Pflichtversicherung:Umweltschäden: Die Schweiz geht auf Nummer sicher

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Bergdorf im Kanton Wallis: Wie schnell aus einem idyllischen Bächlein in den Alpen ein reißender Strom werden kann, weiß man in der Schweiz.

(Foto: A. Kohlrusch /imago images)

Die meisten Kantone zwingen Hauseigentümer dazu, eine Gebäudeversicherung gegen Elementarschäden abzuschließen. Sollte sie auch in Deutschland Pflicht werden?

Von Isabel Pfaff, Bern

Bis zu 5,5 Milliarden Euro. So hoch, schätzt der deutsche Versicherungsverband GDV, dürfte die Schadenssumme des verheerenden Juli-Hochwassers in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen ausfallen. Allerdings sind das nur die versicherten Schäden. Wie der GDV mitteilt, sind deutschlandweit nur 46 Prozent der Gebäude gegen Elementarschäden versichert, also gegen alle Schäden, die die Natur anrichtet: Hochwasser, Starkregen, Schneedruck, Lawinen, Erdrutsch und Erdbeben. Mehr als die Hälfte der Gebäude - in Rheinland-Pfalz sind es sogar mehr als 60 Prozent - stehen im Katastrophenfall also ohne Schutz da.

Wie auch nach früheren Hochwasserereignissen diskutiert Deutschland deshalb jetzt darüber, ob eine Gebäudeversicherung gegen Naturgefahren nicht obligatorisch für alle Eigentümer sein sollte - schließlich unterstützen im Moment der Staat und damit die Steuerzahler all jene, die ihr Haus nicht versichert haben.

In der Schweiz gibt es bereits eine solche Versicherungspflicht - zumindest in 22 der 26 Kantone. In 19 Kantonen existieren dafür kantonale Gebäudeversicherungen, also öffentlich-rechtliche Institutionen, die nach kantonal-gesetzlichen Vorgaben gegen Feuer- und Elementarschäden absichern. In den übrigen drei Teilstaaten können die Eigentümer frei wählen, bei welchem Anbieter sie ihr Gebäude versichern lassen. Lediglich in Genf, Appenzell Innerrhoden, im Tessin und im Wallis besteht gar keine Versicherungspflicht. In einem derart regulierten System ist der Anteil der gedeckten Gebäude natürlich hoch: Rund 80 Prozent aller Schweizer Gebäude sind allein über die kantonalen Gebäudeversicherungen versichert. Dem Schweizer Rückversicherer Swiss Re zufolge liegt die schweizweite Abdeckung zwischen 95 und 100 Prozent.

Erdbeben-Schäden sind bei den Versicherungen ausgeschlossen

Wie funktioniert dieses System genau? Zunächst wohl über eine Einschränkung: Erdbeben-Schäden umfasst diese obligatorische Versicherung - mit Ausnahme des Kantons Zürich - nicht. Zwar bemühen sich die kantonalen und auch die privaten Versicherer, diesem Problem über verschiedene Initiativen beizukommen, aber noch handelt es sich dabei um "die größte Deckungslücke in der Schweiz", wie es bei der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) heißt.

Alle anderen Elementar- und Feuerschäden versichern die kantonalen Gebäudeversicherer aber, und zwar zu günstigen Bedingungen: Innerhalb eines Kantons bezahlen die Hauseigentümer alle die gleiche Versicherungsprämie - egal, wie gefährdet ihr Gebäude ist. Zudem ist der Selbstbehalt überschaubar. Er beläuft sich maximal auf einige Hundert Franken, in manchen Kantonen gibt es ihn nicht einmal.

Was die Höhe der Prämien angeht, so räumt selbst der wirtschaftsliberale Thinktank Avenir Suisse in einer Studie von 2014 ein, dass die kantonalen Gebäudeversicherungen im Durchschnitt ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten als die privaten Anbieter in den Kantonen ohne Monopolversicherer. Beim Verband der kantonalen Versicherer führt man diesen Preisvorteil einerseits darauf zurück, dass bei ihnen keine Marketing- und Vertriebskosten anfallen und auch keine Gewinne ausgeschüttet werden. Andererseits versichern die kantonalen Versicherer nicht nur, sondern kümmern sich auch um Prävention und Intervention. "Dieser dreifache Schutz", so der Verband, "erlaubt eine Wechselwirkung, welches zu einem ausgesprochen günstigen Schadenverlauf und somit zu tiefen Prämien führt."

Tatsächlich betreiben die Gebäudeversicherungen einen größeren Aufwand für Schadensprävention als die privaten Versicherer, wie Avenir Suisse schreibt. Sie beraten zum Beispiel die Hauseigentümer und übernehmen in manchen Fällen teilweise die Kosten von Baumaßnahmen. Weigert sich ein Eigentümer oder eine Eigentümerin wiederholt, bestimmte Präventionsmaßnahmen umzusetzen, kann eine kantonale Gebäudeversicherung die Leistung im Schadensfall kürzen.

In Deutschland ist eine solche Versicherungs-Pflicht eher unwahrscheinlich

Darüber hinaus spielen die kantonalen Gebäudeversicherungen eine Schlüsselrolle bei der Intervention im Schadensfall: Sie haben nämlich die Oberaufsicht über das Feuerwehrwesen. Zusammen mit den Kantonen und Gemeinden finanzieren sie die Ausbildung und Ausrüstung der Feuerwehren. Ein gewisser Anteil der Versicherungsprämien fließt direkt in diesen Bereich.

Es ist also ein ziemlich spezielles, historisch gewachsenes System, das in der Schweiz dafür sorgt, dass die Gebäudeeigentümer im Katastrophenfall abgesichert sind. Und natürlich gibt es auch Kritik: Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob ein staatliches Monopol der richtige Weg ist, gilt auch die Erdbeben-Lücke als problematisch. Oder dass viele kantonale Versicherer immense Reserven angehäuft haben, ohne die Prämien zu senken.

In Deutschland sieht es derweil nicht so aus, als stünde die Pflichtversicherung für Gebäudeeigentümer bald an. Nicht nur die privaten Versicherer sprechen sich vehement dagegen aus. Auch die Verbraucherzentrale hält eine Pflichtversicherung für einen zu starken Eingriff in die Grundrechte. Nur wenn die Versicherungsunternehmen es in den nächsten zwei Jahren nicht schaffen würden, allen einen bezahlbaren Versicherungsschutz anzubieten, müsse man über eine Pflicht nachdenken, sagt Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.

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