Hängt schon wieder alles an den Briten? Dieses Mal die Frage, ob Europa seine Technik für den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G in China einkauft. Ob also der Telekom-Riese Huawei im Geschäft bleiben darf. 27 europäische Staaten schauen in diesen Tagen auf London, dort wird trotz Brexit-Chaos ein Bericht der Geheimdienste erwartet, ob man dem chinesischen Netzwerkausrüster trauen kann, ob man mögliche Risiken - Spionage oder Sabotage - durch genaue Überprüfungen im Griff behalten kann. Oder eben nicht. Großbritannien hat einen der erfolgreichsten und bisweilen skrupellosesten Abhörapparate der Welt, ist Mitglied der mächtigen, von den USA angeführten Geheimdienstallianz Five Eyes. Das Wort von der Insel hat Gewicht.
Mancher in Europa fragt sich ohnehin, wie Huawei innerhalb weniger Jahre so mächtig, so erfolgreich auf dem Kontinent werden konnte. Beinahe überall ist die Technik verbaut. So umfangreich, dass nun Unternehmen wie die Telekom Deutschland auch weiterhin auf die Chinesen setzen wollen.
Das europäische Mobilfunknetz ist ein Flickenteppich, in jedem Staat werden die 5G-Lizenzen einzeln ausgeschrieben und versteigert. Große Anbieter wie Vodafone oder Telefonica nehmen an vielen dieser Auktionen teil. Käme ein Rückbau der bereits installierten Huawei-Technik hinzu, wäre das finanziell kaum zu stemmen. Alleine in Deutschland müsste gut jeder zweite Sendemast ausgewechselt werden. Es geht also um Milliarden.
Ausgerechnet die Briten, von deren Votum nun so viel abhängt, halfen Huawei einst, in Europa Fuß zu fassen. 2005 wollte die British Telecom ihr hoffnungslos veraltetes Netz aufrüsten. Die etablierten Hersteller winkten ab - viel Arbeit, wenig Profit. Eine kleine Firma aus Südchina erklärte sich bereit, das Milliarden-Projekt zu stemmen. Genau einen einzigen Auftrag außerhalb Chinas hatte Huawei zuvor gemeistert. In Windeseile wurden Hunderte Ingenieure eingeflogen. Bis tief in die Nacht schufteten sie jeden Tag. Wenige Jahre später ist aus der unbekannten Firma der Weltmarktführer geworden und Zankapfel im Streit zwischen China und den Vereinigten Staaten. Über kein Unternehmen weltweit wird im Moment mehr diskutiert. Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich wird während seiner Europareise für Huawei werben. Beim EU-Gipfel in Brüssel werden die Staats- und Regierungschefs darüber verhandeln, wie man das Unternehmen einhegen kann. Reicht dazu die britische Lösung?
Als erstes Land verpflichtete Großbritannien Huawei, seine Quellcodes offenzulegen. Überprüft wird die Software in einem Forschungslabor vor den Toren Londons, das Huawei gemeinsam mit dem Geheimdienst GCHQ betreibt. Einmal im Jahr erscheint ein Report. 2018 fiel dieser kritisch aus. Die Regierung monierte nachlässige Ingenieurarbeit und etwaige Sicherheitslücken in der Lieferkette. Deutschland folgte dem Vorbild und richtete in Bonn ein eigenes Zentrum ein, in dem Mitarbeiter des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Huawei-Produkte analysieren.
Im März erhöhte Berlin dann die Sicherheitsanforderungen, und zwar für alle Anbieter. Ein neuer Katalog muss künftig eingehalten werden, eine Art Beweislastumkehr, die Netzbetreiber müssen zeigen, dass Huawei-Technik vertrauenswürdig ist. So bleibt der Bundesregierung Spielraum "Ja" oder "Nein" zu sagen. Auf jeden Fall will man alles vermeiden, was wie ein Misstrauensvotum gegen China aussieht und die Führung in Peking zu wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen bewegen könnte. Entsprechend vorsichtig formuliert Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man dürfe nicht "blauäugig" sein, müsse aber "jedem eine Chance geben", sagt sie.