflug von Huawei ist gestoppt.
Das hat vor allem einen Grund: 2019 wurde das Unternehmen von der US-Regierung wegen Sicherheitsbedenken und Spionagevorwürfen auf eine schwarze Liste gesetzt. Seitdem darf es mit seinem wichtigsten Software-Zulieferer, also Google, keine Geschäfte mehr machen. Und das hat massive Auswirkungen. Zwar darf Huawei nach wie vor ein Open-Source-Android für seine neuen Smartphones nutzen, allerdings sind Google-Dienste wie Google Maps, die Google-Suche, Gmail, Youtube und vor allem der wichtige Play Store mit seinen vielen Apps nicht mehr auf Huawei-Geräten erlaubt.
Hatte Huawei nach dem Embargo zunächst versucht, mit Eigenentwicklungen wie einem eigenen Betriebssystem namens HarmonyOS Googles Android zu ersetzen, wird diese Strategie zur Zeit nur auf dem chinesischen Markt verfolgt. Für Europa ist davon nur der eigene App-Store, die sogenannte AppGallery, übrig geblieben. Darin gibt es zwar mittlerweile einige, auch populäre Apps wie Tiktok, Tinder und Telegram oder die ZDF-Mediathek und die Lidl-Prospekt-App, aber natürlich nichts von Google.
Ein "modischer Begleiter" für die junge Zielgruppe
Nachdem es in den vergangenen Monaten keine Handy-Neuheiten von Huawei auf dem europäischen Markt und es vor allem Updates für ältere Modelle gab, die noch mit Google-Diensten ausgeliefert werden durften, möchte Huawei mit dem jetzt vorgestellten Nova 9 an alte Erfolge anknüpfen. Das knapp 500 Euro teure Handy soll vor allem eine junge Zielgruppe ansprechen, als ein "modischer Begleiter". Auf die Optik wurde somit viel Wert gelegt, es gibt ein Curved-Display mit OLED-Technologie und die Rückseite des 6,57-Zoll-Gerätes ist aus Aluminium und auch mit einem Glitzereffekt zu haben. Hervorgehoben wird bei dem Mittelklasse-Handy vor allem die Vierfachkamera, die aus einer 50-Megapixel-Hauptkamera, einer Megapixel-Ultraweitwinkelkamera mit acht Megapixeln sowie einer Makrokamera und einer Tiefenkamera mit zwei jeweils Megapixeln besteht.
Die Oberfläche des Nova 9 nennt sich Emui 12, sie basiert auf Android 11, aber wer alle Google-Funktionen mit Android gewohnt ist, wird sich mit den fehlenden Apps schwer tun, genauso wie den Huawei-Ersatz-Apps "Petal Search" für die Suche und "Petal Maps" für die Kartennavigation.
Im Handy steckt ein leistungsfähiger Chip von Qualcomm. Allerdings hat der einen entscheidenden Nachteil, der auch eine Folge der US-Handelsrestriktionen ist. Der Chip mit dem Namen Snapdragon 778G 4G kann, wie der Name schon vermuten lässt, nicht den neuen Mobilfunkstandard 5G. Und das dürfte, auch wenn 5G noch nicht überall flächendeckend vorhanden ist, eher kein zusätzliches Verkaufsargument für das Nova 9 sein.
Neben dem Nova 9 hat Huawei noch das günstigere und weniger leistungsstarke Nova 8i für knapp 350 Euro vorgestellt sowie eine neue Smartwatch und einen Fitnesstracker. Die Watch GT3 mit rundem Display gibt es in zwei Größen, in 42 und 46 Millimetern. Neben Messgenauigkeit und langer Akkulaufzeit hebt Huawei bei der Smartwatch ebenfalls vor allem die Optik hervor: Man habe tausend Möglichkeiten, um sich die passende Version fürs Outfit zusammenzustellen. Je nach Größe und Armand (Plastik, Leder, Stahl, Gold) kostet die Smartwatch zwischen knapp 230 und 330 Euro. Die Watch Fit Mini ist der neue Fitnesstracker mit einem kleinen rechteckigen 1,47-Zoll-Display für knapp 100 Euro.
War es bei Smartphones und Gadgets in den vergangenen Monat bei Huawei eher ruhig, gab es in einem anderen Hardware-Bereich durchaus Neuvorstellungen. So wurden in diesem Jahr bereits verschiedene Laptops der Mate-Reihe präsentiert. Hierbei hat der Handelskrieg der USA mit China bislang keine nachteiligen Folgen für das Unternehmen. Auf den Rechnern läuft Windows von Microsoft - sowohl die bisherige Version mit der Nummer 10 als auch beispielsweise auf dem Matebook 14s das neue Windows 11. Und auch die wichtigsten Chips der Rechner stammen von US-Unternehmen wie Intel.