Honorarstreit mit Krankenkassen:Verhandlungen gescheitert - Ärzte stimmen über Streiks ab

Die Gespräche zwischen Ärzten und Krankenkassen sind vorerst gescheitert: Die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben den Verhandlungstisch überraschend verlassen. In einer Urabstimmung sollen die Ärzte nun über Arbeitsniederlegungen entscheiden. Noch im September drohen erste Warnstreiks und Praxisschließungen.

Die Spitzenvertreter der Ärzte haben die Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen überraschend abgebrochen. Ihr Verhandlungsführer, der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Köhler, begründete den Schritt mit dem Unmut gegenüber dem Vorgehen des Kassen-Spitzenverbands. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Verhandlungen geplatzt."

Aerzte beharren auf Honorarsteigerung

"Am Ende wird es einen Streik geben, wenn es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung kommt", sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Archivbild vom Juni 2010

(Foto: dapd)

Das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Seiten habe in den vergangenen Wochen durch das Verhalten der Kassen erheblichen Schaden genommen. Die Beziehung sei zerrüttet.

Nun sollen zunächst mit den Spitzenvertretern des Kassenverbandes in kleiner Runde "sehr zügig Gespräche" geführt werden. Erst nach Klärung von Grundsatzfragen wollten die niedergelassenen Ärzte an den Verhandlungstisch zurückkehren, sagte Köhler. Die Kassenvertreter hätten die Einladung der KBV zu einem Spitzengespräch in den nächsten Tagen angenommen.

Sollten auch die Gespräche in kleiner Runde zu keinem Ergebnis führen, drohen Streiks und Praxisschließungen. Vor dem Treffen werde es keine Arbeitsniederlegungen geben, sagte ein Sprecher des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands (SpiFa) der Süddeutschen Zeitung.

In einer Urabstimmung wollen die Ärzteverbände über Warnstreiks und Praxisschließungen entscheiden lassen. Die Abstimmung solle bis Mittwoch nächster Woche dauern, danach könnten erste Arbeitsniederlegungen "noch im September beginnen", heißt es in einer Erklärung.

Ärzte wollen gegen Schlichterspruch klagen

Bisheriger Verhandlungsstand ist eine Erhöhung des Honorars für die etwa 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten um 0,9 Prozent oder 270 Millionen Euro. Damit würde jeder Arzt im Schnitt 1800 Euro mehr Honorar pro Jahr erhalten. So sieht es der Vorschlag eines Bewertungsausschusses vor. Das ist allerdings nur ein Bruchteil dessen, was die Ärzte gefordert hatten: 3,5 Milliarden Euro wollen sie mehr. Die Ärzte wollen wie bereits angekündigt am Montag beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen den Schlichterspruch einreichen.

Nach Ansicht der Ärzte würde die geplante Honorarerhöhung einen realen Einkommensverlust in Höhe von zehn Prozent bedeuten. Dadurch werde die Aufrechterhaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gefährdet, warnten sie.

Von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist indes kein Einschreiten zu erwarten: Er hatte bereits angekündigt, Forderungen der Ärzte, den umstrittenen Schlichterspruch zu beanstanden, nicht Folge zu leisten. Die Vergütung sei Sache der Ärzte und Kassen, hieß es aus seinem Ministerium. Das Ministerium kann demnach lediglich prüfen, ob das Verfahren rechtlich in Ordnung ist. Nach dem Scheitern der Verhandlungen hat Bahr zwei Monate Zeit, den Schlichterspruch zu beanstanden, sollte es den Tarifparteien nicht doch noch gelingen, eine Lösung zu finden.

Eigentlich sollte das Schlichtergremium von Ärzten und Kassen unter Vorsitz des unabhängigen Wissenschaftlers Jürgen Wasem die Verhandlungen am Montag zu Ende führen. Dabei sollte es um weitere Faktoren gehen, die das Honorar der Mediziner ausmachen - etwa die Entwicklung des Krankheitszustandes der Bevölkerung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: