Höhere Löhne bei Volkswagen:Geld her!

Lesezeit: 2 Min.

Volkswagen bessert bei den Löhnen kräftig nach. Das ist gut so, dient aber nicht als Maßstab für künftige Verhandlungen. Denn nicht alle Firmen und Branchen können sich solche Abschlüsse leisten.

Marc Beise

Volkswagen kann derzeit vor Kraft kaum laufen. Macht auch nichts, denn Volkswagen sollen ja vor allem fahren. Weil sie das tun, millionenfach weltweit, und weil es immer mehr werden, zahlt das Unternehmen seinen Mitarbeitern jetzt insgesamt 4,2 Prozent mehr Gehalt. Damit ist VW in guter Gesellschaft. Die Bahn hat sich mit ihren Mitarbeitern schon auf etwa fünf Prozent geeinigt, der Stromkonzern RWE unter Streikdrohung auf immerhin 3,4 Prozent.

Bei VW bekommen die Mitarbeiter deutlich mehr Geld. Doch wie wird das in anderen Unternehmen sein? (Foto: Jens Wolf/dpa)

Das klingt nach Erntezeit im Anschluss an magere Jahre. Die Gewerkschaften spüren Rückenwind für die Forderung nach kräftigen Lohnerhöhungen in anderen Bereichen: bei der Telekom, im der Hotelbranche, in Baugewerbe und Öffentlichem Dienst. In der Chemie hat die Gewerkschaft IG BCE sicherheitshalber schon mal sieben Prozent mehr gefordert. Die Tarifrunde 2011 läuft rund.

Ohne Maß seien manche Forderungen, klagen die Arbeitgeber. Unabhängige Experten warnen davor, den Bogen nicht zu überspannen. Dagegen finden Politiker aller Parteien, jetzt hätten die Arbeitnehmern echt mal "einen kräftigen Schluck aus der Pulle" verdient. Dabei täten die Politiker gut daran, sich mit Ratschlägen an die Tarifparteien zurückzuhalten.

Die Verhandlungen in Betrieben und Branchen sind von dem Umstand belastet, dass die Wirtschaft mit ausgleichen soll, was der Staat angerichtet hat. Weil er es partout nicht schafft, die Lohnzusatzkosten zu senken und im Mittelstand die Steuerbelastung zu reduzieren, müssen die Arbeitnehmer nun auf ihre Arbeitgeber hoffen. Damit aber wächst die Gefahr überzogener Tarifabschlüsse.

Vor allem aber verbieten sich alle generalisierende Aussagen. Ein Jahr nach der großen Krise ist die deutsche Wirtschaft ein Flickenteppich, und so muss auch die Tarifpolitik sein. Wer Nachholbedarf hat und gut verdient, sollte das im Interesse der Firmenkultur an seine Mitarbeiter weitergeben. VW verdient gut, hat große Marktchancen und beteiligt seine Mitarbeiter deshalb zurecht an diesem Erfolg - deutlich über Tarif, während die Konkurrenten Ford oder Opel auf Tarifniveau bleiben: Ihre Lage ist schlechter.

In der Metall- und Elektroindustrie insgesamt hat die IG Metall in der Krise sehr moderat agiert, deshalb kann sie jetzt nachlegen. Wichtig sind aber nun die Ausnahmeregeln, die bei Unternehmen, die kämpfen müssen, andere Abschlüsse möglich machen.

Keinen Nachholbedarf hat der Öffentliche Dienst. Der war während der Wirtschaftskrise weder von Lohnkürzungen noch von Kurzarbeit betroffen. Dadurch steigen manche Gehälter im Gegensatz zur freien Wirtschaft. Auch ist die Lage der öffentlichen Haushalte nach wie vor prekär: ein Grund mehr, bescheiden zu bleiben.

Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale

Insgesamt aber wird 2011 ein gutes Tarifjahr werden, zu beobachten ist eine Rückkehr zur Normalität. Damit wird auch die berühmte Lohnformel wieder interessant: Produktivitätsentwicklung plus Teuerung - das ist üblicherweise der Spielraum für Lohnerhöhungen. Je mehr eine Branche unter dieser Schwelle bleibt (im deutschen Durchschnitt liegt sie für die Industrie bei rund drei Prozent), desto mehr Geld ist übrig für weitere Investitionen.

Schaffen es Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sich an der Lohnformel zu orientieren, dann wird es so schnell keine Probleme geben. Steigen die Arbeitskosten aber zu stark, geht das auf Kosten der Beschäftigung. Kräftige Lohnerhöhungen bergen auch die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale: Die Unternehmen heben die Preise an, und das schürt die Inflation.

Jetzt schon liegt die Preissteigerung in der Euro-Zone bei beachtlichen 2,4 Prozent; zwei Prozent hält die Europäische Zentralbank für unbedenklich. Also muss sie womöglich bald die Zinsen anheben - was wiederum Konsum und Investitionen dämpfen kann. So hängt am Ende alles mit allem zusammen; die Freude in Wolfsburg ist eine Momentaufnahme, und die Kunst liegt in der Mäßigung.

© SZ vom 08.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ein- und Auskommen
:Huch, wo ist mein Geld hin?

Eben war noch Geld im Portemonnaie - und jetzt ist es weg. Knapp 3000 Euro netto stehen einem Durchschnittshaushalt pro Monat zur Verfügung. Doch wie gibt er das verdiente Geld genau aus? Ein Überblick in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: