Süddeutsche Zeitung

Hohe Kraftstoffpreise:Frust an der Zapfsäule

Die Angst vor einem Angriff Israels auf Iran treibt den Ölpreis immer weiter nach oben. Die Folge: Ein Liter Benzin kostet an deutschen Tankstellen bereits bis zu 1,66 Euro. Eine Wende ist nicht in Sicht, laut einem Experten "wird Sprit bald noch mehr kosten."

Andreas Jalsovec

Ob es tatsächlich schon Rekordpreise sind - Rainer Wiek will sich da nicht festlegen. "Tatsache ist", meint der Experte vom Hamburger Energie-Informationsdienst (EID), "Benzin ist derzeit sehr teuer. Wir kratzen seit Wochen an den Höchstmarken - und vermutlich wird Sprit bald noch mehr kosten."

Diese Vermutung hat gute Chancen, zur Gewissheit zu werden. In den vergangenen Tagen mussten die Autofahrer bereits an vielen Tankstellen so tief in die Tasche greifen wie nie zuvor. Am Mittwoch lag der Preis für E10-Benzin laut EID bei einer Markentankstellenkette bei 1,63 Euro.

Im bundesweiten Schnitt ist der Sprit noch nicht ganz so teuer: 1,61 Euro müssen Autofahrer derzeit für E10 bezahlen. "Das liegt nur knapp unter dem bisherigen Rekord", meint Andreas Hölzel vom ADAC. Der stammt aus dem April 2011. Nichts desto trotz heißt es auch bei dem Autoclub: "Insgesamt ist Sprit derzeit dauerhaft teuer."

Über den Grund sind sich die Experten einig: Der anhaltend hohe Ölpreis lässt die Kraftstoffe teurer werden. Gestern übersprang der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseemarke Brent erstmals seit einem halben Jahr die Marke von 120 Dollar. Hintergrund ist die Angst vor einem Angriff Israels auf den Iran. "Der Iran ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Ölexporteur in der Opec", erläutert Leon Leschus, Rohstoffexperte beim Hamburger HWWI-Institut.

Die Krise dort spiele daher eine entscheidende Rolle beim jetzigen Ölpreisanstieg. Hinzu komme eine anhaltend hohe Nachfrage vor allem aus China und Asien. Und auch die weltweiten Lagerbestände an Öl lägen derzeit unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Das alles habe den Rohölpreis hoch getrieben, sagt Leschus: "Und es kann durchaus noch weiter nach oben gehen."

Trübe Aussichten daher für die Verbraucher. Denn nicht nur Benzin und Diesel sind notorisch teuer. Auch der Heizölpreis pendelt seit Wochen unweit seiner historischen Höchstmarke von gut einem Euro je Liter. "Für Verbraucher ist das fast noch die dramatischere Entwicklung als bei Benzin", meint EID-Experte Wiek. Schon im vergangenen Jahr war Heizöl kaum unter die Marke von 80 Cent je Liter gefallen.

Die Verbraucher zögerten daher beim Nachfüllen der Tanks. Wegen der langen Kältewelle kommen sie jetzt jedoch oft nicht mehr umhin - und tanken zu Preisen, die wieder knapp unter einem Euro liegen. "Dass es in absehbarer Zeit günstiger wird, sehe ich nicht", sagt Wiek.

Ähnliches gilt beim Sprit. So ist auch der Dieselpreis zuletzt angestiegen. Derzeit liegt er laut ADAC im bundesweiten Schnitt bei 1,50 Euro. Besonders hart treffen die hohen Kraftstoffpreise aber jene Autofahrer, die statt E10 das klassische Superbenzin E5 tanken. Das ist drei Cent teurer als E10. Teilweise mussten Autofahrer für E5-Sprit in dieser Woche bereits 1,66 Euro zahlen.

Solche Spitzenpreise treffen nicht wenige: Denn noch immer tankt die große Mehrzahl E5. So hatte E10 im Januar nach Angaben der Mineralölindustrie lediglich einen Anteil von knapp 12 Prozent am gesamten Benzinabsatz. Der Grund: E10 enthält doppelt so viel Ethanol wie E5. Das ist vielen Autofahrern nicht geheuer. Bleibt Benzin dauerhaft so teuer, dann könnte E10 künftig doch noch beliebter als E5 werden, glaubt man beim ADAC - alleine, weil der Kraftstoff günstiger sei als das herkömmliche Super.

Unabhängig davon rät EID-Experte Wiek den Autofahrern dazu, stets Preise zwischen den Tankstellen zu vergleichen und die Unterschiede auszunutzen. "Sie können am selben Tag bei bis zu zehn Cent liegen", meint er. Auch ADAC-Mann Hölzel empfiehlt, "immer die Augen offen zu halten und bei günstigen Preisen nachzutanken - selbst wenn der Tank noch halb voll ist".

Das empfehle sich besonders an bestimmten Tagen. Nach Erkenntnissen des ADAC sind die Preise vor allem an Sonntagen und Montagen günstig. Bei einer Untersuchung für 2011 stellte der Autoclub dabei Unterschiede von bis zu fünf Cent im Vergleich zu teuren Tagen fest. Die gehen von Donnerstag bis Samstag. Allerdings, so Andreas Hölzel, habe sich dieser Unterschied zuletzt abgeschwächt. "Die Konzerne haben wohl gemerkt, dass die Autofahrer das ausnutzen - und steuern jetzt gegen."

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Quelle:
SZ vom 18.02.2012/mkoh
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