Fast sieben Jahre ist es her, da veröffentlichte der US-Kongress sein erstes Verdikt zu Huawei. Eine Geheim-GmbH sei dieser Netzwerkausrüster aus China, eine intransparente Firma mit gutem Draht zur Volksbefreiungsarmee. Vorsicht sei deshalb geboten, lautete der Ratschlag 2012 aus Washington. Jahrelang hielt Huawei sich zurück, steckte die Kritik weg und wurde ein Konzern mit Milliardenumsatz. In vielen Ländern ist Huawei sogar zum Marktführer aufgestiegen. Der Konzern ist inzwischen technisch führend bei 5G, dem Mobilfunkstandard der Zukunft. Doch es ist möglich, dass die Technik in Europa und den USA niemals verbaut wird.
Aus der stillen, geheimnisvoll agierenden Firma ist in den vergangenen Tagen deshalb ein laut brüllender Konzern geworden. Der vorläufige Höhepunkt: Eine Klage gegen die US-Regierung vor einem Bezirksgericht in Texas. Damit richtet Huawei sich in erster Linie gegen ein Verbot, das Behörden in den USA den Kauf und Einsatz von Huawei-Technologie und Dienstleistungen untersagt. Ein entsprechendes Gesetz, das US-Präsident Donald Trump vergangenes Jahr unterzeichnet hatte, sei "nicht nur rechtswidrig, sondern hindert Huawei auch daran, sich fair am Wettbewerb zu beteiligten", sagte der amtierende Aufsichtsratschef Guo Ping, am Donnerstag am Firmensitz im südchinesischen Shenzhen.
Dort residiert der Konzern auf einem weitläufigen Campus am Stadtrand. Das Gelände wird von einem schwarzen Eisenzaun und an anderen Stellen von einer grauen Steinmauer abgeschirmt. Öffnet sich die Schranke, wartet eine schwarze Maybach-Limousine und fährt zum Besucherzentrum. Die Fahrt geht durch gepflegte hügelige Grünanlagen mit gestutzten Hecken und angelegten Teichen. Das Besucherzentrum ist ein Palast, dessen Portal mit acht weißen Säulen versehen ist. Der Boden ist aus Marmor, an der Decke hängen prächtige Kristallleuchter.
Am Donnerstag bekamen das jedoch nur einzelne Journalisten zu sehen. Für den Rest gab es einen Livestream via Twitter, Facebook und Youtube - Dienste, die allesamt in China gesperrt sind. Knapp 38 Minuten sprachen der Aufsichtsratschef, der Justiziar, ein Rechtsanwalt und der Sicherheitsbeauftragte des Konzerns. Danach sollten die Journalisten für 20 Minuten Fragen stellen dürfen. Was genau gefragt wurde, bekam man vor dem Computerschirm nicht mehr mit, der Livestream brach abrupt ab.
Dabei hatte Huawei in den vergangenen Tagen für Offenheit geworben. Ende vergangener Woche erschienen in mehreren amerikanischen Tageszeitungen ganzseitige Anzeigen. In den vergangenen Jahren habe es in der US-Regierung einige Missverständnisse zu Huawei gegeben. US-Journalisten seien daher eingeladen, nach Shenzhen zu reisen, Huawei sei ein Unternehmen, dessen Türen immer offen stünden. Dazu die E-Mail-Adresse der Kommunikationsabteilung.
"Der US-Kongress hat es wiederholt versäumt, Beweise vorzulegen, die Beschränkungen für Huawei-Produkte rechtfertigen würden", sagte Guo Ping am Donnerstag. "Wir sind gezwungen, diese rechtlichen Maßnahmen als angemessenes und letztes Mittel zu ergreifen." Laut Huawei ist US-Behörden nicht nur der Einsatz der chinesischen Technologie verboten. Ihnen sei es auch untersagt, Verträge mit Dritten zu schließen, die Huawei-Produkte erwerben. Das Vorgehen verstoße gegen die US-Verfassung. Konkret geht der Konzern gegen Abschnitt 899 des National Defense Authorization Act (NDAA) vor. "Das Gesetz basiere auf zahlreichen falschen, unbewiesenen und ungeprüften Aussagen", sagte Huaweis Chefjurist Song Liuping.
Die neue Rhetorik hatte Chefaufseher Guo zum ersten Mal vergangene Woche in Barcelona ausprobiert, beim Mobile World Congress, der wichtigsten Messe der Branche: "Prism, Prism an der Wand. Wer ist der vertrauenswürdigste im ganzen Land?", fragte er und schob hinterher: "Das ist eine wichtige Frage. Und wenn Sie diese Frage nicht verstehen, fragen Sie Edward Snowden." Prism ist der Name eines jener Abhörprogramme des amerikanischen Geheimdienstes NSA, das der Whistleblower Edward Snowden 2013 öffentlich machte. Am Donnerstag wiederholte er Vorwürfe, wonach die USA auch Huawei ausgespäht und sich in Server des Unternehmens gehackt hätten. Die US-Regierung "lässt keine Gelegenheit aus, Huawei zu verunglimpfen", sagte er.
In den USA steht der Konzern derzeit auch wegen der Affäre um die Tochter des Unternehmensgründers Ren Zhengfei unter Druck: Meng Wanzhou, die Finanzchefin des Unternehmens, sitzt in Vancouver fest. Sie trägt eine elektronische Fußfessel, zwölf Wachleute, allesamt ehemalige Polizisten, die sie selbst bezahlen muss, sind immer in ihrer Nähe. Ein Bundesgericht in New York hat ihre Auslieferung beantragt. Ihr wird Bankbetrug in Zusammenhang Verletzung von Sanktionen gegen den Iran vorgeworfen. Im Fall einer Auslieferung und einer Verurteilung drohen ihr bis zu 30 Jahre Haft. Wenige Stunden bevor Huawei in Shenzhen an die Öffentlichkeit ging, hatte sie einen Termin am Obersten Gerichtshof der Provinz British Columbia. Am 8. Mai muss sie wieder vor Gericht erscheinen.