Lakestar-Chef:Deutschland fehlen zwei Billionen Euro für Start-ups

Lakestar-Chef: "Wir brauchen Fonds, sonst hängen wir bei der Finanzierung von den USA ab", sagt Investor Klaus Hommels, Gründer von Lakestar.

"Wir brauchen Fonds, sonst hängen wir bei der Finanzierung von den USA ab", sagt Investor Klaus Hommels, Gründer von Lakestar.

(Foto: Jens Kalaene/dpa/picture alliance)

Innovative Firmen müssen gefördert werden, damit Deutschland den Anschluss nicht verliert. Das sagt der erfolgreiche Investor Klaus Hommels und fordert, deutlich mehr zu investieren.

Von Helmut Martin-Jung

Deutschland, Mittelstandsland. Die verborgenen Champions und viele hochprofitable kleine und mittlere Unternehmen - sie haben das Land zu dem gemacht, was es ist: ein reiches Land, die viertgrößte Industrienation der Welt. Doch was es einmal sein wird, könnte anders aussehen. Denn den Firmen, den Start-ups, die es auch in Zukunft weiterbringen sollen, fehlt Geld. Viel Geld: Zwei Billionen Euro etwa bis 2040, sagt Klaus Hommels. Zwei Billionen?

Hommels, ein erfolgreicher Risikokapitalgeber - er war früh dabei bei Unternehmen wie Spotify oder Skype -, singt schon lange das Lied vom fehlenden Kapital. Er selbst hat den europäischen Risikokapitalfonds Lakestar gegründet. Vor Kurzem hat er nun die Berater von McKinsey engagiert, um seine Argumente noch mit weiteren Zahlen zu unterfüttern.

Zwischen 1950 und 1970 hat Deutschland demnach seinen Unternehmen pro Jahr etwa vier Prozent des Bruttosozialprodukts (BIP) an Finanzierung bereitgestellt. Das Geld kam überwiegend von Banken. Firmen wie Bosch, Daimler oder Knorr-Bremse konnten so wachsen. Nur: Sie taten das relativ langsam. Heute ist aber noch mehr anders als damals. Firmen müssen nicht nur viel schneller größer werden, wenn sie erfolgreich sein wollen, auch ihre Lebenszyklen sind kürzer. Und vor allem geht es um Tech-Firmen, die eben auch das Potenzial haben, deutlich schneller zu wachsen als Unternehmen, die etwas produzieren.

Deutschland verliert an Boden

Damit es aber überhaupt erst einmal losgehen kann, braucht es Kapital. Nur woher soll es kommen? Inzwischen liegt die Finanzierungsquote im Verhältnis zum BIP bei nur noch rund einem Prozent. Geld ist zwar nach wie vor da, aber es wird anders verwendet als etwa in den USA. Banken und Versicherungen sind raus als Wagniskapitalgeber, und Pensionsfonds spielen ebenfalls keine Rolle. Auch die Universitäten werden hierzulande größtenteils vom Staat alimentiert, in den USA dagegen leben sie neben den Studiengebühren vor allem von Fonds, die aus Spenden gespeist werden. Allein die Harvard University verfügt über ein Vermögen von 43 Milliarden Dollar, mit dem sie wirtschaften und investieren kann.

Zwar floss im vergangenen Jahr so viel Geld wie noch in deutsche Start-ups, knapp 17,4 Milliarden Euro nach 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2020, wie die Berater von EY ermittelt haben. Auch die Zahl der Finanzierungsrunden wuchs stark - um 56 Prozent auf 1160. Darunter waren auch mehr Großdeals von mehr als 100 Millionen Euro. Die Schwerpunkte dabei sind nach wie vor Berlin (10,5 Milliarden an Risikokapital) und Bayern (4,4 Milliarden). Folgt man jedoch Hommels' Argumentation, müsste noch gut fünfmal mehr Geld fließen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern. Um konkurrenzfähig zu bleiben, bräuchte Deutschland nach den Schätzungen von McKinsey und Lakestar etwa 12 000 Wachstumsfirmen und 150 Superstars, also besonders erfolgreiche Neugründungen. Um das finanziell zu stemmen, wären pro Jahr etwa 80 bis 100 Milliarden Euro an Investitionen nötig, wodurch aber auch mehr als vier Millionen Jobs entstünden.

In vielen Wirtschaftsbereichen verliert Deutschland nach Zahlen von Capital IQ, einer Standard & Poor's-Tochter, aber inzwischen an Boden, wird mehr und mehr abhängig von den USA oder auch von China. Beispiel Chemiebranche: Beim Börsenwert der Top-30-Unternehmen der Welt rutschte Deutschland von einem Anteil von 14 Prozent im Jahr 2000 auf sechs Prozent (2021) ab. Bei den Energieversorgern ist 2021 weltweit keiner mehr unter den Top Ten, im Jahr 2000 waren es immerhin zwei. Auch eine Bank ist nicht mehr in den Top Ten. Sogar bei der Automobilindustrie sank der Anteil von 18 auf 15 Prozent. Und die drei Arbeitgeber, die Tech-Talente in Deutschland am attraktivsten finden, heißen: Google, Microsoft und IBM. Allein was die digitale Infrastruktur angeht, weist Deutschland mittlerweile ein Handelsdefizit von jährlich etwa 30 Milliarden Euro auf.

"Als ich Spotify gemacht habe, waren die illegal."

Hommels' Fazit: "Wir brauchen Fonds, sonst hängen wir bei der Finanzierung von den USA ab", sagt er "die hauen schon mal 300 Millionen in ein Ding rein." Hierzulande aber verhungerten vielen Firmen am ausgestreckten Arm, auch weil der Mut fehle, aufstrebende Unternehmen zu unterstützen. "Als ich Spotify gemacht habe, waren die illegal, sie hatten noch keine Verträge mit den Plattenfirmen. Und Skype hatte noch kein Businessmodell."

Um das Geld aufzutreiben, sieht Hommels vor allem den Staat in der Pflicht. Der müsse mit Deregulierung die Möglichkeit dafür schaffen, dass die Innovationsförderung vorankomme. Hommels hält es für schlauer, dass etwa die Rentenkasse mehr nach Art der US-Pensionsfonds arbeitet. Auch die Versicherungen sollten Möglichkeiten bekommen, Risikokapital zu vergeben. Denn was so nicht erwirtschaftet werde, müsse nachher eben an Sozialleistungen gestemmt werden.

Aber ist es nicht riskant, viel Geld in Start-ups zu stecken? Die Frage hört Investor Hommels oft. "Wir Deutschen kommen nicht so gut klar damit, dass mal 'ne Firma pleitegeht", sagt er. Aber wenn ein Fonds ausreichend groß sei, "kann man gar nicht Geld verlieren", zeigt er sich überzeugt. "Übers Portfolio gleicht sich das aus."

Wie groß kann eine Firma werden?

Ein Händchen für vielversprechende Gründungen ist aber schon nicht schlecht. Worauf achtet einer wie er? "Die Maßstäbe sind: Wie groß kann eine Firma werden und was braucht man an Geld dafür." Wichtig sind dem Investor dabei vor allem die Gründer, ihre Begeisterung und ihre Fähigkeit, auch andere zu begeistern, neben einer guten Idee natürlich.

Damit mehr Geld in Innovation fließt, fordert Hommels neben regulatorischen Änderungen, auch mehr Informationen über Wachstumsfinanzierung bereitzustellen und die Hürden für Investitionen zu senken, damit auch Nichtmillionäre teilhaben können. Was ihm Hoffnung macht: Deutschland sei immer gut darin gewesen, über Lenkungssteuern Branchen aufzubauen. Es gehe dabei gar nicht um Subventionen, sondern um eine Anschubfinanzierung.

Und schließlich sieht Hommels bei der jungen Generation auch mehr Bereitschaft und Kompetenz zu gründen. Den Start-ups der Vergangenheit habe oft das betriebswirtschaftliche Know-how gefehlt. Das sei heute anders, auch weil zum Beispiel die Universitäten erkannt haben, dass Ausgründungen und Start-ups wichtig sind, und diese dementsprechend unterstützen. Der Erfolg von Online-Handelsplattformen zeige zudem, dass Jüngere eine niedrigere Hemmschwelle hätten, Geld zu investieren.

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