Süddeutsche Zeitung

Baubranche:Jetzt beginnt der Preiskampf

  • Das deutsche Honorarsystem für Architekten ist nicht mit EU-Recht vereinbar, urteilte der Europäische Gerichtshof.
  • Die Honorare galten als Bollwerk gegen Schnäppchenjagd am Bau. Nach dem Urteil werden Preise am Bau wieder verhandelbarer.

Von Thomas Öchsner

Für Architekten und Ingenieure gibt es in Deutschland seit langem eine Art Schutzgehege. Für Ihre Honorare sind Unter- und Obergrenzen festgelegt, fest vereinbart in der Honorarordnung für diese Berufsgruppen (HOAI).

Für die einen sind diese Mindest- und Höchstsätze ein Bollwerk gegen die Schnäppchenjagd am Bau, gegen eine Unkultur des Bauens, bei der das Prinzip "möglichst billig" Vorrang hat. Für die anderen verhindert das Honorarsystem den Wettbewerb, weil Bauwillige mit Architekten und Ingenieuren nicht frei über deren Preise verhandeln können. Um diese Honorarordnung wird schon lange stritten. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Machtwort gesprochen.

Für die Richter in Luxemburg ist klar, dass das deutsche System mit EU-Recht beziehungsweise mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht vereinbar ist. Demnach dürfen Mindest- und Höchstpreise nur unter bestimmten Bedingungen gelten. Sie müssen zwingend notwendig sein, etwa um höherrangige Güter wie Leben oder Gesundheit zu schützen. Sie müssen verhältnismäßig sein, sie dürfen andere nicht diskriminieren. Die Richter sehen in der HOAI jedoch einen Widerspruch. Einerseits könne diese dabei helfen, die Qualität am Bau zu sichern und einen ruinösen Preiskampf zu vermeiden. Andererseits könnten in Deutschland ja auch andere Dienstleister und nicht nur Architekten und Ingenieure die entsprechenden Leistungen erbringen, ohne ihre fachliche Eignung nicht nachweisen müssten. Die Richter denken dabei offenbar an Bauträger und Generalplaner. Wolle man aber die Qualität am Bau sichern, müsse man nicht die Preise regulieren, sondern regeln, dass alle Bauplaner einen bestimmten, garantierten Wissensstandard vorweisen können. Es reiche aus, Listen mit üblichen Preisen für bestimmte Leistungen zu veröffentlichen, um Verbraucher zu schützen. Dann könnten Kunden vergleichen, was auf dem Markt gezahlt wird (Rechtssache C-377/17).

Architekten müssen jetzt den Preis verhandeln

Bereits 2016 hatte die EU-Kommission Deutschland wegen der Honorarordnung verklagt. Der zuständige Generalanwalt Maciej Szpunar hatte während des Verfahrens argumentiert, er könne keinen Zusammenhang erkennen zwischen dem Erhalt der Baukultur, der Bausicherheit und einem verbindlichen Preisrecht. Die Bundesregierung hatte hingegen dargelegt, dass eine verbindliche Honorarordnung unter anderem dem Schutz der Baukultur diene, einen ruinösen Preiswettbewerb verhindere und die Qualität der Leistungen sichere.

Das Urteil dürfte in Deutschland zu einem verschärften Preiskampf führen, erst recht, sollte der Bauboom einmal nachlassen und Architekten nicht mehr so gefragt sein wie derzeit. Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, spricht von einem "bedeutsamen Einschnitt" für ihre Berufsgruppe und die Auftraggeber. Architekten müssten "neben Leistung und Qualität verstärkt auch über den Preis verhandeln", sagt sie. Die Kammer wolle nun mit dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium reden. Ihr Ziel: Die HOAI als Rahmen für Leistungen und Honorare der 135 000 Architekten in Deutschland erhalten.

Der Präsident der Bundesingenieurkammer, Hans-Ullrich Kammeyer, sagte, es sei allgemein bekannt, dass für einen zu niedrigen Preis keine hinreichende Qualität geliefert werden könne. Da der EuGH den Preisrahmen der Honorarordnung gekippt hat, müsse es jetzt darum gehen, "den Verbrauchern Sicherheit und den planenden Berufen in Deutschland eine verlässliche Grundlage an die Hand zu geben". Kammeyer liebäugelt dabei mit einem Modell wie bei den Steuerberatern. Diese hätten ihre Mindestsätze auch aufgeben müssen und berechnen nun bestimmte Regelsätze - ohne dass sich die Europäische Kommission querlegt.

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SZ vom 05.07.2019/lüü
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