Hohe Benzinpreise:Kartellamt untersucht Raffinerien

Millionen Autofahrer ärgern sich über die hohen Benzinpreise. Das Bundeskartellamt wittert im Mineralöl-Geschäft eingeschränkten Wettbewerb. Eine Untersuchung der Tankstellenbetreiber brachte jedoch keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Jetzt knöpft sich die Behörde Raffinerien und Großhändler vor.

Caspar Busse

Ölraffinerien in Deutschland

Das Bundeskartellamt gegen die Mineralölindustrie - das ist der Kampf einer Behörde gegen eine mächtige Milliarden-Branche. Es geht um viel, nämlich um die angeblich zu hohen Benzinpreise in Deutschland, ein Ärgernis für Millionen Autofahrer. Die Auseinandersetzungen laufen schon seit langem, die Ergebnisse waren bisher kaum ermutigend. Kartellamtspräsident Andreas Mundt stellte zwar ein Oligopol auf dem Tankstellenmarkt fest, der Verkauf von Benzin ist also in der Hand von einigen wenigen großen Unternehmen. Stichhaltige Hinweise auf gesetzeswidrige Absprachen oder sonstige Unregelmäßigkeiten wurden bisher aber nicht gefunden - und damit war das Kartellamt weitgehend machtlos.

Doch die Behörde, die in Bonn direkt am Rheinufer im ehemaligen Bundespräsidialamt residiert, gibt sich nicht geschlagen. An diesem Donnerstag verkündete das Amt, dass eine zweite sogenannte Sektoruntersuchung im Bereich Mineralöl eingeleitet werde. Nach den Tankstellen sollen damit nun auch die Raffinerien und der Großhandel unter die Lupe genommen werden. "Wir werden uns genauer ansehen, in welcher Form Preisbewegungen bei Rohöl und Mineralölprodukten an die Autofahrer weitergegeben werden", kündigte Amtschef Mundt an. Es müsse endlich Licht in diese "Blackbox" gebracht werden, heißt es in Bonn.

Eine Sektoruntersuchung kann das Kartellamt dann durchführen, wenn es vermutet, dass der Wettbewerb in einer Branche eingeschränkt oder verfälscht ist. Dies ist auf dem Benzinmarkt offenbar der Fall. Dabei wird die gesamte Branche untersucht und nicht gegen einzelne Unternehmen ermittelt. Ein Kartellamtssprecher teilte zum Vorgehen mit, dass mit den betroffenen Unternehmen zunächst Vorgespräche geführt würden. Bis Ende dieses Jahres werden dann allen Beteiligten umfangreiche Fragebögen geschickt, die von diesen ausgefüllt werden müssen. Die Antworten werden von den Experten des Kartellamtes ausgewertet, erfahrungsgemäß werden danach noch weitere Ermittlungen angestellt. Wie lange das gesamte Verfahren dauern wird, ist genauso offen wie das mögliche Ergebnis.

Die Recherchen auf dem Tankstellenmarkt hatten insgesamt etwa drei Jahre gedauert und zu keinem handfesten Ergebnis geführt. Im Abschlussbericht, den das Kartellamt im vergangenen Jahr vorgelegt hat, wurde zwar von mangelndem Wettbewerb angesichts eines Oligopols gesprochen. Eine Handhabe gab es jedoch nicht, denn konkrete Preisabsprachen konnten nicht nachgewiesen werden. Der Tankstellenmarkt wird von den großen Anbietern BP/Aral, Esso, Jet, Shell und Total beherrscht, die sich gegenseitig belauern und beobachten. Erhöht ein Anbieter den Benzinpreis in einer Region, ziehen kurz danach die anderen Tankstellen in der Nähe nach, ein missbräuchliches Vorgehen konnte das Kartellamt nicht feststellen. "Absprechen ist verboten, abgucken ist aber erlaubt", teilte damals die Wettbewerbsbehörde mit. Die Unternehmen verstünden sich ohne Worte. Das führe zu überhöhten Preisen. Mundt tritt bisher dafür ein, dass Autofahrer in Deutschland die Spritpreise an einzelnen Tankstellen genauer vergleichen und so für mehr Wettbewerb sorgen.

Nun soll eine Untersuchung insbesondere der Raffinerien, also der vorgelagerten Produktionsstufe, endlich Ergebnisse bringen. Es gibt nur rund ein Dutzend große Raffinerie-Standorte in Deutschland. Die meisten sind wiederum in der Hand der gleichen Konzerne, die auch die Tankstellen betreiben. Viele Standorte werden auch gemeinschaftlich betrieben. Diese Verflechtungen sollen genau untersucht werden, auch der Transport bis zum Endabnehmer ist Gegenstand der Ermittlungen. Das Kartellamt hat die Hoffnung, diesmal mehr erreichen zu können. Immerhin, so teilte ein Sprecher mit, machten die Produktion und der Transport zusammen etwa 60 Prozent des Endpreises an der Zapfsäule aus. Sollten Absprachen zu Lasten der Verbraucher oder ähnliches festgestellt werden, könnte das Kartellamt dagegen vorgehen, beispielsweise eine Entflechtung im Raffineriemarkt anordnen oder mit anderen Maßnahmen für mehr Wettbewerb sorgen.

Zudem besteht der Verdacht, dass freie Tankstellen, die an der Zapfsäule oft billiger sind als die Markenanbieter, von den Raffinerien systematisch benachteiligt werden. Die freie Tankstellen machen knapp 30 Prozent des deutschen Marktes aus und müssen ihr Benzin oft auch von den Raffinerien der großen Fünf beziehen. Die jetzt eingeleitete Untersuchung findet offenbar auch aufgrund politischen Drucks statt, endlich etwas gegen hohe Benzinpreise zu tun. Außerdem hatte die Monopolkommission zuletzt darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen notwendig seien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: