Arbeitswelt:Viele würden kündigen, wenn ihr Job zu unflexibel ist

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Angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen dürften manche Mitarbeiter mit etwas Unbehagen an ihren Büroschreibtisch zurückkehren. (Foto: Simona Pilolla /imago images/Westend61)

Kein Home-Office, Gleitzeit ist verboten, und wer Teilzeit will, wird schief angesehen: Erstaunlich viele Beschäftigte würden einer Umfrage zufolge kündigen, wenn ihr Unternehmen flexible Arbeit verwehrt.

Von Bernd Kramer

Es gibt viele Gründe für eine Kündigung: Die Aufgaben sind so inspirierend wie eine Weltmeisterschaft im Pfahlsitzen, es herrscht ein Betriebsklima wie im Eisschrank, den Chef umweht die Aura eines Scharfrichters. Erstaunlich viele Menschen erwägen einen Wechsel allerdings auch, wenn ihr Arbeitgeber sich gegen flexible Arbeitsmodelle sperrt. Weniger Arbeiten, also Teilzeit? Lieber nicht, lieber Urlaub nehmen. Home-Office? Das Unternehmen ist nicht abgeneigt, man darf es sich im Büro gern heimisch machen, Möbel aber bitte selbst mitbringen.

Das Karrierenetzwerk Linkedin hat nun 2004 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland befragt, wie viel ihnen an flexiblen Arbeitsmodellen liegt. Das Ergebnis, das der SZ vorab vorlag, lautet kurzgefasst: sehr viel. 40 Prozent der Befragten würden demnach eine Kündigung erwägen, wenn ihr Unternehmen den Bedürfnissen nach flexibler Arbeit nicht nachkommt. 17 Prozent haben tatsächlich deswegen schon einmal einen Arbeitgeber verlassen. "Unternehmen müssen den Wunsch nach mehr Flexibilität ernst nehmen, wenn sie sich im Wettbewerb behaupten wollen", sagt Barbara Wittmann, Chefin bei Linkedin Deutschland.

Das Ergebnis deckt sich mit dem anderer Untersuchungen. Die Beratungsgesellschaft EY hat im vergangenen Jahr in einer internationalen Umfrage herausgefunden, dass 54 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kündigen würden, wenn sie über die Corona-Pandemie hinaus keine Flexibilität mehr bei Arbeitszeit und Arbeitsort hätten - vor allem die Jüngeren spielten dann mit Wechselgedanken. Und die US-Ökonomen Alexandre Mas and Amanda Pallais ermittelten 2017 in einem Experiment, dass viele Menschen für mehr Flexibilität sogar dazu bereit sind, Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen: Die beiden Forscher schalteten Stellenanzeigen für Callcenter-Jobs in verschiedenen Varianten und berechneten daraus, dass Bewerber sich mit acht Prozent weniger Lohn zufriedengeben, wenn sie zu Hause arbeiten können. Vor allem Frauen sind bereit, Abstriche zu machen.

Dieses Muster zeigt sich auch in der Linkedin-Umfrage: Frauen wünschen sich etwa mit 48 Prozent deutlich häufiger ein Gleitzeit-Modell als Männer mit 33 Prozent. Und während sich von den befragten Männern 43 Prozent über die Möglichkeit zur Teilzeit freuen würden, sind es bei den Frauen 62 Prozent. Frauen gaben auch etwas häufiger an, wegen fehlender Flexibilität bereits einmal die Stelle gewechselt zu haben, vor allem, weil sie eine Tätigkeit wollten, die sich besser mit der Familienarbeit verbinden ließ. Ob sie dies mit dem neuen Job immer verbessern konnten, ist die Frage.

Flexibilität will gut geplant sein

Und so bekommen die Zahlen durchaus einen Beigeschmack: Die auffallende Kündigungsbereitschaft steht womöglich gar nicht immer für eine neue Macht der Mitarbeitenden, mit der sie von starrsinnigen Unternehmen nun lebensnähere Arbeitsmodelle fordern könnten. Dahinter verbirgt sich mitunter auch, dass die Arbeitswelt gerade Frauen aussortiert auf Stellen, die zwar familienfreundlicher wirken, aber auf Dauer unsicherer sind.

Eine Studie für das Familienministerium hatte 2018 ermittelt, dass viele Frauen zwar auf eigenen Wunsch auf Teilzeitstellen wechseln - aber mit der Zeit durchaus Schwierigkeiten bekommen, ihr Arbeitspensum wieder zu erhöhen. Aus einem frei gewählten Modell könne für manche eine Falle werden - mit weniger Gehalt, weniger Aufstiegsmöglichkeiten, weniger Rentenansprüchen.

Aus dem Grund hatte die damalige große Koalition vor drei Jahren die Brückenteilzeit geschaffen, bei der Beschäftigte nach spätestens fünf Jahren automatisch zu ihrem alten Pensum zurückkehren können. Allerdings will die Flexibilität gut geplant sein: Früher als verabredet können Mitarbeitende nicht wieder aufstocken, und neu beantragen lässt sich eine Brückenzeit erst nach einem Jahr mit alten Stundenpensum. Kleinbetriebe sind ohnehin von der Regelung ausgenommen. Da bleibt tatsächlich oft nur die Kündigung, wenn sich die Chefin querstellt.

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