Süddeutsche Zeitung

Hotel-Magnat Dieter Bock:"Atlantic": Der Tod kam mit dem Steak

Er war einer der reichsten Deutschen, skurril, verschwiegen - und nicht von allen geliebt: Dieter Bock. Jetzt erstickte er in seinem Hamburger Hotel Atlantic an einem Stück Fleisch. Sein Aufstieg hatte in Schwabing begonnen.

Das Ende war seltsam wie sein ganzes Leben. Dieter Bock brachte es als Immobilienspekulant, Kunsthändler und Hotelbesitzer zu Reichtum, wenn auch nicht zu Ansehen - und dann erstickt er an einem Stück Fleisch, wohl ein Steak, aus der eigenen Hotelküche.

Das alles geschah bereits am 12. Mai im berühmten Hamburger Atlantic, jenem Hotel, in dem Udo Lindenberg seit Jahren wohnt und in dem Hamburgs Society Bälle feiert. Dieter Bock, der Eigentümer, starb durch "Aspiration beim Abendessen", wie es offiziell heißt - Tod durch Ersticken. Der 71-Jährige kämpfte in einem der Zimmer seines Hotels vergeblich ums Leben. Erst jetzt wurde der Todesfall bekannt.

Rettungskräfte waren gegen 0:45 Uhr ins Atlantic gerufen worden. Dort sollen sie erfolglos versucht haben, den Mann zu reanimieren. Bock habe sich nach Mitternacht noch Essen auf sein Zimmer kommen lassen und sich dann offensichtlich an einem Stück Fleisch verschluckt. Für eine Obduktion hätten die Mediziner keinen Grund gesehen, betonte der Polizeisprecher.

Bock war ein Meister unternehmerischer Verschachtelungen: Die Familie des Immobilienunternehmes war Gesellschafter der Octavian Hotel Holding GmbH, die wiederum nach Informationen der Welt Teil des Octavian King Holdings in Rotterdam ist. Diese Firma betreibt mehrere Kempinski-Hotels in Deutschland - und ist dem Atlantic über einen Managementvertrag verbunden. Mit im Boot ist auch die Familie des Ex-Metro-Chefs Erwin Conradi.

Immer wieder Streit

Der Investor Bock wollte das Atlantic wieder zu dem machen, was es einst war: zu einem Prachthotel. Derzeit wird es für 25 Millionen Euro renoviert - es war über die Jahre heruntergekommen. 2008 hatte es seine fünf Sterne verloren. Dann wurde es auch noch aus der Vereinigung der Leading Hotels of the World geworfen.

Der gelernte Anwalt und Steuerberater Bock war ein Zahlenmensch, dabei verschwiegen, reich und undurchsichtig. Das Manager Magazin führte ihn als einen der "ärmeren reichsten Deutschen" auf Platz 153 der Liste der Vermögendsten.

Begonnen hatte seine Karriere in München: Anfang der siebziger Jahre versuchte er, Räume zu mieten und wurde - so weiß es der Spiegel - in einem Altbau in Schwabing fündig. Es war das Haus der 68er: Uschi Obermaier und Rainer Langhans hatten soeben ihre Zimmer geräumt. Da schlug Dieter Bock zu.

Der Mann, der seine Akten angeblich gerne auch mal in Aldi-Tüten trug, blieb bei den Immobilien. Weltweit handelte er mit Gebäuden und Grundstücken. Mitte der achtziger Jahre wurden die Geschäfte in der Firmengruppe Advanta zusammengefasst, die auch Vorzeige-Objekte wie das Hotel Adlon in Berlin mitentwickelte.

Für Furore sorgte der Aufsteiger dann in den neunziger Jahren: 1992 kaufte er sich in den verschachtelten britischen Konzern Lonrho ein - 800 Einzelfirmen, völlig unübersichtlich. Lonrho-Boss Roland Rowland war erst begeistert und kührte Bock zum Kronprinzen. Doch die Freundschaft schlug in erbitterte Feindschaft um - denn der Deutsche war nichts anderes als eine frühe "Heuschrecke".

Er schubste seinen Ziehvater vom Thron und nahm dessen Platz ein. Rowland drohte, den Widersacher bis zum Ende seiner Tage zu verfolgen. Doch Bock gewann das Rennen. Später übernahm er die Anteile von Rowland und reichte sie mit üppigem Gewinn an die britisch-südafrikanische Anglo American Group weiter.

Dieter Bock war in seinem Element. Mal kaufte er einen Fußballverein in Südafrika, dann wieder Aktienpakete von Baukonzernen wie Holzmann und Dywidag. Er stieg groß bei der Hotelkette Kempinski ein und stellte dem Frankfurter Museum für Moderne Kunst drei Millionen Mark zum Bilderkauf zur Verfügung.

Doch am Ende gab es überall, wo der Mann auftauchte, heftigen Streit. Bei Kempinski kam es zu jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzung. Noch aufsehenerregender war, als er im Sommer 2005 plötzlich am Hintereingang des Museums Lastwagen auffahren ließ, nach 15 Jahren seine 500 Dauerleihgaben wieder mitnahm und teils teuer verkaufen ließ. Das Ausstellungshaus blieb halbleer zurück. Dabei hatte die gemeinsam mit seiner Frau Olga initiierte "Stiftung zur Förderung der Bildenden Kunst" zumindest vom Namen her doch so einen guten Eindruck gemacht.

Möglicherweise brauchte Bock aber Geld: 2005 stellte die Nachfolgegesellschaft der Advanta AG wohl Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Alles lief sehr verschwiegen - der Spiegel nannte es eine "stille Beerdigung".

In München sorgte er für Ärger, als er sich vor vielen Jahren auf der Praterinsel einkaufte. Dort wollte er gemeinsam mit dem Heidelberger Unternehmer Roland Ernst das "Museum der Phantasie" von Lothar-Günther Buchheim errichten. Doch am Ende kam alles anders, am Ende vergrätzte Bock die dort ansässige Kunstszene und verkaufte die Gebäude an die Augsburger Patrizia Immobilien AG weiter. Derzeit stehen sie leer.

Zuletzte wohnte Dieter Bock in Darmstadt und in London. Der umstrittene Kapitalist lebte extrem zurückgezogen. Doch dann kam die Essensbestellung nach Mitternacht.

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