Zu Hause arbeiten: Manch einer denkt dabei noch immer an Beschäftigte, die auf der Terrasse im Liegestuhl lümmeln. Die Realität sieht anders aus. Inzwischen erkennen mehr und mehr Firmen, dass Angestellte, die ab und zu von zu Hause aus tätig sind, besonders motiviert arbeiten. Sie schaffen mehr, fanden Forscher nun heraus. Es wird also Zeit, die Vorurteile gegen das Home-Office zu begraben. Richtig gestaltet, bringt es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Vorteile.
Gleich mehrere gesellschaftliche Trends machen das Arbeiten von zu Hause zur attraktiven Option. Da ist das Pendeln zur Arbeitsstätte, das in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Jeder Vierte braucht inzwischen mehr als eine Stunde pro Tag in die Arbeit. Das hat mit der großen Zahl an Arbeitsplätzen in Ballungsgebieten zu tun, und mit Beschäftigten, die freiwillig - oder wegen hoher Immobilienpreise und Mieten in den Städten - außerhalb wohnen. Wer da an manchen Tagen später oder gar nicht ins Büro fährt, erspart sich Staus auf der Straße und Gedränge in der Bahn.
Job:Homeoffice ist nicht das Paradies
Die SPD pflegt ein simples Bild der Heimarbeit - und will für die Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch darauf erkämpfen. Das ist weder nötig noch sinnvoll.
Ein weiterer Trend besteht darin, dass häufiger beide Elternteile berufstätig sind. Wenn sie ihren Job auch mal von zu Hause erledigen, bewältigen sie den täglichen Hindernisparcours zwischen Beruf und Familie eher. Denn das Kitaangebot entspricht kaum der Nachfrage, Schulen entlassen Kinder früh nach Hause, Hortplätze sind knapp. Je flexibler Eltern agieren dürfen, desto weniger reibt sie der Stress auf. Und wer mal nachmittags mit den Kindern in den Park geht und die Arbeit dann abends fortsetzen kann, bekommt eher das Gefühl, beiden Welten halbwegs gerecht zu werden - was gar nicht so leicht ist.
Natürlich eignet sich Home-Office nur bei bestimmten Tätigkeiten. Wer am Fließband oder im Operationssaal steht, kann schlecht von zu Hause aus arbeiten. Bei anderen Stellen ermöglicht es moderne Technik immer häufiger, etwa durch Datenzugriff von zu Hause oder Videokonferenzen, die die physische Anwesenheit im Meeting ersetzen. Knapp die Hälfte aller Tätigkeiten lässt sich heute in der eigenen Wohnung ausüben, schätzen Fachleute.
Die Technologie lässt einige Firmen umdenken: Sie bieten ihren Mitarbeitern zumindest gelegentliche Heimarbeit an - und verbuchen dadurch gleich mehrere Vorteile, wie eine neue Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt. Zum einen werden sie als Arbeitgeber interessanter, was in Zeiten knappen Personals enorm wichtig ist. Zum anderen registriert jeder zweite Betrieb, dass Heimarbeiter produktiver sind als ihre Kollegen.
Arbeitnehmer profitieren auch im Skype-Zeitalter vom direkten Kontakt mit Kollegen
Angesichts solcher Erkenntnisse überrascht es, dass nur etwa zehn bis 15 Prozent der Beschäftigten Home-Office nutzen können. Das liegt zum einen daran, dass es nach wie vor manchem Betrieb egal ist, ob Beschäftigte Beruf und Familie vereinbaren können. Zum anderen wirken Traditionen fort, die den Mitarbeiter als Kontrollsubjekt sehen, der sich bei jedem bisschen Freiheit im Liegestuhl lümmelt. Der frühere Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger wies mal auf die militärische Herkunft seines Gewerbes hin. Dazu passen Vorgesetzte, die im Jahr 2019 modisch von agilen Teams salbadern, aber täglich ihre Mitarbeiter um sich scharen wie ein Oberst. Diese Präsenz-Unkultur hat noch nicht nachgewiesen, besonders viele Ideen zu produzieren, was für die Wirtschaft der digitalen Ära entscheidend werden dürfte. Aber zwei Drittel der befragten Beschäftigten nennen sie als Grund, warum sie nicht von zu Hause aus arbeiten dürfen - oder es lassen, obwohl es der Betrieb offiziell gestattet.
Diese präsenzseligen Vorgesetzten brauchen womöglich wirklich den Anstoß, den Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plant: einen Anspruch auf Home-Office. Wer diese Frage politisch regelt, sollte jedoch vorsichtig vorgehen. Zum einen, weil kluge Sozialpolitik stets auslotet, was man Firmen vorschreiben kann, ohne dass es unnötig unattraktiv wird, Stellen zu schaffen. Zum anderen, weil schrankenlose Heimarbeit für keine Seite sinnvoll erscheint: Arbeitnehmer profitieren auch im Skype-Zeitalter vom direkten Kontakt mit Kollegen. Und zum Dritten, weil Home-Office die Grenzen von Beruf und Freizeit verwischt. Untersuchungen belegen, dass Heimarbeiter nicht die Firma ausbeuten, sondern tendenziell sich selbst. Was jemand fern des eigentlichen Arbeitsplatzes arbeitet, darf nicht zu unbezahlten Überstunden mutieren. Auch das sollte eine politische Regulierung im Blick behalten, die gleichzeitig völlig zu Recht Home-Office fördert.