Hochzeit von William und Kate:Londoner Pfundsgeschäft

Die britische Wirtschaft liegt darnieder, doch Gott sei Dank gibt es William und Kate. Die Regierung hofft, dass die Hochzeit stimulierend wirkt und dem Volk Glücksgefühle vermittelt. Ökonomen aber befürchten immense volkswirtschaftliche Verluste.

Andreas Oldag

Es ist das Großereignis des Jahres: Millionen Menschen weltweit fiebern der britischen Traumhochzeit von Prinz William und Kate Middleton an diesem Freitag entgegen. London erwartet 600.000 Touristen. Der Einzelhandel hofft auf Millionen-Einnahmen. Und die Themse-Metropole berauscht sich im Royal Wedding Hype, am Rausch um die königliche Vermählung.

Royal Wedding - Merchandise, Souvenirs and Curiosities

Auguren des britischen Königshauses vergessen nicht den diskreten Hinweis, dass Hochzeiten der Windsors in jüngster Vergangenheit stets in Zeiten von Austerity, also der wirtschaftlichen Entbehrung und Knappheit, stattgefunden haben.

(Foto: dpa)

Für viele Briten ist der nationale Feiertag, der zu einer gigantischen Party werden soll, allerdings auch eine willkommene Ablenkung von den drückenden wirtschaftlichen Sorgen. Das Land muss die schwerste ökonomische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg durchstehen. Nach den teuren Rettungsaktionen für angeschlagene Banken in den Schreckensjahren der Finanzkrise 2008 und 2009 setzt die konservativ-liberale Regierung von David Cameron auf eine harsche Haushaltssanierung. Steuererhöhungen gehören ebenso dazu wie der Abbau von 500.000 Jobs im öffentlichen Dienst.

"Wir müssen uns warm anziehen", meint Graeme Lech, leitender Ökonom des Wirtschaftsverbands Institute of Directors. Die Wachstumserwartungen von 1,3 Prozent für das Jahr 2011 müssten nach unten korrigiert werden, glaubt der Experte. Die Industrie habe im April überraschend weniger Aufträge erhalten, beklagt jetzt der britische Industrieverband CBI kurz vor dem großen Ring-Austausch von Prinz William und der gutbürgerlichen Kate Middleton.

Kein Zufall, dass Premierminister Cameron die königliche Hochzeit als "ungetrübt gute Nachricht" bezeichnet. Die Regierung, die Umfragen zufolge wegen ihrer Sparmaßnahmen deutlich an Zustimmung verloren hat, hofft auf den William-Kate-Effekt. Wenn es schon keine guten Wirtschaftsprognosen gibt, soll das Britische Empire zumindest königliches Wohlgefühl genießen.

Die Strategen in Downing Street Nummer Zehn, dem Sitz des Premiers, haben dabei auch die Olympischen Spiele nächstes Jahr in London fest im Blick. Das sportliche Großereignis soll dem "Bruttonationalglück" weiter auf die Sprünge helfen.

Spiele statt Brot?

Nach dem Willen der Regierung soll von 2012 an ein happiness index in die nationale Wohlstandsstatistik einfließen, obgleich Kritiker dies für eine billige PR-Kampagne halten. In die Glücksstatistik fließt vielleicht Sympathie für das königliche Paar ein, das alle Welt liebt oder Stolz über die Wettkämpfe der besten Sportler, die es an die Themse zieht.

Spiele statt Brot? Müssen Events jetzt ausgleichen, was durch den Niedergang der Industrie und der Tristesse des Finanzwesens verloren ging?

Auguren des britischen Königshauses vergessen nicht den diskreten Hinweis, dass Hochzeiten der Windsors in jüngster Vergangenheit stets in Zeiten von "Austerity", also der wirtschaftlichen Entbehrung und Knappheit, stattgefunden haben. Schließlich habe Queen Elizabeth II. als damals 21-jährige Thronfolgerin 1947 ihrem Prinz Philip das Ja-Wort gegeben, als die Siegermacht des Zweiten Weltkriegs für das eigenen Volk noch Lebensmittelkarten bereithalten musste.

Ökonomen bezweifeln Konjuktur-Effekte

Die Märchenhochzeit von Prinz Charles und seiner Prinzessin Diana wiederum fiel 1981 in eine Ära, als die damalige konservative Premierministerin Margaret Thatcher mit hoher Arbeitslosigkeit und schwachem Wirtschaftswachstum kämpfte. Das Geburtsland der industriellen Revolution war infolge seiner veralteten Kohle- und Stahlbranchen zum "kranken Mann" Europas geworden.

Insofern sind die historischen Parallelen nicht aus der Luft gegriffen: Wenn Prinz William und Kate Middleton in der altehrwürdigen Westminister Abbey den Bund fürs Leben besiegeln, müssen die Insulaner wieder einmal mit "stiff upper lip" - also leicht pikiert, aber leidensfähig - einen wirtschaftlichen Wandel durchstehen. So ist es einerseits fraglich, inwieweit die krisengeschüttelte Banken- und Finanzbranche zur alten Stärke zurückfinden kann. Andererseits steht hinter der von der Regierung anvisierten Wiederbelebung industrieller Produktion ein Fragezeichen.

Da macht es sich in diesen schwierigen Zeiten gut, dass Prinz William und seine 29-jährige Verlobte durchaus einen schwierigen Balanceakt gemeistert haben. Die beiden Twens müssen das allgemeine Bedürfnis nach einer prächtigen Hochzeit zu befriedigen, ohne jedoch die Feier angesichts Großbritanniens angespannter Wirtschafts- und Finanzlage allzu ausschweifend wirken zu lassen. Statt der 3500 Gäste, die der opulenten Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di beiwohnten, hat das junge Paar 1900 Gäste eingeladen.

Das Paar wünscht sich keine Geschenke, sondern Spenden für gute Zwecke. Und von Anfang an machte der Buckingham Palast deutlich, dass sich beide Seiten an den Kosten der Feier beteiligen. Die Familie Middleton, die einen florierenden Kinderpartyservice betreibt, soll Medienberichten zufolge mit 100.000 Pfund (115.000 Euro) dabei sein.

Die Gesamtrechnung beläuft sich auf ein Vielfaches. Allein die vom Staat getragenen Kosten für Sicherheit und das Großaufgebot an Polizeikräften werden auf 20 Millionen Pfund (23 Millionen Euro)geschätzt. Hinzu kommen viele Millionen Pfund für die Zeremonie und festlichen Banketts, die aus der königlichen Schatulle getragen werden. Diese wird allerdings zu einem erheblichen Teil vom Steuerzahler finanziert.

Ökonomen sehen höchstens bescheidene Effekte für die Konjunktur. "Es ist pures Wunschdenken, dass die Leute allein wegen des Hochzeits-Ereignisses mehr Geld für den Konsum ausgeben", meint Jonathan Loynes, Chefökonom bei der Londoner Finanzfirma Capital Economics. Die Wirtschaftsvereinigung Federation of Small Business veranschlagt sogar unterm Strich einen volkswirtschaftlichen Verlust von sechs Milliarden Pfund - eine Folge der Firmenschließungen und Produktionsausfälle angesichts des nationalen Feiertags am Freitag, wenn die Glocken für William und Kate läuten.

Optimistische Hoteliers

Weniger pessimistisch sind dagegen die Hotels, das Tourismus-Gewerbe sowie der Einzelhandel - die meisten Geschäfte haben am 29. April geöffnet. Die Marktforschungsfirma Verdict beziffert die zusätzlichen Einnahmen in diesen beiden Branchen auf 620 Millionen Pfund. Davon entfallen nach Meinung der Experten 45 Millionen Pfund allein auf den Verkauf von Hochzeitssouvenirs.

Es ist Nippes-Time in London. So sind zumindest die Andenken-Verkäufer, die in diesen Tagen fast an jeder Straßenecke stehen, mit ihrem Geschäft zufrieden. Ein Händler am Londoner Victoria-Bahnhof freut sich: "Postkarten mit dem Bild des junges Paares werden mir aus der Hand gerissen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: