Höchststände am Aktienmarkt:Aufwärts ohne Sicherheit

"Die beste aller Welten": Der Dax knackt die 8000er-Marke - und jetzt? Analysten glauben, dass der Leitindex in den nächsten Wochen einen neuen Rekord aufstellen wird. Auch weltweit geht es an den Börsen bergauf. Dabei hängt alles daran, wie billig die Notenbanker das Geld machen. Das bedeutet Risiko.

Von Andreas Jalsovec

Lange, sehr lange hatten Börsenhändler und Aktienmarktstrategen darauf warten müssen. Und als es dann so weit war, dauerte das Ganze nur ein paar Minuten. Um exakt 9 Uhr 21 am Freitag kletterte der Deutsche Aktienindex über die Marke von 8000 Punkten - zum ersten Mal seit Januar 2008. Doch viel weiter ging es erst einmal nicht. Bei 8002 Punkten machte der Index schon wieder kehrt. Am Nachmittag schaffte er es noch einmal über die 8000er-Marke, fiel aber erneut zurück.

"Die Grenze war in greifbarer Nähe", sagt ein Händler auf dem Frankfurter Parkett. "Man wollte das eben endlich schaffen." Es war ein Ereignis mit Ankündigung: Täglich hatten die Märkte in den vergangenen Tagen auf diesen Sprung gewartet. Nun ist er da. Und die Anleger fragen sich: Wie geht es weiter? "Es spricht einiges dafür, dass sich die Rally am Aktienmarkt fortsetzt", meint Werner Bader, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg. Wie er denken derzeit etliche Experten - auch wenn es durchaus noch einige Risiken gibt.

Die Gründe für den Aufschwung

Verantwortlich für den Kursanstieg an der Börse sind vor allem die Notenbanken weltweit. Mit billigem Geld heizen sie die Käufe an den Aktienmärkten an. Da die Zinsen so niedrig sind, gibt es für Anleger kaum Alternativen. "Die Politik der Zentralbanken ist das Fundament für den Aufschwung", meint Werner Bader. "Aber das ist nun schon länger so." Hinzugekommen sind gute Unternehmenszahlen: "Die Dax-Firmen sind im Schnitt so erfolgreich wie nie", sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei der Landesbank Bremen. Viele Unternehmen zahlen hohe Dividenden. Auch das macht Aktien attraktiv. Und: Die Konjunktur ist auf dem Erholungspfad - in Deutschland wie auch weltweit.

Der globale Gleichschritt

Nicht nur an den deutschen Börsen sind die Kurse daher zuletzt kräftig gestiegen. In den USA verbuchte der Dow Jones in dieser Woche dreimal hintereinander ein neues Rekordhoch. Der japanische Nikkei kletterte am Freitag auf den höchsten Schlussstand seit September 2008. Das ist der Monat, in dem die Investmentbank Lehman Brothers pleite ging und damit die weltweite Finanzkrise auslöste. Ein halbes Jahr lang ging es danach an den Börsen nach unten, bevor die Märkte wieder drehten. Seitdem haben sich die Aktienkurse an einigen Börsen der Welt mehr als verdoppelt (Grafik). Längst nicht alle jedoch kratzen wie Dax, Dow oder der Londoner FTSE an ihren historischen Höchstständen. Japans Nikkei 225 hat noch nicht einmal ein Drittel seines Hochs aus dem Jahre 1989 erreicht. Der europäische Index Stoxx Europe 50 liegt erst auf der Hälfte seines Höchststandes von 2000, und auch der weltweite Index MSCI World ist noch eine gutes Stück vom bisherigen Rekordhoch aus dem Jahr 2007 entfernt. Dennoch macht der starke Kursanstieg der jüngsten Vergangenheit viele Anleger skeptisch. Die Angst, erneut in eine Blase zu investieren, die bald wieder platzen könnte, sitzt tief.

Die Risiken des Booms

Tatsächlich gibt es weiterhin Faktoren, die die Kurse abstürzen lassen könnten. So ist die Europäische Schuldenkrise noch längst nicht ausgestanden. "Die Wahl in Italien hat jedoch gezeigt, dass sie bei den Anlegern derzeit deutlich in den Hintergrund gerückt ist", sagt Aktienstratege Bader. Die Börsianer hat der unklare Wahlausgang dort kaum verunsichert. "Sie sehen im Moment eher das Positive", meint Bader. Soll heißen: Sie vertrauen darauf, dass die Europäische Zentralbank weiterhin alles tut, um ein erneutes Aufflammen der Krise zu verhindern.

Am gravierendsten für die Börsenentwicklung wäre denn auch, wenn die Notenbanken den Geldhahn zudrehen würden. Das jedoch dürfte auf absehbare Zeit weder in Europa noch in den USA passieren. So rechnen Analysten nicht vor 2014 mit einer Zinserhöhung der US-Notenbank.

Die weitere Entwicklung

Noch gut 100 Punkte ist der Deutsche Aktienindex von seinem Höchststand im Juli 2007 entfernt. Für viele Analysten ist es nur eine Frage der Zeit, wann diese Marke fällt. "Wir rechnen bis Ende März damit ", meint Werner Bader. Auch Jörg Scherer, Leiter der technischen Analyse bei HSBC Trinkaus geht von einem "zügigen Test des Höchststandes im Dax" aus. Werde diese Marke überschritten, sei der Weg nach oben erst einmal offen: "Der Sprung auf ein neues Allzeithoch ist die beste aller Welten am Aktienmarkt", sagt Scherer. Das gelte umso mehr, als der Dow Jones das neue Hoch bereits erreicht habe. Der US-Index gebe damit den Trend für die nächsten Wochen vor.

Bei 8500 Punkten sieht die Landesbank Baden-Württemberg den Dax am Jahresende. "Ein Plus von zehn bis fünfzehn Prozent in diesem Jahr im Dax - das wäre schon ein gutes Ergebnis", meint Analyst Bader. Rückschläge allerdings müssten Anleger dabei stets einkalkulieren. Zehn Prozent oder mehr seien bei einem solchen Stand nichts Außergewöhnliches. "Aktien", so Bader, "sind keine Sicherheitspapiere." Auch im Aufschwung nicht.

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