Elementarschadenversicherung:Nur gut die Hälfte der Wohngebäude sind geschützt

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Zuerst kam das Wasser, dann blieb der Schlamm: Ein zerstörter Keller nach dem Hochwasser im bayerischen Baar-Ebenhausen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Wer zahlt die Schäden bei Hochwasser, Starkregen und Erdrutschen? Bisher sind Betroffene, die nicht versichert sind, oft auf staatliche Hilfe angewiesen. Eine Pflichtversicherung könnte das ändern. Doch die Diskussion darüber verläuft zäh. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Anne-Christin Gröger, Christian Bellmann, Jonas Tauber

Nach den Bund-Länder-Gesprächen steht fest: Die Versicherung von Elementarrisiken bleibt weiter freiwillig. Doch das Thema Pflichtversicherung ist damit nicht endgültig vom Tisch. Diskussionen darüber kommen nach Schadenereignissen regelmäßig auf. Das war nach der Flutkatastrophe an Ahr und Erft 2021 so – und jetzt auch nach den Überschwemmungen im Saarland im Mai und in Süddeutschland im Juni. Außerdem wollen die Bundesländer mit ihrer Forderung nach einer Pflichtversicherung nicht lockerlassen.

Was ist eine Elementarschadenversicherung?

Sie erweitert eine Wohngebäude-Police um Schutz gegen Elementarschäden wie Starkregen, Hochwasser, Rückstau, Schneedruck, Erdbeben und Erdsenkung, Lawinen, Vulkanausbrüche oder Erdrutsch. Eine reguläre Wohngebäude-Police kommt nur für Feuer- und Leitungswasserschäden sowie für Schäden durch bestimmte Naturgefahren wie Sturm ab Stärke 8 oder Hagel auf. Auch eine Hausratversicherung lässt sich mit einer Elementardeckung erweitern. Allerdings: Schäden durch Grundwasser sind weder in der normalen Wohngebäude- noch in der Elementarschadenversicherung versichert.

Was kostet eine Elementarschadendeckung?

Die Unterschiede sind enorm: Während der Elementarzusatz eine Wohngebäude-Police für eine Doppelhaushälfte in einer kaum gefährdeten Gegend nur um einen niedrigen dreistelligen Betrag pro Jahr verteuert, sieht es beispielsweise in Bonn direkt am Rhein anders aus: Für ein Einfamilienhaus mit Keller kann eine Wohngebäude-Police inklusive Elementarschutz laut dem Vergleichsportal Check24 zwischen 800 und 5000 Euro pro Jahr kosten, je nach Anbieter. Wie teuer eine Elementardeckung im Einzelfall werden kann, hängt von vielen Faktoren ab wie der Höhe der Selbstbeteiligung, individuellen Gegebenheiten des Grundstücks oder baulichen Maßnahmen.

Anfang Juni von den Fluten erfasste Häuser im bayerisch-schwäbischen Günzburg. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Warum mehren sich die Forderungen nach einer Pflichtversicherung?

Nach Angaben des deutschen Versichererverbandes GDV sind nur 54 Prozent der Wohngebäude hierzulande gegen Elementarschäden abgesichert. Die regionalen Unterschiede sind groß: In Baden-Württemberg verfügen 94 Prozent darüber, in anderen Bundesländern nur ein Drittel. Die Verbreitung ist in den vergangenen Jahren nur leicht gestiegen, selbst die Ahrtal-Katastrophe hat daran nicht viel geändert.

Wer befürwortet eine Pflichtversicherung?

Die Ministerpräsidenten sprechen sich auch weiter klar dafür aus. Sie wollen den Steuerzahler entlasten und verweisen darauf, dass sich Hausbesitzer bisher nach Naturkatastrophen häufig auf Staatshilfen verlassen haben. Auch Umfragen unter Hausbesitzern zeigen regelmäßig, dass diese mit einer Versicherungspflicht einverstanden wären.

Wer ist gegen eine Pflichtversicherung?

Blockiert wird die Pflichtversicherung regelmäßig von der FDP und Bundesjustizminister Marco Buschmann. Er hält das Argument für nicht stichhaltig, dass die Steuerzahler entlastet würden. Auch die Vorstellung einer solidarischen Durchschnittsprämie für alle Kunden sei unrealistisch. Auch der GDV lehnt sie ab. Er sorgt sich um bürokratische Hürden und fürchtet, dass Staat und Hausbesitzer bei einer Versicherungspflicht Prävention vernachlässigen könnten und vermehrt billige, aber gefährdete Grundstücke bebaut werden. Außerdem würde der Versicherungsschutz für alle Hausbesitzer teurer. Der Verband argumentiert zudem, dass eine Pflichtversicherung keine Schäden verhindert – Prävention, gesetzliche Änderungen für klimaangepasstes Bauen und Sanieren sowie ein Neubau-Stopp in Risikogebieten würden mehr bringen.

Welche Modelle stehen im Raum?

Unter anderen bei der SPD hatte zuletzt das Modell aus Frankreich Unterstützung gefunden, wo fast alle Gebäude gegen Elementarrisiken abgesichert sind. Dort müssen Gebäudeversicherungen mit einer Elementardeckung verknüpft sein. Von den Beiträgen für Hausrat- und Gebäudepolicen fließen automatisch zwölf Prozent in einen Fonds, von der Kfz-Versicherung sechs Prozent. Die Versicherer können wiederum im Katastrophenfall auf einen staatlichen Rückversicherer zurückgreifen.

Der GDV unterstützt Buschmanns Vorschlag einer Angebotspflicht, für die auch Kanzler Scholz geworben hat: Neukunden würden bei Abschluss einer Gebäudepolice vom Versicherer ein Angebot für eine Elementardeckung erhalten, und bestehende Kunden eine Aufforderung, den Vertrag zu erweitern. Der Vorschlag erinnert an das Opt-out-Modell des GDV, bei dem Kunden den Elementarzusatz bei neuen Verträgen abwählen beziehungsweise bei Altverträgen einer automatischen Erweiterung widersprechen müssten. Zu den Unterstützern des Opt-out-Modells gehörte die Union, sie war im Bundestag mit einem entsprechenden Antrag aber kürzlich gescheitert.

Wie geht es weiter?

Die Bundesländer wollen mit der Regierung weiter an einer Lösung arbeiten. „Die Länder sind in dieser Frage wirklich sechzehn zu null einhellig der Meinung: Freiwilligkeit wird das Problem der mangelnden Versicherungsabdeckung nicht lösen“, sagt der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Der Verbraucherzentrale-Bundesverband schlägt als Alternative zu einer Pflicht aktuell vor, dass alle neuen Gebäudepolicen sämtliche versicherbaren Naturgefahren umfassen sollten, also Hochwasser und Starkregen, aber auch Sturmflut, Grundwasser und Durchfeuchtung. Altverträge sollten umgestellt werden.

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